Nun war er also wirklich hier, trotz aller Bedenken und Widerstände im Vorfeld. Vor knapp zwei Stunden ist sein Flugzeug vom Ben Gurion Flughafen aus Richtung Rom gestartet. Traditionell reisen Päpste in einem Flugzeug der Alitalia in ihr Gastgeberland und verlassen es mit der regionalen Fluglinie. So auch heute.
Nun darf er an Bord einer ELAL relaxen und den ausgezeichneten Service genießen.
Franziskus bestand darauf, während der gesamten Zeit in einer normalen, ungepanzerten Limousine zu fahren, allen Sicherheitsbedenken zum Trotz. Für die israelischen Sicherheitsbeamten war der Stress enorm.
In Amman und auf den Strassen in Jordanien fiel es vielleicht nicht so auf, aber die Fähnchen winkende Fangemeinde am Straßenrand hielt sich in Grenzen. Auch im WJL und Bethlehem gab es nicht viel zu bewachen. Die Fähnchen Winker traten hier eher punktuell und gezielt platziert auf. Die Straßen in Jerusalem hingegen waren sowohl gestern, als auch heute während des ganzen Tages nahezu gespenstisch leer, wo immer die Fahrtroute auch verlief.
Das wird ihm ziemlich egal gewesen sein, er ist nicht der Selbstdarsteller, wie JP II es war. Er ist auch nicht der rückwärtsdenkende post-Inquisitor, den Benedikt XVI nie verleugnete zu sein.
Franziskus ist anders. Dachte ich bis gestern. hoffentlich endlich auch für Juden und Israel. Hoffte ich. Bis gestern.
Schon sein Reiseplan war anders. Das offizielle Israel war darüber ein wenig verärgert. Aber doch auch nicht allzu sehr. Schließlich, was hat das jüdische Israel mit dem Papst zu tun? Am Ende ist alles nur Showbusiness und eine Frage der Diplomatie.
Wie sehr die Diplomatie das auch nach zwanzig Jahren diplomatischer Beziehungen noch immer zarte Pflänzchen schützen und pflegen muss, hat dieser Besuch gezeigt. Da gibt es eine Menge aufzubereiten, zu schlichten und in gemeinsamen Pressemeldungen gerade zu rücken. Zum Beispiel die Besitztümer des Vatikans.
Amman und Jordanien kann man als Warmlaufphase ansehen, die liebenswürdige Haschemitenfamilie hat ihmein sehr herzliches Willkommen bereitet. Warum auch nicht? In Jordanien – aber auch in Israel – sind die Christen (5%) gut integriert. Dass Königin Rania eine Palästinenserin ist, ist nur innenpolitisch von Bedeutung. Obwohl die Palästinenser einen Großteil der Bevölkerung in Jordanien darstellen, hat König Abdullah II erst vor wenigen Monaten wieder klargestellt, dass Jordanien keine Alternative zu einem palästinensischen Staat sei.
Jordanische Helis brachten den Papst nach Bethlehem. Nur wenige Meter hinter der Stadtgrenze Jerusalems landeten sie auf für Christen historischem Boden – den Hirtenfeldern.
Der Weg in die Stadt führt vorbei am Grabmal der Rahel, einer der jüdischen Stammmütter, der Mutter von Josef und Benjamin. Für jüdische Frauen hat Rahel eine große Bedeutung, vor allem für jene Frauen, die lange Jahre kinderlos bleiben. Seit einigen Jahren wollen die Palästinenser dieses urjüdische Erbe durch die UNESCO als palästinensisches Erbe anerkennen lassen. Dabei fand der Mann, der, dem palästinensischen Narrativ folgend dort beigesetzt sein soll, in Damaskus seine letzte Ruhestätte. Veranlassen wollte dies das palästinensische Ministerium für Geschichtsklitterung.
Leider befindet sich auch ein Teil der Verteidigungsmauer im Gebiet von Rahels Grab. Franziskus hat das sicher noch nicht gewusst, bis er vorgestern in gezielter Absicht dorthin gefahren wurde.
Spontan sei er ausgestiegen aus seinem Papamobil. Das bleibende Bild aus Bethlehem wird dieses sein: Der Papst steht ins Gebet versunken an der anti-Terrormauer, auf der zu lesen ist: „Bethlehem look like Warsaw Ghetto (sic)“. Mit dieser Aktion hat Franziskus sich ein Denkmal für die palästinensische PR geschaffen. Ich gehe nicht so weit, ihm zu unterstellen, dass er damit ein politisches Statement abgeben wollte. Aber ich klage seine Berater an, ihn schlecht, anti-israelisch, beraten zu haben. Wenn es schon keine Möglichkeit im Vorfeld gab, diesen Fehltritt zu vermeiden, dann hätten sie eingreifen müssen. Hier und an dieser Stelle. Und wenn niemand seitens der Nuntiatur oder des Vatikans sich dazu in der Lage sah, dann hätten es die beiden Männer sein müssen, die seine Freunde sind und die die Reise gemeinsam mit ihm geplant und vorbereitet haben, Rabbi Abraham Skorka und Iman Omar Abbud.
An dieser Stelle wurde für mich klar:
Franziskus ist nicht anders. Und er ist auch nicht besser, nicht anders für uns Juden als seine Vorgänger. Er ist vielleicht nur noch ein wenig naiver.
Und trotzdem mag ich ihn irgendwie. Mit seiner ganzen Naivität, mit seinem positiven Menschenbild.
Auf dem Krippenplatz die nächste PR-Aktion. Der rechte Teil der wie ein Triptychon gestalteten Bühne, in deren Zentrum der Altar stand, hing ein Plakat auf dem Abu Mazen, der Papst und der griechische Patriarch von Jerusalem zu sehen waren. Die Bildunterschrift lautete: „State of Palestine, May 2014“. Nicht nur, dass hier ein irgendwann einmal zu gründender Staat vorweggenommen wurde, nein es kam noch härter.
Mit dem Titel: „Begrüssungszeremonie für den Papst im Staat Palästina“ wählte Radio Vatikan fast, aber doch nicht exakt die gleichen Worte, wie am folgenden Tag: „Begrüssungszeremonie für den Papst in Israel“. Im Folgenden wurde Abu Mazen als „Präsident des Staates Palästina“ bezeichnet, Simon Peres aber als “Präsident der Republik Israel“. Ich denke davon ausgehen zu dürfen, dass die Presseabteilung des Vatikans jedes Wort sehr gezielt setzt. Ist das immer noch der alte Antisemitismus, die nun 2000 Jahre alte Kreuzigungskeule der Christen?
Anschließend hat Franziskus in Bethlehem eine Messe gefeiert vor dieser verstörenden, nahezu perversen „Ausstellung“ im Hintergrund und an den Hauswänden rund um den Platz. Hierzu verweise ich auf den hervorragenden Artikel in Audiatur. Diese von der PA ins Leben gerufene Ausstellung ist eine PR Provokation der beschämendsten Art. Klassische Bilder, überwiegend aus der Zeit der Renaissance, mit religiösen Motiven wurden „zerteilt“ und durch Szenen ergänzt, die zweierlei belegen sollen. Zum Einen, wie unterdrückt und leidend die arabischen Palästinenser sind, und zum Anderen, dass Jesus der erste palästinensischen Märtyrer war. Ein Schlag ins Gesicht für jeden Christen, eine Beleidigung für das Christentum und eine einzige große Lüge. Der Vatikan wird von dieser Art Propaganda auf dem Krippenplatz überrascht sein. Zu diesen Bildern wird Franziskus, der Menschenfreund und Menschenversteher Stellung beziehen müssen. Es ist eine Verleugnung der jüdischen Wurzeln des Christentums, für die Christen stammt Jesus aus dem jüdischen Königshaus David. Es ist auch eine beabsichtigte Delegitimierung des Judentums vor aller Welt.
Unmittelbar hinter dem Altar war das überdimensionale Bild nicht zu übersehen. Drei Päpste (anstelle der drei Weisen aus dem Morgenland) beten Jesus an, den kräftigen, wohlgenährten Knaben, der in die schwarz-weisse Keffiyeh der palästinensischen Araber gewickelt ist. Auch Josef trägt auf dem Bild das klassische Palästinensertuch, das der Terrorist Arafat so berühmt machte.
Auf dem Livestream von Maan News sind einige, die einen nennen es Zwischenfälle, die anderen propagandistische Vorfälle, klar zu erkennen.
Abu Mazen versuchte auch im zweiten Teil der Messe noch die Kontrolle über sein Schlafbedürfnis zu behalten, dem der „Chefunterhändler“ der PA Saeb Erekat nachgegeben hatte. Unmittelbar vor Beginn der Eucharistiefeier sprang Abu Mazen samt seiner Entourage auf, näherte sich dem Papst, umarmte und küsste ihn. Nach dieser Verabschiedung verließ das offizielle Palästina Bethlehem und kehrte nach Ramallah zurück, wo das Leben eben doch viel moderner ist. Den Papst liess er zurück, der die Eucharistiefeier beendete.
Genug der Blamagen? Weit entfernt. Knapp vor dem Ende der Messe wird dem Papst die Tiara aufgesetzt. Der Papst setzt an zum päpstlichen Segen, durchaus vergleichbar unserem Priestersegen. Da tönt es aus den Lautsprechern es laut und deutlich: „Allah U-Akbar.” Das allerdings mögen die Anwesenden Christen nicht und verleihen ihrem Unmut mit lauten Buh Rufen Ausdruck.
Auf dem Weg zum Papamobil wurde Franziskus eine Narrenkappe aufgesetzt, ein junger Mann näherte sich blitzschnell dem Papst und klemmte seine Keffiye quer in die päpstliche Kopfbedeckung. Dann aber schon wieder ein Sicherheitsbeamter zu Stelle und entfernte die für den Papst höchst unpassende Hutgarnitur. Ich will nicht daran denken, was hätte passieren können, wäre der junge Mann ein Terrorist gewesen.
Dass es den christlichen Arabern unter 300 Millionen Muslims in unserem unmittelbaren Umfeld nur in Israel gut geht, ist anlässlich des Papstbesuches, wie auch bei bisherigen Papstbesuchen bestimmt kein Thema. Nun ja, die schlimme Situation der Christen im WJL und Gaza kann eben nicht Israel angelastet werden. Warum sollte man sie dann thematisieren?
Ich hätte mir gewünscht, dass Franziskus, der Querdenker, als der er sich so gerne präsentiert, angesichts dieser beschämenden Installationen, sich abgewendet hätte und fortgegangen wäre. Aber er ist geblieben. Nun werden die Diplomaten viel zu besprechen haben.
Selbst das Papamobil hätte die Strecke Bethlehem – Jerusalem in weniger als einer halben Stunde geschafft. Aber, Staatsbesuche scheinen, seit die Luftfahrt die Seefahrt abgelöst hat, in Ben Gurion ankommen zu müssen. Dort wurde am Sonntagabend zum dritten mal der rote Teppich, nachAmman und Bethlehem, ausgerollt.
Das Programm in Jerusalem verlangte dem mit ersten Zeichen von Erschöpfung kämpfenden Papst unglaublich viel ab.
Die Altstadt von Jerusalem ist einer der lebendigsten Orte von Israel. Es ist unvorstellbar, wie es gelungen ist, ein Auto der Mittelklasse durch all das Gewirr zur Grabeskirche zu bringen. Aber es muss machbar gewesen sein.
Der letzte Tag seines Besuches, der gestrige Montag begann auf dem Tempelberg, wo er den Großmufti von Jerusalem traf.
Anschließend das sehr kompakte Programm im jüdischen Jerusalem.
Geplant war der Besuch an der Klagemauer zuerst nicht, dann hatte man wohl in Rom ein Einsehen und nahm auch diesen Pflichtteil noch in das Programm auf.
Der Platz vor der Kotel war leer, sogar die ärgerliche Trennwand zwischen Männern und Frauen war entfernt worden. Franziskus muss seinem Boss, der auch der Unsrige ist, eine Menge mitzuteilen gehabt haben. Nach einem kurzen Gespräch betrachtete er nochmals den Brief, steckte ihn zurück in den Umschlag und verbarg in dann in der Wand.
Ich habe noch nie so ein großes „Zettelchen“ gesehen und kann mir auch nicht vorstellen, wo in den Mauerritzen es Platz gefunden hat. Aber, es hat geklappt, ich vermute, hier hat Franziskus uns alle ausgetrickst, er hat den Expressbriefkasten gefunden!
Als erster Papst legte er, auf eigenen Wunsch am Grab Theodor Herzls einen Kranz nieder, bevor er sich nach Yad Vashem begab. Immerhin war er der Erste in der Reihe der bisherigen Päpste, der zustimmte, das Grab Herzls zu besuchen.
Was nun folgte, zeigt, dass auch unsre Politiker ihre Chutzpah noch nicht ganz verloren haben. PM Benjamin Netanjahu bat den Papst um einen ungeplanten Zwischenstopp an der Gedenkstätte für die Terroropfer, die Israel seit 1851 zu beklagen hat.
Ein drittes Bild vor einer Mauer, und die sichere Gewissheit, dass es immer die letzten Bilder sind, die in den Köpfen verankert werden.
Und die lieferte der Papst dann auch bereitwillig, hier und Minuten später in der Shoa Gedenkhalle von Yad Vashem.
Nach dem obligatorischen symbolischen Anzünden der ewigen Flamme und der Kranzniederlegung traf Franziskus sechs Überlebende der Shoa und küsste ihnen die Hand.
Franziskus hat sicher Vieles richtig gemacht, aber ist auch in viele PR Fallen gestolpert, besonders in die der erstklassigen PR-Maschinerie der palästinensischen Araber.
Die Folgen dieser Fallen zu entwirren wird Aufgabe der Diplomatie sein. Wahrscheinlich haben sie heute schon damit begonnen.
Von Esther Scheiner
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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