Die Politik von Dr. Angela Merkel war und ist immer wieder Zielscheibe von Hohn und Spott, gemischt mit Kritik bis hin zur Verachtung. Manchmal scheint es, als ob die erste Frau, die in Deutschland Kanzlerin wurde für alles persönlich haftbar gemacht wurde. Als sie im vergangenen Sommer einige Male unter heftigen Zitterattacken litt wurden sofort Stimmen laut, sie möge doch endlich abtreten. Den Platz endlich für andere freimachen, die besser geeignet seien, dieses Land zu führen. Man ging sogar soweit, ein Attest betreffend ihre Arbeitsfähigkeit zu fordern. Von «Kanzlerdämmerung» war die Rede. Nicht vergessen und vergeben ist ihre 2015 anlässlich einer Bundespressekonferenz häufig zitierte und überstrapazierte Aussage: «Deutschland ist ein starkes Land. Das Motiv, mit dem wir an diese Dinge herangehen, muss sein: Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!» Diese wurde immer wieder als Beleg für ein naives Herangehen an die damalige Flüchtlingspolitik gewertet. Als Zeichen für die Handlungsunfähigkeit einer Politikerin. Alexander Gauland (AfD), verstieg sich zu folgender Aussage, die er mit der Forderung nach einem sofortigen Rücktritt würzte: «Wir wollen das gar nicht schaffen!» Seit 2005 lenkt Angela Merkel die Geschicke Deutschlands. Sie wurde geliebt, gelobt, verkannt, abgelehnt und gehasst. Vor allem im eigenen Lande, in dem der Prophet bekanntermassen nichts gilt.
Noch vor wenigen Monaten hätten verschiedene politische Kreise es begrüsst, wenn sie ihr Amt zurückgelegt hätte. Nun spricht man, wenn auch derzeit nur hinter halbgeschlossenen Türen, von einer 5. Regierungsperiode.
Hier nun ein Kommentar von Netanel Azulay, veröffentlicht am 5. Mai 2020.
Während der Tage der Corona Krise habe ich die Reden der deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, von meinem Daheim in Berlin aus verfolgt.
Inmitten der schrecklichen Daten aus anderen europäischen Ländern ist es Deutschland gelungen, die Infektionsrate zu senken, die Kurve abzuflachen und den Bürgern Hoffnung zu geben.
Das ist nicht passiert, weil Deutschland stärker oder reicher ist als andere Länder. Es geschah dank der Frau an der Spitze. Einer der mutigsten, bescheidensten und stärksten Frauen – Angela Merkel. Es gibt viele Gründe für ihren Erfolg.
Zunächst ihre Fähigkeit, Antworten zu geben. Im Anschluss an jede Rede gab Merkel den Reportern Zeit, Fragen zu stellen und stellte sicher, dass sie jede davon fehlerfrei beantwortete. Merkel verstand die Bedeutung von Klarheit und Transparenz. Und sie verstand die Bedeutung von Pressefreiheit. Und, dass es deshalb ihr Job war, Antworten zu geben. Merkel selbst war nicht das Zentrum ihrer Reden. Das Zentrum war das Publikum und das verdiente es, Antworten zu bekommen.
Die deutsche Kanzlerin verstand es, da Volk hinter sich zu scharen, um Ergebnisse zu erzielen: Merkel machte keine Alleingänge bei den Entscheidungen. Sie arbeitete vollumfänglich mit jedem Gremium in ihrer Regierung zusammen. So gelang es ihr, die 16 Bundesländer, die die Bundesrepublik ausmachen zu vereinen. Ihre Handlungen wirkten einend, nicht trennend. Es gab keine Veröffentlichungen, die nicht von der Regierung gebilligt worden waren.
Das Treffen von Entscheidungen während der Krise war kein politisches Thema. Sie liess sich ausschliesslich von wissenschaftlichen Überlegungen leiten.
An diesem Punkt begann sie alle relevanten Informationen sorgsam zu studieren. Gleichzeitig scharte sie 26 Forscher aus den entsprechenden Fachgebieten um sich. Und nicht [wie es anderswo geschah*], mit Mitarbeitern des Finanzministeriums und aus dem Sicherheitsbereich.
Sie war bescheiden. Während ihrer gesamten bisherige Regierungszeit hat sie sich geweigert, die offizielle Kanzlerresidenz zu beziehen. Mit ihrem Ehemann [Prof.emer. Dr. Joachim Sauer] wohnt sie in einer gemieteten 3-Zimmer-Wohnung in Berlin Mitte. [andere Premierminister haben gleich drei Wohnungen *]
Einkäufe erledigt sie selber in den Quartierläden. Merkel hat sich stets geweigert, ein Leben auf Kosten des Steuerzahlers zu führen.
Sie hat ihre im TV ausgestrahlten Reden nie missbraucht, um sich selber oder ihre Minister auf den Rücken zu klopfen. Oder eine Rede zu halten, als gelte es, den Oscar entgegen zu nehmen.
Diese Führerin war in der Lage, Fehler zuzugeben: «Wir haben nicht genug getan.», sagte Merkel vor ein paar Wochen, trotz des offensichtlichen Erfolges, die Infektionskurve abzuflachen. Sie beugte ihren Kopf, als ihre Mitbürger auf Grund der Pandemie verzweifelten. Nie hat sie ihren Erfolg selbstherrlich zur Schau gestellt oder die Situation ihres Landes hervorgehoben.
Merkel verstand, dass sie nicht über dem Gesetz stand und begab sich freiwillig in Quarantäne, nachdem sie in Kontakt mit ihrem Arzt gekommen war, der mit COVID-19 infiziert war. Auch nachdem zwei Tests bei ihr ergaben, dass sie sich nicht infiziert hatte, hat sie die Selbstquarantäne nicht verletzt. Sie hat darauf verzichtet, Ostern mit der Familie und Freunden zu feiern. Ihr war bewusst, dass es nicht nur darum ging, ihre Gesundheit zu schützen, sondern viel mehr auch darum, ein Beispiel für andere zu sein. [Leider gab es auch Politiker, die es damit nicht so genau nahmen. Die Wasser predigten, um selber Wein zu trinken.*]
Merkel hat grossen Wert auf Details gelegt. Es gab keine Anweisung, die nicht genauestens erklärt war. Jedes Gesetz, jede Beschränkung war sorgfältig und detailliert erklärt. Ihre Ansprachen waren ausschliesslich zu Gunsten der Bürger. Und niemals, um über sich selbst zu prahlen.
Sie hat ihr Verständnis für die wirtschaftliche Situation bewiesen. Die Gefahr, dass der durch die Pandemie verursachte Schaden weit höher ist, als die medizinischen Kosten. Die deutsche Regierung hat sowohl den Bürgern, als auch de kleinen Unternehmen schnelle und effiziente Hilfe zukommen lassen.
Als jemand, der in Deutschland lebt, konnte ich das Vertrauen erleben, das die Bürger den Entscheidungen, die von Merkel getroffen wurden, entgegenbrachte. Es war wohl verdient – sie hat hart daran gearbeitet.
Ihr Erfolg im Umgang mit der Corona Pandemie war kein Wunder oder die Arbeit einer Zauberin. Deutschland war erfolgreich, weil es eine Führung hat, die die Bürger über sich selbst stellte.
Ich wünsche mir, wir hätten mehr von dieser Form von Führungsqualität an jedem Platz in der Welt gesehen.
[Anmerkungen in Klammern von mir * sollte eine Ähnlichkeit mit lebenden Politikern auffallen, so ist das durchaus beabsichtigt]
Von Netanel Azulay,
In englischer Spracher erschienen auf ynetews.
Übersetzung: Esther Scheiner,
für Israel-Nachrichten.org
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