Die AG Antifa im Studierendenrat der Universität Halle kritisiert Veranstaltung des Interdisziplinären Zentrums für europäische Aufklärung der Universität Halle (IZEA) und des Seminars für Judaistik/Jüdische Studien der Universität Halle am 9. November 2020 als „geschichtsvergessen“.
Für den 9. November 2020, den 82. Jahrestag der Reichspogromnacht, organisieren das Interdisziplinäre Zentrum für europäische Aufklärung der Universität Halle und das Seminar für Judaistik/Jüdische Studien der Universität Halle eine Veranstaltung mit dem Soziologen Moshe Zuckermann. Ihr Titel: „Antisemitismus-Vorwurf und die Apologie des Kapitalismus: Zum Missbrauch der Dialektik der Aufklärung“. Die AG Antifa im Studierendenrat der Universität Halle bezeichnet diese Veranstaltung in einem Offenen Brief an die Organisatoren, die Professoren Jörg Dierken, Ottfired Fraisse und Daniel Fulda, als „geschichtsvergessen“ und als „Skandal“: „Mit einer solchen Veranstaltung am 9. November wird der Antisemitismus verharmlost“, sagt Miriam Lopez, die Pressesprecherin der AG Antifa. „Das Gedenken an die Reichspogromnacht wird missbraucht.“
Anhang: der Offene Brief
OFFENER BRIEF
Offener Brief an das Interdisziplinäre Zentrum für europäische Aufklärung (IZEA) und das Seminar für Judaistik/Jüdische Studien der Universität Halle
Sehr geehrte Damen und Herren,
sehr geehrter Herr Professor Dierken, sehr geehrter Herr Professor Fraisse, sehr geehrter Herr Professor Fulda,
am 82. Jahrestag der Reichspogromnacht, am 9. November 2020, organisieren Sie eine Online-Veranstaltung mit dem Soziologen Moshe Zuckermann. Der Vortrag trägt den Titel: „Antisemitismus-Vorwurf und die Apologie des Kapitalismus: Zum Missbrauch der Dialektik der Aufklärung“. Der in Israel umstrittene Zuckermann wird erklären, dass der Vorwurf des Antisemitismus nur der Legitimation der israelischen Politik diene und der zeitgenössische Antizionismus nichts mit Antisemitismus zu tun habe. Anders als gern von ihm behauptet, haben neuere Studien jedoch gezeigt, dass sich hinter dem Drang, den jüdischen Staat zu kritisieren, oft kaum mehr als das Bedürfnis verbirgt, wieder ungeniert gegen Juden hetzen zu können. Zuckermann wird deshalb in Deutschland überall dort zustimmend zitiert, wo es nicht um das Wohl der Palästinenser geht, sondern die Existenz des jüdischen Staates insgesamt als störend empfunden wird. Sowohl die nationalbolschewistische Tageszeitung „Junge Welt“ als auch der antisemitische Verschwörungstheoretiker Ken Jebsen beziehen sich gern auf ihn.
Besonders geschichtsvergessen ist es, dass Sie die Veranstaltung am 9. November stattfinden lassen, dem Tag, an dem 1938 mehr als tausend Synagogen zerstört, achthundert Juden ermordet und Zehntausende in Konzentrationslager verschleppt wurden. Sie missbrauchen das Gedenken an die Reichspogromnacht damit für die Kritik der israelischen Politik, die laut Zuckermann hinter dem vermeintlich ungerechtfertigten Antisemitismus-Vorwurf stecke.
Wenn Sie die Veranstaltung darüber hinaus in eine Vortragsreihe über den „globalen Antisemitismus“ einbetten, die noch dazu mit einem Bild der zerschossenen Synagogen-Tür von Halle beworben wird, die im letzten Jahr über 50 Betenden das Leben rettete, entsteht sogar der Eindruck, Sie wollten den gegenwärtigen Antisemitismus verharmlosen. Oder glauben Sie wirklich, dass der Pogromnacht von 1938 angemessen gedacht wird, wenn nicht der Antisemitismus, sondern der „Antisemitismus-Vorwurf“ kritisiert wird? Und denken Sie tatsächlich, dass der „Antisemitismus-Vorwurf“ ein ähnliches Problem darstellt wie der globale Antisemitismus, den seit 1945 hunderte Juden mit dem Leben bezahlen mussten? Um es offen auszusprechen: Auch wenn es im Bewusstsein um die „Dialektik der Aufklärung“ leider keine Überraschung ist, dass ein Zentrum für die Erforschung der europäischen Aufklärung und ein Seminar für Jüdische Studien eine solche Veranstaltung am Tag der Reichspogromnacht (und genau einen Monat nach dem einjährigen Jubiläum des Anschlags von Halle) in der Saalestadt stattfinden lassen wollen, ist das ein Skandal.
Mit freundlichen Grüßen,
AG Antifa im Studierendenrat der Universität Halle
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