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SchUM ( שו“ם ) – die Kehillah Kedoschah am Rhein – Teil 2

eine 1000-jährige jüdische Geschichte, aktuell wie lange nicht!

»Ich wünsche mir sehr, dass die Touristinnen und Touristen nicht nur zu den SchUM-Städten reisen, um alte, jüdische Steine zu fotografieren, sondern dass diese Steine ihnen etwas sagen werden, das sie in ihren Herzen mitnehmen können.« [Anna Kischner, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Mainz]

Schum-Städte. (Copyright Touristinformation Worms)

Etwas aus der über 1000-jährigen Geschichte der SchUM-Städte am Rhein, deren Entstehen, Blüte und letztlich auch deren Niedergang für heute mitzunehmen und dem zunehmenden Antisemitismus in Deutschland und Europa, also in unserer unmittelbaren Umgebung wirksam entgegenzutreten, das ist die eigentliche Quintessenz des über Tausend Seiten umfassenden Antrages des Landes Rheinland-Pfalz auf Aufnahme der SchUM-Städte am Rhein in die Liste der UNESCO-Weltkulturerbe.

Der Niedergang dieser einzigartigen Blütezeit jüdischer Kultur am Rhein begann mit dem Aufruf von Papst Urban II 1095 zum ersten Kreuzzug zur „Befreiung des Heiligen Landes“. Das war die Initialzündung für die vernichtende Juden-Pogrome am Rhein 1096, die mit den Pest-Pogromen von 1349 ihren Höhepunkt fanden und in dessen die jüdischen Gemeinden in Mainz und Speyer nahezu ausgelöscht wurden. Bereits zu dieser Zeit waren die Juden-Pogrome ein Ventil, zugelassen um von eigenem Versagen der Mächtigen, etwa wie bei der Bekämpfung der Pest abzulenken und die eigene Macht zu sichern. Sowohl die religiös basierten Hygieneregeln der jüdischen Bevölkerung – damals beispielgebend fortschrittlich -, als auch deren finanzpolitische, wirtschaftliche und moralische Kompetenz sowie das überdurchschnittliche Bildungsniveau waren der allmächtigen christlichen Kirche zu dieser Zeit ein Dorn im Auge und deswegen tolerierte man den Mob in der bis dato fortschrittlichsten Region am Rhein bzw. lenkte man bewusst die Wut des Pöbels auf die Juden als Hexer (in der Zeit als die Pest grassierte) und kanalisierte damit die Aufstände.

„Judenpogrome haben religiöse, politische und finanzielle Ursachen…Sie wurden oft durch judenfeindliche Mythen wie der  Weltverschwörungstheorie  und die Unterstellung von  Ritualmorden,  Brunnenvergiftungen  und  Hostienschändungen  initiiert….“ [Wikipedia]

Gesellschaftliche Verwerfungen, tiefe Wirtschaftskrisen und Kriege beschleunigten bereits vorhandene antisemitische Ressentiments, religiöse Vorurteile bis hin zur Stigmatisierung und pauschalierte Ablehnung eines Glaubens, dem man selbst nicht nachging. Der schrecklichste Höhepunkt von 1000 Jahren Juden-Pogromen war zweifellos die Shoah in der Nazizeit, in denen 6 Millionen Juden aus ganz Europa in industriellem Stil ermordet wurden.

Nicht umsonst wollte Hitler und seine Vollstrecker mit dem Massenmord an den europäischen Juden in Europa, (hier als als Holocaust bezeichnet), eine „Endlösung“ aller bisherigen Pogrome in der Geschichte schaffen. Von den ca. 11 Millionen Juden in Europa vor dem 1000-jährigen Reich, was nur 12 Jahre Bestand hatte, vielen mehr als die Hälfte diesem zur Staatsdoktrin erhobenem Antisemitismus mit einem bis dahin beispiellos akribisch geführten und industriell organisierten Massenmord zum Opfer.

Kein anderes Ereignis in der Geschichte erreichte die schreckliche Dimension dieses Blutrausches der deutschen und europäischen Nazis, angefangen von dem türkischen Völkermord an den Armeniern, den politischen Morden Stalins in der Ukraine, dem Genozid durch die Roten Kmer in Kambodscha, dem schnellsten Völkermord aller Zeiten in Ruanda oder die „ethnischen Säuberungen“ in Srebreniza auf dem Balkan.

Trotz dieser bedrückenden und mahnenden Geschichte negieren heute wieder Antisemiten und Neonazis, links-terroristische Gruppen und Anhänger kruder Verschwörungstheorien die Wichtigkeit jüdischen Lebens in Deutschland und Europa als Teil unserer Geschichte. Polizeischutz vor Synagogen und Alltags-Antisemitismus, immer wieder auch ausgehend von Muslimen mit Migrationshintergrund die in Deutschland und Europa den clash of cultures leben und aufgeklärte Demokratien nicht akzeptieren. Egal ob es sich um Pöbeleien und Handgreiflichkeiten auf offener Straße handelt oder gar der Sturm auf die Synagoge zu Halle, sie alle sind sichtbare Indizien dafür dass es trotz aller politischer Lippenbekenntnisse und staatlicher Antisemitismus-Beauftragter große Probleme im Zusammenleben mit Juden und jüdischem Leben in Deutschland und Europa gibt.

Selbst die sich eigen-zensierende Presse mit ihrer political correctness herum nicht herum, ab und an diese Fakten zu benennen, aber höchst ungern werden Ross und Reiter oder gar Nationalitäten genannt. In Deutschland sind keine Charedim auf offener Straße zu sehen, ebenso wenig Menschen, die mit Selbstverständlichkeit die Kippah wie in Amsterdam, Antwerpen und Brüssel tragen. Alleine dieser Umstand ist schon achtunggebietend.

Die immer wieder erkennbare Tolerierung von Antisemitismus im Sprachgebrauch, die vielfältige Akzeptanz bis hin zur Verherrlichung derer, die aktive und passive Täter in der Shoah waren, oder ob unter dem Deckmantel des Denkmalschutzes und mit richterlicher Entscheidung das Relief der „Judensau“ in Wittenberg und in ca. 30 weiteren Orten in Deutschland auch weiterhin hängen bleiben darf, macht Antisemitismus und heute Israel-Bashing salonfähig und widerspruchslos. Auch wenn die Bildnisse der „Judensau“ etwa zur gleichen Zeit entstanden, als die ersten Pest-Pogrome 1349 begannen und somit historisch relevant sind, so sind diese im krassen Gegensatz zu den SchUM-Städten, heute bestenfalls in Museen mit erklärenden Texten zu tolerieren, nicht aber an öffentlichen Gebäuden. Hier hat die deutsche Rechtsprechung versagt und kein Politiker hat für Respekt und Achtung gegenüber der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und Europa Einspruch erhoben, wo doch sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit der mahnende Finger wie eine Monstranz erhoben wird und Deutschland auch schon gerne mal den Lehrmeister in Europa spielt.

Nicht anders ist es mit den heute noch betriebenen Kirchenglocken, insbesondere im Thüringer Raum, mit offen sichtbarem Hakenkreuz und Inschriften des „3. Reiches“, deren Standorte aber wegen befürchteter Demonstrationen und Wallfahrten von Neonazis von der Evangelischen Kirche meist geheim gehalten werden.

„Am 27. Januar haben in Thüringen in vielen evangelischen Gemeinden die Kirchenglocken geläutet. Bemerkenswert daran war: In fünf Gemeinden waren Glocken mit eindeutigen Widmungen aus der Nazizeit dabei. Eigentlich sollte der Klang der Kirchenglocken am Holocaust-Gedenktag Mahnung sein, aber das Läuten der Glocken mit ihren nationalsozialistischen Widmungen ist eine Beleidigung der Opfer der Nazi-Barbarei. Diese Glocken müssen abgehängt werden, zumindest müssen die nationalsozialistischen Widmungen abgeschliffen werden. [Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen]

Thora. (Copyright Touristinformation Worms)

Die EU-Staaten und ihre Exekutiven könnten aus der Geschichte der SchUM-Städte lernen, dass jüdisches Leben in einem christlichen Umfeld nicht nur möglich, sondern auch bereichernd auf allen gesellschaftlichen Ebenen ist. In diesem Kontext ist es schwer erträglich, wenn 2015 in Paris ein jüdischer Supermarkt Ziel eines terroristischen, von fanatischem Islamismus getriebenen Angriffs wurde, aber anders als bei „Charlie Hebdo“, als Staatsoberhäupter eine Gedenk-Demo unter dem Titel „Je suis charlie“ anführten, nach dem Terrorakt gegen den jüdischen Supermarkt aber niemand “Je suis Juif“ auf seine Fahnen schrieb.

Nicht anders ist es mit den neu erstarkten europäischen Neonazis, die als Populisten daherkommen, aber nichts anderes als Nationalisten und Rattenfänger sind. In den Niederlanden feiert beispielsweise Geert Wilders mit seiner „Partei für die Freiheit“ Erfolge, in Frankreich Marie Le Pen vom „Front National“, in Italien die „Lega Nord“ unter Matteo Salvini, in Schweden erreicht die die Neonazigruppe Nordiska motståndsrörelsen (Nordische Widerstandsbewegung, NMR) Erfolge, in Polen treffen wir bizarren Nationalismus und in Deutschland gar eine im Bundestag vertretene Partei, die AfD, in deren Mitte der „rechte Flügel“ um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke die Fäden zieht.

Der Gipfel allerdings ist, dass in der (West-) Ukraine nach wie vor die „14. SS Waffen Grenadier- Division -Galizien Nr.1“ – verehrt und am 28. April jeden Jahres gefeiert wird. Die EU macht keine Anzeichen, ihren Beitrittskandidaten in die Schranken zu weisen. Leider finden wir Derartiges an unverhohlener Doppelmoral auch gegenüber der Re-islamisierten Türkei, die als NATO-Mitglied und dem „EU-Flüchtlingsdeal“ die Carte Blanche hat, um gegen die Kurden Krieg zu führen, Griechenland wegen der Gasfelder im Mittelmeer mit Krieg zu bedrohen und in Syrien eine „Pufferzone“ entgegen jedem Völkerrecht errichten darf.

Aus der Geschichte der SchUM-Städte und den antijudaischen Pogrom-Auslösern sollten wir gelernt haben, dass Verschwörungstheorien gut geeignete sind, politische Ziele zu erreichen. Früher in Form von Mund zu Mund-Propaganda, heute mittels Internet und damit substanziell schneller. So kann es nicht wundern, dass die Corona-Pandemie als Katalysator wirkt und wieder Schuldige an den Pranger gestellt werden sollen. Egal, ob die „Q-Anon-Bewegung“ als Initiator wirkt, George Soros, Bill Gates und andere als Galionsfiguren der Weltverschwörung verortet werden, oder ob die Demokratie als Ganzes in Frage gestellt wird. Dramatisch ist aber, dass heute bei den s.g. „Anti-Corona-Demos“, insbesondere in Berlin, „Reichsbürger“ und Rechtsradikale aller Schattierungen Teil dieser Demonstrationen sind, die Schwarz-Weiß-Rote Reichsflagge (von Bismarck geschaffen und 1933 von Hitler durch die Hakenkreuzfahne ersetzt) auf deutschen Straßen wieder weht und unlängst damit gar der Reichstag, Sitz des Deutschen Bundestages, gestürmt werden sollte. Welch verheerendes Signal an alle Juden und an Israel.

Die heutigen Verschwörungstheorien unterscheiden sich nicht wirklich von denen, die weiland der zaristisch-russische-Geheimdienst als die „Protokolle der Weisen von Zion“ erfand und der Welt unterschob. Noch heute glaubt ein nicht geringer Teil der Bevölkerung, auch hier mitten in Europa, an die jüdisch initiierte Weltverschwörung, egal ob sie von Rothschild oder von Soros kommt.

Heute finden wir unter dem Deckmantel der Israel-Kritik vielfältige Spielarten des Antisemitismus des 21. Jahrhunderts. Die EU-Außenbeauftragten, (früher Federica Mogherini, heute Josep Borrell) haben nicht nur die Israel-feindliche BDS-Bewegung toleriert, sondern mit einem konträr zum Völkerrecht stehenden Sprachgebrauch ihre wahre Gesinnung offenbart, wenn sie von einem „Staat Palästina“ sprechen, den es de facto nicht gibt, oder wenn sie den Handel mit Produkten aus Judäa und Samaria faktisch blockieren.

„Produkte aus israelischen Siedlungen in Judäa, Samaria („Westjordanland“) und den Golanhöhen müssen in Europa künftig besonders  gekennzeichnet werden. Sie gelten nicht als „Made in Israel“. …Das Gericht verlangt eine deutliche Kennzeichnung der Siedler-Produkte, damit Konsumenten bei ihrer Kaufentscheidung „soziale, ethische und völkerrechtliche Erwägungen“ einfließen lassen können….

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist aber auch deshalb diskriminierend, weil eine solche „Produkt-Brandmarkung“ nur bei israelischen Produkten stattfindet. Zahlreiche andere Gebiete der Welt sind völkerrechtlich umstritten – doch nur jüdische Unternehmen werden in der EU nun gebrandmarkt. Das weckt Erinnerungen an die „Kauf-nicht-bei-Juden“-Aktionen in Nazi-Deutschland …

  • Als moralisch verwerflich und grundsätzlich inakzeptabel bezeichnete Israels Außenminister Katz das Urteil in einer Pressemitteilung….Der Richterspruch ist allerdings für alle EU-Mitgliedsstaaten bindend. [www.christen-pro-isreal de]

Nun könnte man meinen, damit sei es genug, aber dem ist nicht so. In Deutschland (einzelne Länder), Polen, den Niederlanden und nun auch in Belgien gibt es fast durchgängig ein Schächtungsverbot, bzw. nur streng kontrollierte Ausnahmegenehmigungen mit festgelegten Obergrenzen. Dieses Schächtungsverbot, in Deutschland seit 1933, richtet sich primär direkt gegen die jüdische Bevölkerung. Niemand wird hierzulande über den historischen und religiösen Kontext und die Unterschiede von jüdischer und islamischer Schächtung aufgeklärt. Kein Wunder, dass diese Entscheidung ebenso hingenommen wird, wie die Massentierhaltung, die man ja angeblich wegen dem Tierwohl abschaffen will, aber wegen der starken Landwirtschafts-Industrie-Lobby faktisch nicht tut. Auch das ist eine Spielart antisemitischer Doppelmoral.

Weitere krasse Beispiel dieser Doppelmoral sind die Appeasement-Politik Deutschlands gegenüber dem Iran, die mediale Verweigerung des als historisch einzustufenden, neuen Verhältnisses zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es ist spekulativ, ob diese Verweigerungshaltung damit begründet ist, dass der US-Präsident Trump dafür den Weg geebnet hat, oder ob man das Jahrzehnte lang gepflegte bipolare Weltbild der EU, Israel gegen alle arabischen Staaten und umgekehrt, plötzlich korrigieren muss. Bahrain ist der nächste arabische Staat, der dem Weg der VAE folgen wird und selbst die Arabische Liga beginnt umzudenken. Der Oman und Saudi Arabien unter Kronprinz Mohamed bin Salman werden diesen Schritt in absehbarer Zeit folgen. Für Israel ein Segen, für die EU und die PA völlig unverständlich.
Während also auf der Arabischen Halbinsel das anti-Israelische Eis bricht, hält die EU und Deutschland am Iran-Deal fest und wird erst aufwachen, wenn die erste iranische Atombombe getestet wird.

SchUM ( שו“ם ) – die Kehillah Kedoschah am Rhein ist hoch aktuell und mit der Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste dann auch für die ewig Gestrigen in Deutschland und Europa eine mögliche Initialzündung und Leitfaden zum Umdenken, für allgemein akzeptiertes jüdisches Leben inmitten Deutschlands und ohne existenzielle Ängste.

Besonderer Dank für die Unterstützung und die Bereitstellung von Bildmaterial gilt dem „SchUM-Städte“ e.V. und ihrer Geschäftsführerin Frau Dr. Susanne Urban.

Von Gerhard Werner Schlicke

Herr Schlicke ist Autor und Freier Mitarbeiter bei den Israel-Nachrichten, er lebt und arbeitet in Deutschland.

 

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Von am 18/09/2020. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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