Wenig später die ersten Pogrome gegen Juden
Nach dem Zerfall der Habsburger-Monarchie hatten die meisten Deutsch sprechenden Staatsbürger im Anschluss an das demokratische Deutschland einen Ausweg aus der Katastrophe gesucht. Der im Jahre 1938 erfolgte der Anschluss an Nazi-Deutschland mit all seinen Folgen in den kommenden sieben Jahren war für die „Ostmark“ dann aber die größte Katastrophe schlechthin.
Am Ende des Ersten Weltkrieges hatten die Siegermächte den Anschluss untersagt und die Deutsch-Österreicher mussten sich in einem Kleinstaat einrichten, der „nicht lebensfähig“ schien. Aus diesem Grund blieben die Anschlussideen – außer bei Monarchisten und Christsozialen – lebendig. Erst als auf dem Höhepunkt der Weltwirtschaftskrise die Nationalsozilisten in Deutschland an die Macht kamen, änderte sich die Situation grundlegend. In Österreich beseitigte der christlichsoziale Bundeskanzler Engelbert Dollfuss die Demokratie und die linke Arbeiterbewegung. Als sich gegen seinen „Christlichen Ständestaat“ am 12. Februar 1934 Sozialdemokraten erhoben, wurde der Aufstand mit der faschistischen Heimwehr blutig niedergeschlagen. Die in Österreich agierende NSDAP konnte weiterhin auf die mehr oder weniger offene Unterstützung durch Hitler zählen und blieb ein weitaus gefährlicherer Gegner, der im Lande durchaus eigenständige Wurzeln hatte und von Anschlusswünschen und Antisemitismus profitierte.
Daran änderte auch das NSDAP-Verbot im Juni 1933 nicht viel. Ein Putschversuch von SS und SA am 25. Juli 1934, bei dem Dollfuss ermordet wurde, konnte nur abgewehrt werden, weil Österreich vom faschistischen Italien Rückendeckung erhielt. Der Versuch des „Austrofaschismus“, mit diktatorischen Mitteln die noch radikalere Nazi-Diktatur abzuwehren, war unter Dollfuss´ Nachfolger, Kurt Schuschnigg, nur so lange erfolgreich, bis Mussolinis Überfall auf Abessinien eine Annäherung Italiens an Deutschland einleitete. Die „Achse Berlin-Rom“ wurde somit zum Spieß, an dem Österreich braun gebraten wurde..! Schuschnigg versuchte mit allen Mitteln, eine Atempause zu erhalten, unterhöhlte jedoch ständig die Selbständigkeit Österreichs. Und Hitler hielt weiterhin an der Taktik des „schleichenden Anschlusses“ fest.
Zur letzten Etappe auf dem „deutschen Weg“ wurde das „Berchtesgadener Abkommen“ vom 12. Februar 1938. Diese diktatähnliche Besprechung Hitlers mit Schuschnigg machte Österreich vollends zu einem Vasallen Nazideutschlands. „Gemäßigte“ Nationalsozialisten wie Arthur Seyß-Inquart waren bereits im Jahre 1937 in den Staatsapparat berufen worden, um die Verbindung zur „nationalen Opposition“ herzustellen. Die österreichischen Nazis konnten nun immer offener in Erscheinung treten. Seit Ende Februar 1938 kam es in der Steiermark zu stürmischen Kundgebungen, gegen die Österreichs Polizeibeamte nicht vorzugehen wagten. Da auch der Druck seitens von Nazideutschland immer stärker wurde, glaubte Schuschnigg, die Flucht nach vorne antreten zu müssen. Er kündigte kurzfristig eine „Volksbefragung“ für den 13. März über sein Regime und die Unabhängigkeit Österreichs an. Doch seine Rechnung ging nicht auf. Adolf Hitler war keinesfalls bereit, einen von den Manipulationsmöglichkeiten des autoritären Staates bestimmten und für ihn ungünstigen Ausgang dieser „Volksbefragung“ hinzunehmen.
Schuschnigg hatte eine Absprache mit den Westmächten und rechtzeitige Verhandlungen mit den verbotenen, aber kooperationsbereiten linken Gruppen versäumt. So konnte Hitler am 11. und 12. März 1938, gedrängt von Göring, der eine Bereicherung seiner Vierjahresplan-Wirtschaft dringend benötigte, blitzartig die „Österreich-Frage“ in seinem Sinne lösen. Unter deutschen Ultimaten musste zunächst die „Volksbefragung“ abgesagt werden, Schuschnigg zurücktreten und Bundespräsident Miklas, bevor er am 12. März 1938 resignierte, eine neue Regierung unter Seyß-Inquart ernennen. Dennoch marschierte am frühen Morgen dieses Tages die „Großdeutsche Wehrmacht“ ein, während die einheimischen Nationalsozialisten, ohne auf Widerstand zu stoßen, die Macht im Staat zu übernehmen und Himmler mit Polizei und SS eine Verhaftungswelle einleitete.
Damit trat auch ein tiefgreifender Meinungsumschwung ein. Die einheimischen Führungsschichten waren wie gelähmt, die in der allerletzten Zeit bestenfalls zur Halblegalität zugelassenen Kommunisten und Sozialisten wurden angesichts der bekannten Nazi-Herrschaftsmethoden entmutigt. Nicht wenige Sozialdemokraten empfanden eine nach Jahren der Verfolgung verständliche, wenngleich törichte Genugtuung über den Sturz des verhassten „Ständestaates“. Auch kamen die alten Anschlusswünsche wieder voll zum Durchbruch. Wa jedoch 1938 den Anschluss besonders erstrebenswert erscheinen ließ, war die Hoffnung, dadurch dem Elend der in Österreich noch immer herrschenden Wirtschaftskrise zu entkommen. Demgegenüber zählten die politischen Einschränkungen und Verfolgungen von „Anderen“ wenig.
Der Anschluss war von pogromartigen Zuständen begleitet. In demütigenden „Reibepartien“ – Straßenwaschen -, zu dem Juden gezwungen wurden, entlud sich notorischer Judenhass und das Rachebedürfnis am gestürzten Regime, denn auch für dieses wurde das „Feindbild Jude“ verantwortlich gemacht.
Dass der Nationalsozialismus beispiellosen Terror, vor allem gegen Juden, politische Gegner und „slawische Untermenschen“, Massenmord und Weltkrieg mit sich bringen sollte, sahen viele nicht vorher, und viele nahmen es lakonisch hin. Was zunächst als Erfüllung der demokratischen Anschluss-Sehnsucht erschien, war in Wirklichkeit die NS-Machtübernahme auch in Österreich, die durch die Intervention der übermächtigen deutschen Militär-, SS- und Polizeikräfte in Gang gesetzt und voran getrieben wurde.
Begleitet war sie von Drohungen, Demonstrationen, antijüdischen Exzessen und willkürlichen Verhaftungen, die auf eine pseudo-
revolutionäre Machtübernahme von unten und von innen hinaus liefen.
Die österreichischen Nazis um Seyß-Inquart und seine „Katholisch-Nationalen“ erwiesen sich zunächst als nützlich für die nahtlose Machtübertragung, doch sie wurden bald vom Saarpfälzischen Gauleiter Josef Bürckel, der als Reichs-
kommissar ins Land entsandt wurde, und von radikaleren Parteiführern ausgebootet.
Sofort setzte unter den österreichischen Nazis und ihren Mitläufern ein Wettlauf um Posten und jüdisches Eigentum ein. Sehr bald war in Wien und anderen Städten des Landes ein Plakat mit der Aufschrift „Judentum ist Verbrechertum“, lest den „Stürmer“, von jedem zu betrachten.
Mit voller Wucht rollte der Propagandaapparat von Goebbels über die „Ostmark“ hinweg, dem es binnen kurzem gelang, allgemeine Zustimmung der Österreicher, etwa auf dem Heldenplatz in Wien zu erzeugen oder wenigstens vorzutäuschen. Rascher, als im „Altreich“ gelang es in einer Kombination von Einschüchterung und Kontrolle, nationalpolitischen, wirtschaftlichen und sozialen Versprechungen, Massenmobilisierung und überwältigender PropagandaInszenierung, auch in der „Ostmark“ die Naziherrschaft zu festigen.
Bereits Anfang April wurden tausende österreichische NS-Gegner, hauptsächlich „vaterländische“ Funktionäre und Juden, verhaftet und viele nach Dachau deportiert. Und im Sommer wurde wurde auch in Mauthausen ein Konzentrationslager errichtet. Es sollte allerdings recht bald vor allem dazu dienen, nichtösterreichische Gegner auszuschalten und zu ermorden.
Und so nahm das Unheil auch in Österreich seinen Lauf!
Von Rolf von Ameln
Redaktion Israel-Nachrichten.org
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.
Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!
Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.