An alle Fraktionen im Deutschen Bundestag
Aufruf
mit der Bitte um Unterstützung
Potsdam, 27. Februar 2020 /
2. Adar I 5780 (nach dem Jüdischen Kalender)
Mit vorzüglicher Hochachtung
hat die Landesregierung Brandenburg den notwendigen Schutz
der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde Brandenburg abgelehnt!
Wie auch im Jahr 2018 hat das zuständige Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg (MWFK) den Antrag der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde vom 25. Oktober 2019 auf Förderung von Sicherheitsmaßnahmen für die Einrichtungen und Outdoor-Veranstaltungen der Landesgemeinde für das Jahr 2020 abgelehnt. Der Ablehnungsbescheid vom 24. Februar 2020 endet mit der sinngemäßen Grußformel „Mit vorzüglicher Hochachtung“.
Die im Januar 1999 wiedergegründete Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde Brandenburg ist Funktionsnachfolgerin des vor der Machtübernahme der deutschen Faschisten auf dem Territorium des heutigen Landes Brandenburg existierten und von den deutschen Faschisten vernichteten Preußischen Landesverbandes Gesetzestreuer Synagogengemeinden KdöR („Halberstädter Verband“). Sie betreut jüdische Familien in mehreren Städten des Landes Brandenburg und bieten auch Besuchern, Gästen und Touristen unseres Bundeslandes die Möglichkeit der Religionsausübung in den Traditionen des vernichteten „Halberstädter Verbandes“. In Potsdam unterhält die Landesgemeinde eine Jüdische Volkshochschule und ein überregionales Projektzentrum für Integration und soziale Beratung von Zugewanderten.
Es ist unstrittig, dass Juden, jüdische Einrichtungen und jüdische Outdoor-Veranstaltungen in Deutschland zunehmend bevorzugte Ziele unterschiedlicher islamistischer und rechts- sowie linksextremistischer Gruppen sowie Einzelpersonen sind. Auch die Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde blieb in den letzten Monaten und Jahren von antisemitischen Anschlägen nicht verschont. Deswegen haben Gläubige, Besucher und Gäste zunehmend Angst, an den G´ttesdiensten und Veranstaltungen der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde teilzunehmen.
Ziel und Zweck der abgelehnten Fördermaßnahme war es, den Gläubigen, Besuchern und Gästen eine sichere und ungestörte Religionsausübung und Teilnahme an den Veranstaltungen der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde Brandenburg zu ermöglichen.
Dieses Ziel kann ausschließlich mithilfe eines Wachschutzdienstes erreicht werden. Die Tätigkeitsfelder wie Objektschutz, Pförtner- und Telefondienste, (elektronischer) Raumschutz, Veranstaltungsschutz, Alarmüberwachung und Videoüberwachung, Personenbegleitschutz, Fahrzeugbewachung usw. sind nicht Aufgabe der Polizei, sondern „klassische“ Aufgaben eines privaten Wachschutzdienstes. Dementsprechend lassen sich viele jüdische Einrichtungen in Deutschland von eigenen Wachschutzdiensten bewachen, die ihre Arbeit mit den örtlichen Polizeistellen koordinieren. Für den Wachschutzdienst entstehen Personal- und Sachkosten, die die Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde, wie auch alle andere Religionsgemeinschaften in Deutschland, aus finanziellen Gründen nicht selbst tragen kann.
Seit dem bewaffneten Anschlag auf die Synagoge in Halle-Saale am 9. Oktober 2019 hat der Polizeipräsident des Landes Brandenburg, Herr Hans-Jürgen Mörke, bei uns sofort einen mobilen Polizeieinsatz angeordnet. Für diesen Schutz ist die Landesgemeinde dem Polizeipräsidenten sehr dankbar! Diese zeitlich begrenzte und sehr kostenintensive Maßnahme bietet jedoch keinen ausreichenden Schutz. Mit den polizeilichen Schutzmaßnahmen ist der notwendige Schutz der Einrichtungen und Outdoor-Veranstaltungen einer Jüdischen Gemeinde nicht zu gewährleisten, weil der Objektschutz keine gesetzliche Aufgabe der Polizei ist. So wären zum Beispiel notwendige Besucherkontrollen seitens der Polizei in diesem Fall nicht gesetzeskonform. Den gesetzlichen Vorschriften entsprechend wird sogar das Polizeipräsidium Land Brandenburg selbst nicht von eigenen Polizeikräften, sondern von einem privaten Wachschutzdienst bewacht.
Als Vorwand für die Ablehnung der dringend notwendigen Sicherheitsmaßnahmen verweist das MWFK in seinem Ablehnungsbescheid darauf, dass die Polizei keine Empfehlung zum Einsatz eines Wachschutzdienstes ausgesprochen, sondern nur sicherungstechnische Empfehlungen abgegeben habe.
Es ist für jeden klar denkenden Menschen verständlich, dass die Polizei für eine Religionsgemeinschaft keinen Pförtnerdienst, Personenbegleitschutz, Fahrzeugbewachung usw. leisten darf, und für Bedienung von sicherungstechnischen Einrichtungen wie Alarm- und Videoüberwachung usw. ein entsprechendes Wachschutzpersonal benötigt wird.
Des Weiteren verkennt das MWFK bewusst, dass die Polizei für Religionsgemeinschaften oder Privatunternehmen keine internen Sicherheitskonzepte bestimmen kann und auf diesem Gebiet nur beratend tätig ist.
Unser Objekt in Potsdam hat die Polizei gemäß Leitfaden „Sicherungstechnische Empfehlungen zum Schutz von jüdischen Einrichtungen und Objekten“ geprüft und dabei festgestellt, dass im Objekt außer einer spärlichen Außenbeleuchtung und einer selbstinstallierten Einbruchalarmanlage keine weiteren Sicherungsmaßnahmen vorhanden sind. Empfohlen wurden weitere technische Sicherungen wie Tür – und Fensterumrüstung, Wertgelassbefestigung, Sichtschutzanbringung, Alarmanlagenachbesserung sowie Installierung einer Videosprechanlage. Bei Nichtumsetzbarkeit von materiell-technischen Maßnahmen hat die Polizei die beantragte Fördermaßnahme zur Installierung eines eigenen Wachdienstes unmissverständlich begrüßt.
Abgesehen davon, dass die Empfehlungen eher den Maßnahmen zur Einbruchs- und Diebstahlhemmung zuzuordnen sind und bei Mietverhältnissen nur mit Zustimmung des Eigentümers umsetzbar wären, lehnt das MWFK die Förderung auch dieser empfohlenen sicherungstechnischen Maßnahmen, mit denen aus Sicht des MWFK die Sicherheit der Outdoor-Veranstaltungen und Einrichtungen der Gesetzestreuen Jüdischen Landesgemeinde „hinreichend gewährleistet werden kann“, bereits im Voraus ab mit der Begründung, dass der Landesmitteleinsatz für die auf relativ kurze Zeit angemieteten Mieträume nicht sinnvoll sei.
Aufgrund der kontinuierlichen rechts- und verfassungswidrigen Verweigerungen und Kürzungen der Landesfördermittel kann die Gesetzestreue Landesgemeinde bereits seit ihrer Gründung nur kurzzeitige Mietverhältnisse eingehen und ist gezwungen, ständig – in Potsdam bereits zum 5. Mal – umzuziehen. Unter diesen Umständen bleibt die Förderung der empfohlenen – gegen einen Anschlag ohnehin unwirksamen – sicherungstechnischen Maßnahmen auch in Zukunft ausgeschlossen.
Das Land Brandenburg verhindert bereits seit 21 Jahren den Wiederaufbau des vernichteten Halberstädter Verbandes und vertreibt konsequent die gesetzestreuen jüdischen Familien. Aus diesem Grund verfügt die Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde immer noch über keine eigenen Gemeinderäume. Es gibt im Land Brandenburg auch keine für das Jüdische Leben notwendige Infrastruktur – keinen Kindergarten, keine jüdische Schule usw. Beruhend auf der langjährigen Erfahrung hat der Gemeindevorstand die gegenwärtigen Beteuerungen der regierenden politischen Parteien im Land Brandenburg, jüdische Einrichtungen und Juden schützen zu wollen, nicht ernst genommen. Die Antragstellung im Oktober 2019 erfolgte ohne jede Hoffnung, dass die Machthabenden ihre antisemitische Vertreibungspolitik aufgeben würden. Und wir haben uns nicht getäuscht! Die Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde soll im Land Brandenburg auch weiterhin ungeschützt bleiben!
Ganz anders sieht es im Land Brandenburg für den Erzfeind des Judentums – das sog. Reformjudentum – aus. Für das Abraham Geiger Kolleg und seine „Hochschulgemeinde Beth Hillel“ wird aus Landesmitteln eine eigene Synagoge in Potsdam gebaut und ein wirksamer Schutz gewährleistet. Medienberichten zufolge hat die Landesregierung Brandenburg vor kurzem dem Abraham Geiger Kolleg und seiner „Hochschulgemeinde Beth Hillel“ in Potsdam neben den sicherungstechnischen Maßnahmen die Landesfinanzierung eines Sicherheitsdienstes am neuen Sitz des Kollegs am Neuen Palais zugesichert.
Der Vorstand
Shimon Nebrat
Die Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde Brandenburg
Potsdam, Land Brandenburg
www.toratreu.de
vorstand@toratreu.de
Die im Jahr 1999 wiedergegründete Gesetzestreue Jüdische Landesgemeinde Brandenburg ist Funktionsnachfolgerin des vor der Machtübernahme der deutschen Faschisten auf dem Territorium des heutigen Landes Brandenburg existierten und von den deutschen Faschisten vernichteten Preußischen Landesverbandes Gesetzestreuer Synagogengemeinden KdöR („Halberstädter Verband“).
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