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Wie der frühere Reichsbankpräsident Hjalmar Schacht vom Gefolgsmann Adolf Hitlers in den Widerstand gegen das Nazi-Terror-Regime wechselte, II. Teil

Vom Jahre 1934 bis in das Jahr 1937 galt der Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht (geboren 1877 und verstorben 1970) als der führende Wirtschaftspolitiker des Nazi-Regimes. In der Presse des Auslandes bezeichnete man ihn gelegentlich als „Wirtschaftsdiktator“ und als drittmächtigsten Mann des Nationalsozialistischen Deutschlands nach Hitler und Göring. Wie, so stellt sich die Frage, wichtig und mächtig war Schacht jedoch in Wirklichkeit; – wer war dieser Mann, der auf den Fotografien der Nazi-Elite oft als Einziger keine Uniform, sondern einen schwarzen Anzug mit Stehkragen trug?

Hjalmar Schacht der Banker hinter Hitler. Foto: US-Archiv

Im Unterschied zu vielen führenden Nationalsozialisten hatte Schacht bereits vor dem Beginn der Nazi-Herrschaft Karriere gemacht. Bis zum Jahre 1923 amtierte er als Vorstandsmitglied der Darmstädter- und Nationalbank, einer der größten Banken Deutschlands. Schacht, der im November 1918 mit prominenten Liberalen wie dem Publizisten Theodor Wolff die liberale „Deutsche Demokratische Partei“ (DDP) gegründet hatte, wurde vom sozialdemokratischen Reichspräsidenten Friedrich Ebert zum Reichsbankpräsidenten ernannt. In seinem Amt entfernte sich Schacht von seinen liberalen Wurzeln und geriet mit der Reichsregierung über die Verschuldung der öffentlichen Haushalte in Konflikt.

Im Jahre 1929 erhielt Schacht den Auftrag, mit den alliierten Siegermächten über eine Erleichterung des geltenden Reparationsabkommens zu verhandeln. Obgleich Schacht einen nicht unerheblichen Teil der deutschen Verhandlungsziele erreichen konnte, lehnte er wie die nationale Rechte die politische Verantwortung für den „Young-Plan“ ab und trat im April 1930 zurück. Im Oktober 1931 trat er mit seiner Rede auf dem „Harzburger Treffen“ erstmals öffentlich an die Seite der rechtsradikalen Republikfeinde auf. Schacht diente sich Hitler als Wirtschaftsberater an und glaubte, er könne die wirtschaftspolitisch unbedarften Nationalsozialisten beeinflussen.

Im November des Jahres 1932 organisierte Schacht eine Unternehmerpetition an den Reichspräsidenten von Hindenburg mit dem Ziel, Hitler zum Reichskanzler zu ernennen. Schon kurz nach dem 30. Januar 1933 – nach der sogenannten „Machtergreifung“ – war sich Schacht sicher, dass Hitler ihn zum Reichsbankpräsidenten ernennen würde, was dann auch im März 1933 der Fall war. Hitler brauchte Schacht, um das Vertrauen der deutschen und ausländischen Finanz-Elite zu gewinnen, und Schacht wiederum brauchte Hitler für seine triumphale Rückkehr an die Spitze der Reichsbank. Obwohl sich Schacht zuvor skeptisch gegenüber Arbeitsbeschaffungsprogrammen gezeigt hatte, äußerte er gegen die aufwändige kreditfinanzierte Arbeitsbeschaffungspolitik der Nazis keine Bedenken.

Schacht teilte sogar Hitlers Absicht, die Reichswehr zu einem starken und kriegsfähigen Heer auszubauen, und stellte ihr umfangreiche Kredite für die Aufrüstung zur Verfügung. Formell blieb Schacht vorerst parteilos, bis ihm Hitler 1937 das „Goldene Parteiabzeichen“ der NSDAP und damit auch die Parteimitgliedschaft verlieh. In der Öffentlichkeit ließ Schacht bis 1937 Zweifel an seiner Loyalität gegenüber der Politik des „Führers“, im kleinen Kreis gab er sich zunächst jedoch absolut loyal gegenüber Hitler. Im Jahre 1934 fiel er in einem Sechs-Augen-Gespräch mit Hitler dem nationalsozialistischen Wirtschaftsminister Kurt Schmitt in den Rücken, der Zweifel an der wirtschaftlichen Machbarkeit einer schnellen Aufrüstung äußerte.

Als Schmitt im Juni 1934 bei einer Rede kollabierte und um seine Beurlaubung bat, ernannte Hitler Schacht zum Geschäftsführenden Reichswirtschaftsminister. Mit der Personalunion von Reichsbankpräsident und Reichswirtschaftsminister erreichte Schacht den Gipfel seiner erwünschten Macht. Obwohl er sich durch seine Wendung zu Hitler den Ruf eines Opportunisten einhandelte, schreckte der machtbewusste und geltungsbedürftige Schacht nicht vor Kritik an einzelnen Erscheinungsformen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zurück. Einerseits rechtfertigte Schacht die „Nürnberger Gesetze“ und die gesetzliche Diskriminierung der Juden als den vermeintlichen Abschluss der nationalsozialistischen Rassenpolitik – andererseits kritisierte er gewaltsame Übergriffe auf jüdische Geschäfte auch öffentlich.

Der gemäßigte Antisemit Schacht unterstützte wie viele Deutsche die Radikalität des nationalsozialistischen Rassen-Antisemitismus. Er schwieg zur Liquidierung innerparteilicher Gegner – „Röhm-Putsch“ – und zum Ausbau des politischen Terrorsystems durch Himmler und Heydrich, aber kritisierte die Behinderung der „Bekennenden Kirche“. Dank seiner kreditpolitischen Schlüsselstellung als Reichsbankpräsident glaubte Schacht, dass er das Tempo der Aufrüstung bestimmen und notfalls die Aufrüstung stoppen könne. Doch schon 1934 begann Schacht, zweifelhafte Kompromisse zwischen seinem besseren Wissen als Wirtschaftspolitiker und seiner Loyalität zur Politik Hitlers zu schließen.

Entgegen seiner Überzeugung strukturierte er den deutschen Außenhandel zu einem autarkistischen Bilateralismus mit staatlichen Im- und Exportkontrollen – „Neuer Plan“ – um, um so die nötigen Importe für die Rüstungsindustrie zu beschaffen. In einer Rede vor Unternehmern bezeichnete der einst überzeugte Freihändler Schacht die dirigistische Lenkung des Außenhandels als „etwas ganz Furchtbares“, ohne daraus Konsequenzen zu ziehen. Schachts Machterosion begann im März des Jahres 1936. Von ständigen Streitigkeiten über Importe zermürbt, überließ er die Devisenbeschaffung seinem Rivalen Hermann Göring. Als Hitler im August 1936 entschied, die deutsche Wirtschaft innerhalb der nächsten vier Jahre „kriegsfähig“ zu machen, gab er die Federführung an Göring.

Bei Hitler, Göring und Goebbels und beim Reichswehrminister von Blomberg galt Schacht als ein zunehmend lästiger Bedenkenträger, der sich der unbedingten wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung aus wirtschaftspolitischer Vernunft widersetzte. Als Göring im Sommer des Jahres 1937 gegen Schachts Widerspruch mit Staatsgeldern den Schwerindustrie-Konzern Reichswerke AG gründete, war Schachts Leidensfähigkeit erschöpft. Da Hitler überhaupt nicht an eine Intervention zugunsten des Reichswirtschaftsministers dachte, trat Schacht im September 1937 als Minister zurück. Seine Macht beschränkte sich jetzt auf die Kompetenzen des Reichsbankpräsidenten.

Bis auf Rücktrittsdrohungen hatte er keine Mittel mehr, um seiner Forderung nach einem Ende der steigenden Verschuldung noch Nachdruck zu verleihen. Ungeachtet seiner gelegentlich auch öffentlichen Ermahnungen zu einer stabilen Geldpolitik wurde er von Hitler und Göring bewusst ignoriert. Die kritische Denkschrift an Hitler, die im Januar 1939 zu seiner Entlassung führte, zeigte seine Grundsatztreue in zentralen wirtschaftspolitischen Fragen – uns eine Neigung zur Selbstüberschätzung. Auf die Entlassung durch Hitler reagierte Schacht schockiert, ohne jedoch tatsächlich mit dem „Führer“ zu brechen.

Ab dem Jahre 1939 stand Schacht in regelmäßigem Kontakt mit dem deutschen Diplomaten Ulrich von Hassel, der zu den Führungsfiguren des konservativen Widerstandes gehörte. Wegen seiner Unentschiedenheit charakterisierte von Hassel ihn als „His Majesty´s most loyal opposition“. Erst im Jahre 1943 wurde Schacht zu einem unbedingten Gegner Adolf Hitlers. Freunde im militärischen Widerstand weihten ihn in die Vorbereitung des Attentats am 20. Juli 1944 ein. Er entging einem Todesurteil nur, weil ihm die Gestapo keine Mitwisserschaft nachweisen konnte. Ungeachtet seiner Mitverantwortung für die Stabilisierung der nationalsozialistischen Schreckens-Herrschaft sprach ihn das Nürnberger Kriegsverbrecher-Tribunal frei. An einer „Verschwörung zur Vorbereitung eines Krieges“ – so die Anklageschrift – war er nachweislich nicht beteiligt.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 26/04/2020. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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