Aus Ganz Europa begannen, wie von den Nazis geplant, die Deportationszüge der Deutschen Reichsbahn seit dem Juli des Jahres 1942 nach Auschwitz zu rollen; – und dies unter unmenschlichen Bedingungen! Bereits in den vorangegangenen Monaten hatten Massentransporte von Juden eher noch sporadisch stattgefunden. Nun jedoch, im Besonderen seit Mitte Juli 1942, wurden sie zur Routine.
Gewöhnlich kamen die Transporte mit jeweils etwa tausend Menschen täglich an, manchmal zwei Züge am gleichen Tag! Insgesamt wurden im Juli und August 1942 mehr als 60000 Juden aus Polen, der Slowakei, den Niederlanden und aus Kroatien nach Auschwitz verbracht. Auch Belgien durfte natürlich bei der Denkweise der Nazis nicht fehlen. Entschlossen, so viele Juden wie möglich so schnell wie irgend möglich umzubringen, drängte das Reichssicherheitshauptamt auf noch mehr Deportationen. Bei einer Besprechung am 28. August 1942 in Berlin wies Adolf Eichmann seine Männer an, die Transporte aus Europa in den kommenden Monaten zu steigern.
Dies war eine unerfreuliche Neuigkeit für Auschwitz-Kommandant Höß, den man aus Auschwitz herbeizitiert hatte, um an diesem Treffen teilzunehmen. Am nächsten Tag informierte Höß Glücks über die auf ihn zukommende „Mehrarbeit“.
Ab dem Herbst 1942 fuhren regelmäßig Transporte aus dem „Großdeutschen Reich“, zu Beginn aus Theresienstadt und Berlin. Dann, im Frühjahr 1943, trafen Züge aus Theresienstadt ein; die ersten vier Transporte im März brachten 10000 griechische Juden ins Lager; – und im Oktober 1943, nach dem Einströmen deutscher Truppen nach Italien, das sich von der Seite des „Dritten Reiches“ gelöst hatte, verließ der erste Reichssicherheitshauptamt-Zug Rom mit dem Ziel – Auschwitz, mit 1031 jüdischen Häftlingen an Bord. Doch trotz der geographischen Ausweitung quer durch ganz Europa, stellten polnische Juden die größte Gruppe unter den rund 470000 Juden, die 1942/43 nach Auschwitz überstellt wurden.
Während die Reichweite des Reichssicherheitshauptamtes ständig wuchs, schwankte die Zahl der Todeszüge stark, je nach dem allgemeinen Fortschreiten des Holocaust. Zum Beispiel deportierte das Reichssicherheitshauptamt im Juli 1942 weniger als 7200 Juden nach Auschwitz. Einen Monat später trafen, nach einem neuerlichen Vorstoß zu Liquidierung der Ghettos in Oberschlesien, mehr als 50000 Juden ein. Die meisten der rollenden Särge kamen aus solchen Ghettos und aus Durchgangs- oder Internierungslagern. Es gab eine ganze Reihe jüdischer Lager überall in Europa, einige wie Westerbork in Holland, – noch immer wohlbekannt -, andere wie Zilina in der Slowakei, – längst schon vergessen – !
Nicht alle dieser Stätten standen unter deutscher Leitung; – Drancy zum Beispiel wurde von der französischen Polizei bewacht, bis die SS im Sommer 1943 das Lager übernahm. Die Bedingungen vor Ort unterschieden sich stark; und so schlecht sie oft waren, sie waren nicht immer tödlich. Und keines dieser Durchgangslager wurde vom Wirtschaftsverwaltungs-Hauptamt als SS-Konzentrationslager betrieben, mit einer Ausnahme: Herzogenbusch in Holland. Die Juden, die im Durchgangslager Herzogenbusch eintrafen, waren erleichtert, dass die Verhältnisse besser waren als befürchtet. Aber die SS hatte ihre tödlichen Absichten lediglich maskiert; – der Terror lauerte überall und er zeigte bald sein wahres Gesicht.
Viele von ihnen wurden doch nach Auschwitz deportiert und kamen dort um. Unter der kleinen Zahl der zurückgebliebenen Häftlinge, deren Privilegien nun beschnitten wurden, waren einige Facharbeiter in der Philips-Fabrik. Doch die Wahrheit über die Absichten der Nazi-Verbrecher dämmerte ihnen langsam, aber ihr Sonderstatus im Lager konnte sie nicht vor der Deportation schützen. Obgleich Auschwitz seit dem Sommer 1942 eine immer wichtigere Rolle im Holocaust spielte, war es zu Beginn ein „Junior-Partner“, weit übertroffen von anderen Stätten des Nazi-Terrors. Die Hauptzentren tödlicher jüdischer Zwangsarbeit lagen noch anderswo. Ende 1942 waren „nur“ 12650 jüdische Häftlinge in Auschwitz registriert.
Im Vergleich dazu waren der SS zufolge noch fast 300000 Juden im Generalgouvernement am Leben, von denen die Mehrzahl in großen Ghettos wie beispielsweise Warschau für die Nazis schufteten. Ghettos in anderen Teilen von NS-Europa wie Lodz und Theresienstadt fassten gleichfalls weit mehr jüdische Männer, Frauen und Kinder als Auschwitz. Und was Auschwitz als Todeslager betrifft, so wurde es von Globocniks Vernichtungslagern in den Schatten gestellt. Im Jahre 1942 starben in Auschwitz rund 190000 Juden, die große Mehrheit von ihnen in den Gaskammern von Birkenau. Erst Im Laufe des Jahres 1943 – als Belcec, Sobibor und Treblinka „abgewickelt“, weil sie ihren Auftrag zur Tötung fast aller Juden im Generalgouvernement erfüllt hatten, und die meisten verbliebenen Ghettos und Arbeitslager ebenfalls beseitigt wurden – rückte Auschwitz in den Mittelpunkt des Holocaust.
Wie es weitergeht erfährt die geneigte Leserschaft der Israel Nachrichten in einer der nächsten Online-Ausgaben mit dem Titel: Ankunft in der Hölle von Auschwitz
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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