Die Hamburger Staatsanwaltschaft wird den Verdächtigen des Angriffs auf die Hamburger Synagoge im Oktober 2020 nicht wegen einer Straftat anklagen, sondern beantragt, ihn in eine psychiatrische Einrichtung zu bringen.
Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft hat viele verärgert. Da der mutmaßliche Angreifer, der zu diesem Zeitpunkt am Tatort festgenommen wurde, unter Wahnvorstellungen leiden soll, wird Antisemitismus nicht als Hauptmotiv für den Angriff angesehen.
Der 29-jährige Grigoriy K. wird wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Am 4. Oktober letzten Jahres soll er einen jüdischen Studenten vor der Hohe-Weide-Synagoge in Hamburg mit einem Spaten angegriffen haben.
Der jüdische Student war auf dem Weg zur Synagoge, in der Sukkot gefeiert wurde. Das Opfer wurde schwer verletzt.
Der in Kasachstan geborene mutmaßliche Täter soll psychisch krank und daher rechtlich nicht für den Angriff verantwortlich sein.
Das Verfahren wird daher im Rahmen des sogenannten „Backup-Verfahrens“ durchgeführt. Dies bedeutet, dass das Gericht ihn am Ende des Verfahrens nicht zu einer Haftstrafe verurteilt, wenn er für schuldig befunden wird, sondern stattdessen seine dauerhafte Unterbringung anordnet.
Zu Beginn des Prozesses saß Grigoriy K. mit einer schwarzen Kapuze auf dem Kopf und Handschellen im Gerichtssaal. Nach wenigen Minuten wurde die Öffentlichkeit vom Verfahren ausgeschlossen, wie es bei „Sicherungsverfahren“ üblich ist.
Ein Vertreter der Hamburger Jüdischen Gemeinde durfte als Prozessbeobachter an der Anhörung teilnehmen. Das 26-jährige Opfer des Angriffs sagte bei der Verhandlung aus.
Es gibt jedoch mehrere Elemente, die auf ein antisemitisches Motiv hinweisen. Der mutmaßliche Angreifer nahm ein Taxi zur Synagoge und soll Personen mit Kippot angegriffen haben.
Darüber hinaus wurde der Angriff kurz vor dem ersten Jahrestag des antisemitischen Terroranschlags in Halle begangen. Ähnlich wie der Mörder von Halle trug er einen Tarnanzug. Schließlich fand die Polizei eine Notiz mit einem gemalten Hakenkreuz neben seinem Taschenmesser.
Dennoch ist die Staatsanwaltschaft davon überzeugt, dass Grigoriy K. zu diesem Zeitpunkt rechtlich nicht verantwortlich war. Ein Sachverständiger bestätigte, dass der mutmaßliche Täter eine akute paranoide Schizophrenie hatte, begleitet von wahnhaften Verfolgungsängsten, die die Straftat auslösten. Der Experte sah „keine Beweise“ dafür, dass „der Angeklagte aus freien Stücken religiöse, ideologische, rechtsextremistische oder antisemitische Ziele verfolgte“.
Ungefähr 25 überwiegend junge Menschen protestierten gegen die Entscheidung der Staatsanwaltschaft vor dem Gerichtsgebäude, der Tat kein antisemitisches Motiv zuzuweisen. Sie trugen ein Banner mit der Aufschrift: „Gegen jeden Antisemitismus“.
„In Deutschland gibt es die Tradition, die politischen Aspekte des Verbrechens beim Terrorismus, der von rechts ausgeht und sich gegen Minderheiten richtet, nicht zu berücksichtigen“, sagte ein Demonstrant.
Täter rassistischer und antisemitischer Angriffe werden zu oft als „Einzeltäter“ mit psychischen Erkrankungen eingestuft. Die Demonstranten forderten, dass Antisemitismus eindeutig als Motiv identifiziert wird.
Auch die jüdische Gemeinde Hamburg äußerte sich irritiert über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. „Es muss anerkannt werden, dass die jüdische Gemeinde gezielt angegriffen wurde“, sagte Philipp Stricharz, der Präsident der Gemeinde. „Wie können antisemitische Handlungen in Zukunft verhindert werden, wenn sie nicht als solche identifiziert werden“, fragte Stricharz.
Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden keine Beweise dafür gefunden, dass Grigoriy K. vor dem Verbrechen antisemitische Ideen hatte. „Dies kann jedoch derzeit nicht vollständig ausgeschlossen werden“, erklärte das Amt.
Der Zettel mit dem Hakenkreuz, den Grigoriy K. in der Tasche trug, änderte nichts an der Einschätzung der Ermittler. Die Behörde erklärte: „Die ursprüngliche Bedeutung des Kreuzes [des Hakenkreuzes] als Symbol für Licht und Sonne sollte Schutz bieten und Glück bringen.“ Für die Staatsanwaltschaft ist entscheidend, ob die Tat im „freien Willen“ durchgeführt wurde.
Zumindest hatte das Gericht keine Zweifel daran, dass der Angriff auf Juden abzielte. Ein Vertreter der Gemeinde durfte das Verfahren beobachten, „weil angenommen wird, dass es sich um einen gezielten Angriff auf ein Mitglied der jüdischen Gemeinde handelt“, sagte ein Gerichtssprecher.
Da Bedenken hinsichtlich der Gesundheit von Grigoriy K. bestehen, wird der Prozess ohne den Angeklagten fortgesetzt. Ein Urteil wird voraussichtlich Ende März verkündet.
IN-Redaktion
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.
Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!
Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.