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Aserbaidschan: Siegestaumel in einer Pandemie

In Baku hielten der türkische und aserbaidschanische Staatschef, Erdogan und Alijew, eine monströse Siegesparade mit protzigen Waffensystemen ab. Den Krieg gegen Armenien haben sie gemeinsam gewonnen, den gegen Corona drohen sie zu verlieren.

Der türkische und aserbaidschanische Staatschef, Erdogan und Alijew 10.12.2020

Einen Monat nach dem von Putin eingefädelten Waffenstillstand im zweiten Karabach-Krieg hatte Aserbaidschans Machthaber Ilham Alijew zur Siegesparade in Baku den großen Verbündeten aus Ankara eingeladen. Dieser hatte, obwohl sein Land wegen der dritthöchsten Coronazahlen weltweit sich in einem totalen Lockdown befindet, gleich zwei türkische Militäreinheiten mitgebracht, die auch an der Front in Karabach mitgekämpft hatten und jetzt mitmarschieren durften, obwohl offiziell immer noch behauptet wird, dass die Türkei keine Kampfverbände während des Krieges nach Aserbaidschan geschickt hatte. Aber dies war nicht die einzige Lüge, die den Teilnehmern und angereisten Journalisten unverblümt von beiden Staatschefs während der Siegesparade präsentiert wurden. Gefehlt bei der Siegesfeier hatten allerdings die Bataillone der Dschihadisten aus Syrien, die unter Erdogans Vermittlung bereits am ersten Tag mit an die Front gezogen waren und dort als Kanonenfutter verheizt wurden.

Auch israelische Waffen in der Siegesparade

Obwohl die Dschihadisten fehlten, nahm Alijew dennoch das Wort vom „Heiligen Krieg“ in den Mund, mit dem sie aserbaidschanisches Land befreit hätten. Die militärische Lösung sei notwendig gewesen, da die Jahre der fruchtlosen Diplomatie nicht zu Erfolg geführt hätten. Mit fruchtloser Diplomatie meinte Alijew die unter Federführung der OSZE, der Minsker Gruppe, geführten Verhandlungen seit dem Waffenstillstand von 1994 nach dem ersten Karabachkrieg. Damit präsentierte Alijew auch diesbezüglich eine ganz neue Version, denn in den Verhandlungen hatte er ausdrücklich auf eine militärische Lösung des Karabachkonfliktes verzichtet, bis ihn Erdogan offenbar eines Besseren belehrt hat. Auf dieses Versprechen des Gewaltverzichts von Alijew hatten sich auch die Israelis berufen, als sie Aserbaidschan in den letzten Jahren mit modernsten Waffen im Gesamtwert von 4,5 Milliarden Dollar beliefert haben, gegen die Armenien keinerlei Gegenwehr zu präsentieren hatte und die die Entscheidung in dem Krieg ausgemacht haben. Die israelischen Waffen wurden zwar in der Siegesparade mitgeführt und demonstrativ gezeigt, aber ein israelischer Vertreter war nicht zur Siegesfeier geladen. Dies hätte wohl Erdogan, der die Regie bei allem führte, nicht zugelassen, denn Erdogan hatte Israel mehrfach des Völkermords an den Gazabewohnern bezichtigt. Dass der Sieg nur ein Zwischensieg war in einem noch zu Ende zu führendem Krieg, wurde auch während den beiden Ansprachen bei der Siegesfeier klar. Alijew bezeichnete nämlich weite Teile Armeniens einschließlich der Hauptstadt Eriwan als „unser historisches Land“. Wann er sich dieses historische Land zurückholen werde, ohne Verhandlungen versteht sich, ließ Alijew offen. Auch dies wird von dem Brudervolk und dessen Kaid (Führer) Erdogan abhängen.

Der Traum vom pantürkischen turanischen Reich

Russische Waffen wurden zwar von Seiten der Aserbaidschaner im Kriege auch gegen Armenien eingesetzt, denn Russland lieferte seit einigen Jahren an beide Kriegsparteien Waffen, aber auf der Siegesparade wurden sie nicht als Siegerwaffen mitgeführt. Lediglich als von den Armeniern eroberte Beutewaffen, durften russische Waffen, Raketen und Panzer, mitgeführt werden. Dies sollte auch ein Zeichen an Putin sein, denn die Armenier sind nun auf russische Friedenstruppen angewiesen, um den Landkorridor bei Latschin zum noch von ihnen kontrollierten Teil von Nagornyj Karabach zu nutzen. Erdogan sagte in seiner Siegesrede, der Waffenstillstand „bedeutet nicht, dass der Kampf beendet ist“. Die Türkei werde weiter an der Seite ihrer „aserbaidschanischen Brüder“ stehen. Dann beschwor Erdogan die Seelen der Märtyrer von Karabach, zu denen er auch den osmanischen Kriegsverbrecher Enver Paschas zählte. Der Jungtürke Enver Pascha war der Schmied des deutsch osmanischen Militärbündnisses im 1. Weltkrieg. Kurz vor der Niederlage 1918 zog Enver seine Truppen von der Palästinafront ab und schickte sie nach Baku zur Herstellung eines pantürkischen-turanischen Reiches, das schließlich von der Sowjets verhindert wurde. Mit seinem Engagement im Kaukasus hat sich Erdogan jetzt offenbar auch eine zweite Option offengelassen, falls seine Großmachtpläne mit seinen neo-osmanischen Phantasien sich nicht realisieren lassen.

Zur Siegesparade wurden auch erstmals Opferzahlen der aserbaidschanischen Streitkräfte bekanntgegeben, die während des Kriegs geheim gehalten wurden. Nach diesen Zahlen sind 2738 aserbaidschanische Soldaten während des Krieges gefallen, Hunderte werden noch vermisst. Angesicht der dichtgedrängten Massen in den Straßen Bakus, die ohne Masken und Abstand die Siegesparade verfolgt haben, könnten es bald wesentlich mehr werden, diesmal allerdings Verlierer im Krieg gegen das unsichtbare Corona Virus.

Von Bodo Bost

Bodo Bost ist Journalist und freier Mitarbeiter der Israel-Nachrichten. Er berichtet über aktuelle Themen über Judentum und Israel in Europa, er lebt und arbeitet in Luxemburg.

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Von am 11/12/2020. Abgelegt unter Naher-Osten. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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