Die neuesten Berichte gewähren den Eindruck, daß die so oft vertagte Palästinakonferenz nun doch zu Beginn des laufenden Monats in London beginnen wird. Ihre Aufgabe soll es sein, die seit Jahren angesammelten Spannungen zu beseitigen und einen Ausgleich der verschiedenen Interessen herbeizuführen.
Die Kommission, die vor zwei Jahren unter Leitung von Lord Peel die Verhältnisse in Palästina studiert hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, daß nur die Teilung des Landes eine Beruhigung der Atmosphäre bringen kann. Die Lösung wurde von der englischen Regierung angenommen, die Ereignisse im Lande gingen jedoch sehr bald über den Teilungsplan hinweg. Eine zweite Kommission wurde nach Palästina entsandt und auch sie bemühte sich, einen Plan zur Befriedung zu finden. Seitdem sie nach London zurückgekehrt ist, sind immer wieder neue Kombinationen aufgetaucht, von denen eine Entspannung der Lage erhofft wurde. Die Schwierigkeiten, die anfänglich unterschätzt wurden, haben jedoch allmählich eine immer größere Ausdehnung angenommen, die Spannungen im Lande wuchsen, immer mehr Menschen fragten sich, ob überhaupt unter den bisherigen Voraussetzungen die Lage zu meistern sei.
Die Palästinakonferenz ist der Versuch, in allseitiger Aussprache einen modus vivendi zu finden und es der britischen Regierung zu ermöglichen, ihre traditionelle Politik hinsichtlich Palästina fortzusetzen. Die Juden, die nach Palästina gegangen sind, haben sich bemüht, im Lande nützliche Arbeit zu leisten. Der größte Teil der jüdischen Menschen hat in Erez Israel eine Erneuerung des Daseins gesucht. Die Juden, die nach Palästina gingen, sind in dieses Land nicht wie irgend ein anderes Ueberseegebiet gewandert, ihnen war Palästina die Chance, das Leben auf eine gewandelte Grundlage zu stellen, es neu zu beginnen und sich und ihren Kindern eine gesündere Existenz zu geben. Die anormale Berufsschichtung konnte in Erez Israel aufgegeben werden, Juden wurden Landwirte und Arbeiter, das Phänomen einer völligen Wandlung vollzog sich. Unter schwierigsten Umständen wurden Straßen und Heimstätten gebaut, die Liebe zum Boden erwachte und konnte Wunder vollziehen.
Die Juden kamen nicht nach Palästina, um irgend eine politische Absicht zu verwirklichen, sie wanderten in dieses Land, um zu arbeiten und zu bauen. Nach Jahren, in welchen die Wanderung nach Erez Israel sich nur unwesentlich steigerte, kam eine Zeit, in der Zehntausende von Juden in seinen Häfen landeten. Alle Voraussagen, Palästina sei nicht fähig, größeren Massen Unterkunft zu gewähren, erwiesen sich als irrig, die Arbeit von Zehntausenden hatte für weitere Zehntausende die Möglichkeit der Aufnahme bereitet. Kein Jude wandert nach Erez Israel, um wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Das Land ist klein und sein Boden spröde, es kann seinen Bewohnern keine Reichtümer verschaffen. Jüdische Menschen, die nach Erez Israel ziehen, wollen eine Stätte konstruktiver Arbeit finden, sie hoffen auf ein Dasein, das mit dem Boden eng verbunden ist.
Auch in Palästina gibt es Städte, in den letzten Jahren sogar Städte, die mehr Einwohner haben, als den Verhältnissen des Landes gemäß ist. Entscheidend für die Struktur des Landes sind die Stadtsiedlungen allerdings nicht, die Prägung erfährt das Dasein in Erez Israel durch die Siedler, die in schwerer Arbeit um die Urbarmachung des Bodens ringen. Es gibt in Erez Israel keine jüdischen Millionäre, man muß im allgmeinen sein Leben auf eine völlig neue Grundlage stellen, wenn man entschlossen ist, in diesem Land zu leben. Trotzdem empfinden die Juden in aller Welt Sehnsucht nach Erez Israel und viele Hunderttausende wären bereit, ihre Fahrt dorthin anzutreten, wenn die Verhältnisse des Landes es ermöglichen würden. Für die Juden in der Welt ist ist Palästina keine politische Frage, sie suchen dort ausschließlich die Gelegenheit zu nützlicher und aufbauender Arbeit, sie wollen niemanden in den Weg treten und träumen nicht von irgend einer Ueberlegenheit über andere Bewohner des Landes. Deshalb sehen wir die Palästinafrage ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Einwanderung an, gleichgültig, in welcher Form uns diese ermöglicht wird. Wir empfinden es schmerzlich, daß auch die Einwanderung nach Palästina dosiert wird, es bereitet uns Enttäuschung, daß ein Jude für die Fahrt nach Erez Israel ebenso vieler Formalitäten bedarf, wie zur Einwanderung in irgend ein anderes Ueberseeland.
Es ist uns klar, daß Palästina keine Lösung der Einwanderungssorgen zu bieten vermag. Angesichts der Tatsache, daß Millionen von Juden in der Auswanderung das Ziel ihrer Wünsche sehen, ist es verständlich, daß ein so kleines Land nur einem Bruchteil Aufnahme gewähren kann. In diesen Blättern ist deshalb unablässig auf die leeren Räume in der Welt hingewiesen worden, in welchen Juden Siedlungsmöglichkeiten finden können. Wir haben die Landkarte abgesucht und auf alle Stellen hingedeutet, wo Juden einwandern könnten. Wir sind nicht nur bei den klimatisch günstigen Gegenden stehen geblieben, wir haben auch Gebiete bezeichnet, die weniger vorteilhaft sind und haben uns nur von dem Wunsch leiten lassen, einen konstruktiven Beitrag zur Lösung des jüdischen Wanderungsproblems zu leisten. Im Rahmen dieses Problems jedoch hat Palästina die ungewöhnlich wichtige Aufgabe eines lebendigen Modells.
Erst seitdem Juden in Erez Israel bewiesen haben, daß sie zur Arbeit am Boden befähigt sind, haben die jüdischen Menschen angefangen, an die aufbauende Kraft ihrer Hände zu glauben. Die jüdischen Kolonien in Argentinien allein hätten dieses Wunder nicht zu schaffen vermocht. Seit Jahrzehten gewährt man den Juden in Siedlungen in Argentinien die Möglichkeit landwirtschaftlicher Arbeit. Tausende von Juden haben dieser Chance vertraut und vielen hat sie Erfolg gebracht. Den Beweis jedoch, daß Juden die schwerste physische Arbeit an der Scholle verrichten können, haben erst die Siedler in Erez Israel erbracht. Seitdem dort Zehntausende von jüdischen Menschen Wüsten in Gärten verwandelt haben, sind die jüdischen Wanderer von ihren Fähigkeiten durchdrungen, ein normales Dasein für sich zu gestalten. Insofern bedeutet die Möglichkeit zur Einwanderung nach Palästina die Aufrechterhaltung der Hoffnung auf ein neues Dasein für das jüdische Volk.
Kurznotiz des „Jüdisches Nachrichtenblatt“:
Jüdischer Flugdienst im Nahen Osten. Kürzlich ist der zweite jüdische Flugdienst für Palästina eröffnet worden. Palestine Airways Ltd. btreibt seit einigen Monaten eine Fluglinie zwischen Tel Aviv und Beirut, die sich eines ausgezeichneten Zuspruchs erfreut. Besonders stark benützt wird das Flugzeug bis nach Haifa, wohin man von Tel Aviv aus in einer halben Stunde gelangt. Nun hat eine neue palästinensische Gesellschaft, die den Namen „Commercial Aviation Company“ führt, den Passagier- und Frachtflugverkehr im Nahen Osten aufgenommen. Zwei Flugzeuge mit drei Pratt-&-Whitney-Maschinen, die 14 Passagiere und ein Gesamtgewicht von 2 1/2 Tonnen tragen können, werden den Flugdienst versehen. Die Apparate sind für Gebrauch in den Tropen ausgerüstet. Die Kabine ist schalldicht, so daß man sich auch bei großer Fluggeschwindigkeit in normalem Ton unterhalten kann. Pilot ist Walter Duschinsky, der früher bei Thomas Bata beschäftigt war. Für die zweite Maschine wird ein zweiter Pilot später angestellt werden.
„Jüdisches Nachrichtenblatt“ – ein Stück Zeitgeschichte:
Etwa drei Monate nach dem Novemberpogrom gibt es in der jüdischen Presse nur noch ein Thema: Die Auswanderung. So wird möglichen Einwanderungsmöglichkeiten breiter Raum gewidmet. Im Mittelpunkt dieser Ausgabe vom Februar 1939 stehen die Vorgänge in Palästina und eine Konferenz in London, von der man sich eine Vermittlung zwischen den jüdischen Siedlern und der arabischen Bevölkerung erwartete. Palästina war bekanntlich britisches Mandatsgebiet, der Staat Israel sollte erst 1947 (Jordanien 1946) entstehen. Nach dem Großen Arabischen Aufstand setzte die englische Mandatsregierung eine Untersuchungskommission unter Sir William Robert Wellesley Peel, die so genannte „Peel-Kommission“ ein. Bereits im November 1936 wurden unterschiedlichste arabische und jüdische Gruppen in Palästina befragt. Ergebnis war ein Teilungsplan, dem die Juden zähneknirschend zustimmten, der von den Arabern aber abgelehnt wurde. Wie bekannt, ist diese Frage bis heute nicht gelöst.
Auch exotische Ziele wie Bolivien oder Britisch-Guyana standen als Zielländer zur Debatte, ebenso wie die Versorgung der zurückbleibenden, meist älteren Verwandten. Englisch und Hebräisch wurden ebenso erlernt wie neue Berufe, um sich im Exil eine Existenzgrundlage schaffen zu können. Wie verzweifelt die Situation war, zeigen aber vor allem die Kleinanzeigen, in denen Ehepartner gesucht werden, die bereits über ein „Affidavit“ – eine Bürgschaftserklärung aus dem Exilland – , die Papiere und vor allem die finanziellen Mittel verfügten, um eine Ausreise überhaupt gewährleisten zu können.
Das Nazi-Terror-Regime hat all diese Pläne mit der Vernichtung des jüdischen Volkes in Europa durchkreuzen können!
Von Rolf von Ameln
Redaktion Israel-Nachrichten.org
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