Vor 150 Jahren begannen württembergische Templer die Grundlage der heutigen israelischen Metropole Haifa zu legen, 1906 gründeten sie in Galiläa ihre letzte Siedlung Bethlehem
Haifa, das alte Sycamium, war bis ins 19. Jahrhundert immer ein unbedeutender Ort, im Gegenteil zum gegenüberliegenden Akko, das als „Saint Jean d’Acre“ nach dem Verlust von Jerusalem von den Kreuzfahrern zum Zentrum des Heiligen Landes aufgebaut worden war. Dabei bietet die geographische Lage der Stadt vielerlei Vorteile. Im geschützten südlichen Teil einer Bucht gelegen bietet es günstige Voraussetzungen zur Anlage eines Hafens. Am Eingang des einzigen Quertales Israels, des Yesreeltal, kann man von Haifa aus ohne Berge zum Jordan hinunterfahren, dies ist ein erstaunlicher verkehrstechnischer Vorteil. Erst die württembergischen Templer, die Haifa ab 1869 zur ersten Niederlassung ihrer Freikirche im Heiligen Land auserwählten, um dort die Wiederkunft des Messias zu erwarten, wussten diese Eigenschaften auszunutzen. Sie machten diesen Ort zu einem Zentrum von Handwerk, Handel und Verkehr, der sehr schnall das benachbarte alte Akko in den Schatten stellte.
Die „Deutsche Kolonie“, wie die Siedlung der Templer genannt wurde, war die langgestreckte Straße, die Karmelstraße, sie zog vom Hafen bis hinauf zum Karmel und zwei Parallellstraßen. Bis heute ist diese Straße, die jetzt Ben Gurion Avenue heißt, die zentrale Straße Haifas geblieben. Die Templer lösten mit ihrem modernen Handwerk, ihrer Landwirtschaft, Industrie, Gesundheits- und Transportwesen den Impuls aus, der Haifa heute zur drittgrößten Metropole Israels machen sollte. Die Templer bauten die erste Hafenmole, die Grundlage des heutigen wichtigsten Hafens Israels, der sich in Sichtweise des alten Templerviertels befindet. Deshalb wurde schon im 19. Jahrhundert Haifa zu einem wichtigen Knotenpunkt für christliche Pilgerreisende und ankommende jüdische Siedler. Die Templer bauten die ersten Straßen für diese Pilger und die ersten Hotels. Neben der deutschen Kolonie entstanden ein jüdisch orientalisches und ein arabisches Viertel.
Als der deutsche Kaiser Wilhelm II. 1898 Palästina besuchte legte auch er in Haifa an und wurde von den Templern zuerst begrüßt. Hierfür war eine zweite Mole in den Hafen gebaut worden. Der Bau einer Landebrücke war der Beginn des weiteren Ausbaus des Hafens. Außerdem regte der Kaiser an, Haifa an die von den Deutschen gebaute Bagdadbahn und ihre Seitenbahn, die Hedschasbahn, anzuschließen. Im Jahr 1905 bauten Ingenieure aus den Reihen der Tempelgesellschaft von Haifa aus die Bahnlinie nach Damaskus. Die Templer bauten auch als erste ein öffentliches Verkehrsnetz mit Kutschen im Heiligen Land auf, um ihre anderen Kolonien in Galiläa (Waldheim und Bethlehem), Jaffa (Sarona und Wilhelma) und Jerusalem miteinander zu verbinden. Dadurch prägten die Templer die wirtschaftliche Entwicklung von Haifa maßgeblich. Durch die Templer wurde Haifa in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zur modernsten Stadt Palästinas. Die Bevölkerungszahl stieg auf 15.000 im Jahr 1913, die Templer stellten davon jedoch nur einige Hundert Einwohner.
Noch stärker wuchs die Stadt in der Zeit des Britischen Mandats (1922–1947), in der die Briten eine Heimstätte für Juden in Palästina errichten wollten. Jetzt gingen in Haifa, nicht mehr in Jaffa, die Einwandererschiffe der Juden an Land. Die Sümpfe um die Mündung des Flusses Kishon wurden trockengelegt und die Haifabucht wurde jüdisch besiedelt, die Stadt wuchs in die Bucht hinein. Seit 1929 bauten die Briten in Haifa einen modernen Hafen. 1934 wurde Haifa auch der Endpunkt der ersten Ölpipeline, die die Briten vom Irak aus zum Mittelmeer bauten. In den Jahren 1936-1939 entstand zusätzlich eine Ölraffinerie mit einem Ölverschiffungshafen. Unter den seit 1933 zuwandernden jüdischen Flüchtlingen dominierten die aus dem nationalsozialistischen Deutschland. Der Kamm des Karmel Berges wurde zur Bastion deutscher Juden, die in Israel Jecken genannt werden. In ihrer Nähe hatten deutsche Wissenschaftler und Lehrer bereits 1924 das „Technikum“(Technion), die heute angesehenste Universität Israels gegründet.
Das Templerviertel hatte seit 1909 noch an Bedeutung gewonnen, weil damals das Oberhaupt der Bahais aus dem Iran, Abdul Baha, seinen Sitz ins osmanische Haifa verlegte und dort ein erster prachtvoller Kuppelbau entstand. Nach seinem Tod 1921 wurde für ihn ein zweiter Kuppelbau als Mausoleum oberhalb des Heiligtums errichtet. Beide Bahai-Tempel bilden praktisch die Fortsetzung der Karmelstraße der Templer.
1947 hatte Haifa 140.000 Einwohner, je zur Hälfte Juden und Araber. Als nach der Unabhängigkeitserklärung Israels 1948 fünf arabische Armeen den jungen Staat angriffen und die Juden zur Gegenwehr ansetzten, flüchteten 50.000 der 70.000 Araber aus Haifa. Geblieben waren vor allem die christlichen Araber, der melkitische Bischof von Haifa hatte sie dazu aufgerufen.
Das Betlehem der Templer
1906 gründeten Mitglieder der Tempelgesellschaft in Galiläa ihre zwei letzten landwirtschaftlichen Siedlungen: Betlehem und Waldheim. Die Namenswahl »Betlehem« hatte einen biblischen Hintergrund. Dieser Ortsname war bei der Gründung der Siedlung, 10 km nordwestlich der Stadt Nazareth, bei den einheimischen Arabern noch bekannt. Bereits im Alten Testament bei Josua 19,15 wird ein « Betlehem » als eine Stadt in Zebulon erwähnt und später wieder in « Richter 12, 8 u. 10 » Dieses Betlehem bei Zebulon wird im Jerusalem Talmud (Megilla,70,a) als „Beth Lehem Zoria“ bezeichnet. Betlehem in Galiläa im Lande Zebulon war eine bedeutende jüdische Siedlung zur Zeit der Zerstörung des 2. Tempels im Jahre 70 n.Chr. durch die Römer. Es gibt Wissenschaftler und Theologen, wie der jüdische Talmud- und Midrasch Spezialist Joseph Klausner (1874-1958), die auch den Ort Betlehem in Galiläa, mit der Geburt Jesus in Verbindung bringen. In den letzten Jahren wurde die Theorie von der Geburt Jesus im galiläischen Betlehem wieder von Aviram Oshri aufgegriffen, der im Auftrag der israelischen Altertums-Gesellschaft zwischen 1992 und 2003 archäologische Grabungen in Betlehem in Galiläa durchgeführt hat. Oshri hat in Betlehem/Galiläa neben einer Synagoge auch die Fundamente einer großen byzantinischen Kirche (45m x 25m) und eines Klosters frei gelegt.
Das Mosaik der Kirche mit Pflanzen- und Tierdarstellungen, das Aviram Oshri ausgegraben hat, bekommen Israel- Besucher heute bereits am Flughafen Tel Aviv zu Gesicht, denn es ist im neuen Abfertigungsgebäude des Ben- Gurion-Flughafens bei Tel Aviv ausgestellt.
Oshri vertritt wie Joseph Klausner die Theorie, dass im Heiligen Land zumindest in der vor Konstantin’schen Zeit, zwei verschiedene Traditionen von Geburtsorten Jesus nebeneinander existiert haben. Oshry glaubt auch, dass die Templer dort siedelten, weil sie dort den Geburtsort Jesus vermuteten. Die letzten Templer wurden wegen des Vorwurf der Kollaboration mit Hitler Deutschland bis 1951 aus Israel ausgewiesen und fanden zumeist in Australien eine neue Heimat. Heute steht auf dem Templer Bethlehem der israelische Moschav Beit Lehem Ha‘glilit.
Viele Israelis sehen das Wirken der Templer heute durchaus positiv, viele bezeichnen die Templer gar als Vorläufer der Zionisten, weil diese den jüdischen Einwanderern gezeigt hatten, wie man ein unfruchtbares Land wieder fruchtbar macht. Die Templerstraße ist die heutige Prachtstraße Haifas, an vielen unterkellerten Häusern gibt es heute noch Bibelsprüche in deutscher Sprache, an manchen haben die derzeitigen Besitzer Infotafeln zu ihren einstigen deutschen Erbauern angebracht.
Das im alten Stil wieder instandgesetzte Gemeindehaus, das erste Bauwerk der Templer im Heiligen Land, ist heute das Museum der Stadt Haifa. Der wohl bekannteste Templer in Haifa war Gottlieb Schumacher (1857-1925). Er war Architekt, Kartograph und Archäologe, er führte von 1903-1905 erste archäologische Grabungen in Megiddo durch. Das Institut an der Universität Haifa »zur Erforschung des christlichen Beitrags zum Wiederaufbau Palästinas im 19. Jahrhundert« trägt seinen Namen.
Die einst ungeliebten deutschen Templer gehören heute zum Kulturerbe Israels.
Von Bodo Bost
Bodo Bost ist Journalist und freier Mitarbeiter der Israel-Nachrichten. Er berichtet über aktuelle Themen über Judentum und Israel in Europa, er lebt und arbeitet in Luxemburg.
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