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Corona-Bonds: Ein Weg der EU aus der Wirtschaftskriese?

Corona-Bonds, sind nach dem staatlich verordneten Lockdown zur Eindämmung der Virusinfektion COVID19 und dem damit regierungsseitig erzwungenen wirtschaftlichen Infarkt aller EU-Länder, mit Einschränkungen in Schweden, ein anderer Begriff für die insbesondere von Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Frankreich und Finnland strikt abgelehnten Euro-Bonds, also den Forderungen seitens volkswirtschaftlich schwächerer EU-Ländern wie Italien, Griechenland und Spanien nach solidarischer Hilfe durch das wirtschaftlich starke Deutschland (und anderer) mittels eine Vergemeinschaftung der Kreditverantwortung.

Unterstellt wird dabei direkt und indirekt seitens der Euro-Bonds-Gegner, dass mit dieser Vergemeinschaftung neuer und alter Staatskredite das jeweilige Eigeninteresse der „Schulden-Staaten“ an einer volkswirtschaftlichen Konsolidierung sinken würde. Diese Unterstellung läuft dem europäischen Solidargedanken entgegen und wird von den besonders schwachen Ländern demgemäß auch höchst kritisch gewertet. Dass sich dann Italien, Griechenland und Spanien als EU-Mitglieder zweiter Klasse fühlen ist verständlich, dem EU-Gedanken allerdings höchst abträglich. In der EU könnten bei übereinstimmenden Interessen ganz sicher Instrumente geschaffen werden, die einen EU-Beistand zur Konsolidierung ohne Bevormundung durch die wirtschaftlich starken EU-Kernländer und ohne deutsche Besserwisserei ermöglichen. Ansätze dazu zeigt das Ergebnis der beinahe dreitägigen Videokonferenz der EU-Finanzminister zur Lösung des Finanzbedarfs durch die Corona-Krise.

„Die EU-Finanzminister haben sich in der Corona-Krise auf milliardenschwere Hilfen für gefährdete Staaten, Firmen und Jobs geeinigt. …Der Kompromiss gelang erst nach zwei Verhandlungsrunden und heftigem Streit über die Bedingungen des Pakets im Umfang von rund 500 Milliarden Euro….es ging im Wesentlichen um drei Elemente: Vorsorgliche Kreditlinien des Eurorettungsschirms ESM von bis zu 240 Milliarden Euro, die besonders von der Pandemie betroffenen Staaten zugute kommen könnten; ein Garantiefonds für Unternehmenskredite der Europäischen Investitionsbank EIB, der 200 Milliarden Euro mobilisieren soll und das von der EU-Kommission vorgeschlagene Kurzarbeiter-Programm namens „Sure“ um Umfang von 100 Milliarden Euro….Darüber hinaus wurde ein befristeter „Recovery Fund“ zur Unterstützung der wirtschaftlichen Erholung vereinbart. Dieser soll die Solidarität der EU mit den in der Pandemie am meisten betroffenen Staaten zum Ausdruck bringen und den außerordentlich hohen Kosten der Krisenbewältigung Rechnung tragen. Details sollen aber erst geklärt werden, darunter die Finanzierungsquellen. Einige Staaten wollen dafür Gemeinschaftsanleihen ausgeben, während andere – darunter Deutschland – solche Corona-Bonds ablehnen. Der Streit darüber wurde also letztlich vertagt.“ [Tagesschau.de]

Ohne die wirtschaftlichen Erfolge innerhalb der EU, insbesondere bei den „Neuen“ klein reden zu wollen, muss man dennoch feststellen, dass der eigentliche Nutznießer Deutschland heißt. Im Interesse der EU-Osterweiterung 2004 bis 2007 (Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und [Griech.]- Zypern, Bulgarien und Rumänien und Kroatien 2013) wurden dringend gebotene Angleichungs- und Nivellierungsprozesse zwischen den wirtschaftlich starken Kern-EU-Ländern und den schwachen „Neulingen“ verschoben statt sie bereits im Vorfeld im Sinne von Nachhaltigkeit einer Lösung zuzuführen.
Bereits vor der EURO-Einführung 2002 hätten die bestehenden Währungs-Gefälle und Leistungsbilanzen (Nord-Süd-Gefälle) zwischen den bis dato 15 Staaten der EU, Gegenstand der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Annäherungsprozesse werden werden müssen, statt dessen wurde dieser Angleichungsprozess nur vertagt, nie aber gelöst. Die EU-Osterweiterung hat die Versäumnisse dann eher vertieft. Das Schengener Abkommen, also der Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU konnte darüber nicht hinwegtäuschen dass der Prozess der Homogenisierung innerhalb der EU immer noch am Anfang steht.

Die Idee der gemeinschaftlichen Kredit-Bürgschaften in der EU (Starke für Schwache), um dringend benötigtes frisches Geld für einen liquiden Staatshaushalt und für Zukunfts- Investitionen in Ländern mit schlechter Bonität und damit überdurchschnittlichen Kreditzinsen (oder gar drohender Insolvenz durch faktische Abkopplung vom internationalen Finanzmarkt) ist nicht neu und wurde fälschlicherweise dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zugeordnet. Diese Forderung ist aber älter als seine Wahlkampf-Aussagen und den in dem 21. Deutsch-Französischen Ministerrat als Roadmap 10/19 in Toulouse formulierten strategischen Zielen (siehe Pressemitteilung vom 17.10.19 des BM für Wirtschaft und Energie), sondern es entstammt in Wirklichkeit einer aus der finanziellen Not geborenen Idee der „PIIGS“-Staaten. „Die Abkürzung  “PIIGS“  ist eine während der Eurokrise 2010 für die fünf Euro-Staaten  Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien entstandene Abkürzung. Den  Staaten  wird unterstellt, sie hätten eine so hohe Staatsverschuldung, dass ihnen der Staatsbankrott drohe“. [Wiki]

Die Fragilität der EU ist schon mehrfach deutlich sichtbar, aber leider nie konsequent und vor allem nachhaltig entschärft worden. Denken wir an die Banken- und Finanzkrise 2007 die in der Eurokrise 2010 gipfelte, denken wir an die alleinige, in der EU nicht abgestimmte Entscheidung von Kanzlerin Merkel in der Flüchtlingskrise 2015, als sie den Weg für über 1 Million Flüchtlinge aus griechischen Lagern mit katastrophalen Lebensbedingungen, via Balkan und Österreich nach Deutschland ohne jede Asyl-Anspruchs- oder gar Sicherheitsüberprüfung aufmachte. Die im Nachgang dazu aufgestellten deutschen Forderungen nach einer EU-einheitlichen Regelung der Aufnahme von Flüchtlingen führte dann fast zum Auseinanderbrechen der EU und ist bis heute nicht in gemeinsamer Verantwortung geregelt, ganz im Gegenteil. Hier driftet die EU weiter auseinander und wir beobachten zunehmenden Nationalismus statt Solidarität innerhalb der EU. Gemeinsam beschlossene Abkommen, etwa wie das „Dublin-Abkommen“ zu den Grundsätzen der Asylpolitik, dem Schutz der EU-Außengrenzen usw. wurden nie wirklich umgesetzt. Griechenland und Italien, die dem höchsten Migrationsdruck ausgesetzt waren (und trotz Türkei-Deal immer noch sind) wurde die notwendige materielle und militärische jahrelang Hilfe verweigert. FRONTEX als europäische Grenzschutzagentur ist nicht mehr, als ein EU-Feigenblatt, mangelhaft aufgestellt und ausgerüstet und ohne wirklichen Support und Kompetenz.

Der höchst strittige Türkei-Deal war die einzige Antwort der EU auf die „Flüchtlingskrise“ und wie in diesem Jahr bewiesen, war das ein Deal mit hochgradigem Erpressungspotential seitens Erdogan gegenüber der EU und insbesondere auch gegenüber Deutschland, der damit seine aggressive Politik gegenüber den Kurden und Syrien im Nachgang institutionalisieren und gar die NATO in seine Invasion in Nord-Syrien, auf dem Rücken der gen griechischer Grenze losgelassenen Flüchtlinge hineinziehen wollte. Also auch hier wieder: Flickschusterei statt Nachhaltigkeit und Einigkeit. Wer die „Festung Europa“ will, der muss es auch so politisch formulieren und es letztlich auch gegen mannigfaltige Widerstände, nicht nur in der EU, machen und durchsetzen.

Gerade in dem Ost-Erweiterungsprozess der EU hat sich erwiesen, dass die übereilte Aufnahme weitere Staaten zu einer extremen Belastungsprobe geworden sind. Der bis dahin bestehende, wenn auch extrem fragile Werte-Kanon in der Asyl-Politik wurde verlassen und das bis dato bereits bestehende substantielle Nord-Süd- Leistungsgefälle (Arbeitsproduktivität, Wirtschafts- und Finanzkraft…) wurde durch ein zusätzliches West-Ost- Gefälle noch mehr belastet.

Man kommt nicht umhin festzustellen, dass sich die EU durch zunehmend nationale Alleingänge in fast allen Bereichen festgefahren hat und schon längere Zeit in einer gemeinsamen Entwicklung stagniert. Der BREXIT wurde per Volksentscheid in GB mit knapper Mehrheit entschieden und ist nach vielen parlamentarischen Streitereien nun doch endgültig eingetreten. Ein Weg, den man 2007 Griechenland zur Konsolidierung der Staatsfinanzen noch verweigerte, statt dessen hat man Griechenland eine Troika ( Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission) neben das Parlament gestellt und am EURO festgehalten, statt über eine Rückkehr zur Drachme (mit dann möglich gewesener Abwertung) den griechischen Finanz-Haushalt zu konsolidieren. Nicht wenige Ökonomen behaupten, dass nicht Griechenland gerettet werden sollte, sondern deutsche Banken, die massiv in Griechenland mit Krediten und Staatsanleihen investiert und spekuliert hatten und damit möglicherweise in den Strudel des griechischen Staatsbankrotts hineingezogen würden.

Die mit der europaweiten Corona-Krise einher gehende massive EU-Rezession, die keine zyklische Krise sondern eine durch den wirtschaftlichen Stillstand staatlich verordnete tiefe Rezession ist, zwingt alle EU-Länder jetzt zu massiven Hilfsprogrammen und nachfolgend großen Investitionen um die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Die Volkswirte, Sachverständigen und Wirtschaftsweisen gehen davon aus, dass bei zeitnaher Wiederbelebung der Wirtschaft in den EU-Ländern im Folgejahr eine rasche Erholung einsetzen wird, aber das hat bis heute noch viele Unsicherheitsfaktoren.

Corona- oder Euro- Bonds ja oder nein, mit der Beantwortung dieser solidarischen Grundsatzfrage wird die EU wachsen oder weiter stagnieren, ebenso wie bei den nationalen Alleingängen in Sachen Rüstungsproduktion, Verteidigungshaushalte, militärische Strukturen usw. Wenn sich die EU auf das nächste Qualitäts-Level seiner noch jungen Geschichte entwickeln soll (oder muss), dann wird es um diese Entscheidungen nicht herum kommen. Vielleicht kann ein Blick zu dem transatlantischen Partner helfen, diese Fragen gemeinsam besser beantworten zu können.

Von Gerhard Werner Schlicke

Herr Schlicke ist Autor und Freier Mitarbeiter bei den Israel-Nachrichten, er lebt und arbeitet in Deutschland.

 

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Von am 20/04/2020. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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