Man schrieb Samstag, den 6. Dezember 1941 und der „Duisburger General Anzeiger“ für das rheinisch-westfälische Industriegebiet und das westliche Münsterland titelte „Weitere sowjetische Schiffsverluste“ und dem Durchhaltewillen der Wehrmacht. Doch in dieser Ausgabe wollen wir uns einmal auf kleinere, doch nicht unwichtige Ereignisse widmen, die den tristen Alltag der „deutschen Volksgenossen“ beschreibt. So hieß es in der linken Spalte oben: Sechs Briten abgeschossen. Berlin, 5. Dezember: Ein Verband britischer Flugzeuge flog in den Nachmittagsstunden des Freitag in das nordwestfranzösische Küstengebiet ein. Hierbei verlor der Feind nach bisher vorliegenden Meldungen durch deutsche Jagd- und Flakabwehr sechs Flugzeuge. Eigene Flugzeugverluste sind bei den Luftkämpfen nicht eingetreten.
Und weiter titelt das Blatt: Fünf Sowjetpanzer vernichtet. Hervorragende kämpferische Leistung eines Unteroffiziers:
Berlin, 5. Dezember. Ungezählte deutsche Soldaten vollbringen täglich an allen Abschnitten der Ostfront hervorragende kämpferische Einzelleistungen. So zeichnete sich am 3. Dezember ein Unteroffizier einer pommerschen Panzerjägerabteilung besonders aus. Der Unteroffizier bildete mit seinem Geschütz das vorderste Widerstandsnest seiner Kompanie und war infolge dessen dem heftigsten Feuer der feindlichen Panzerkampfwagen ausgesetzt. Trotzdem jagten die Panzerjäger dieses Geschützes Granate auf Granate auf die bolschewistischen Panzer, die die Geschützstellung zeitweilig von allen Seiten eingeschlossen hatten. Als der Richtkanonier durch eine Verwundung ausgefallen war, trat der Unteroffizier an seine Stelle. Er setzte das Abwehrfeuer auch dann noch fort, als er nur noch der einzige Mann war, der das Geschütz bedienen konnte. Es gelang ihm trotz seiner erhaltenen Verwundung innerhalb kurzer Zeit fünf bolschewistische Panzerkampfwagen vernichtend zu treffen. Der tapfere Einsatz dieses Unteroffiziers brachte den feindlichen Angriff zum Stehen und zwang die Bolschewisten zum Zurückweichen.
Und weiter geht es auf der Titelseite mit dem Beitrag „Britische Soldaten als Falschmünzer.“
Ankara, 5. Dezember, von unserem Berichterstatter: Ein riesiger Falschgeld-Skandal, in den weite Kreise der britischen und australischen Besatzungstruppen in Palästina und Libanon verwickelt sind, wurde durch die zuständigen Polizeistellen aufgedeckt. Es wurde festgestellt, daß britische und australische Soldaten während eines Aufenthaltes in Griechenland zahlreiche türkische Banknoten an sich genommen hatten. Diese Banknoten entstammten der Sendung einer englischen Banknotendruckerei an die türkische Staatsbank, welche im Hafen von Pirarus an Bord eines Schiffes durch deutsche Bomben getroffen und auf dem Kai verstreut wurde. Diese Banknoten, die mittlerweile von der türkischen Staatsbank für ungültig erklärt bzw. gar nicht in Umlauf gebracht wurden, sind in großen Mengen durch britische und australische Militärs nach Palästina und dem Libanon gebracht und dort in den Verkehr eingeschmuggelt wurden.
Die „Schriftleitung“ – so nannte man im „Dritten Reich“ die „gleichgeschaltete“ Presse – musste auf Seite drei berichten: Montag gibt´s neue Lebensmittelkarten. Die Ausgabe der Lebensmittelkarten für die neue Zuteilungsperiode erfolgt im Stadtkreis Duisburg am Montag, 8. Dezember von 14 bis 17 Uhr, nicht wie bisher 15 bis 18 Uhr. Die Karten liegen für alle Volksgenossen in den bekannten Ausgabestellen bereit. Wer verhindert ist, selbst zu kommen, kann eine andere erwachsene Person mit dem Abholen beauftragen. Dabei ist zu beachten, daß die Karten nur gegen Vorlage des Ausweises ausgehändigt werden. Veränderungen im Hausstande müssen rechtzeitig den zuständigen Ausgabestellen zur Berechtigung des Ausweises angezeigt werden. Im übrigen verweisen wir auf die städtische Bekanntmachung im Anzeigenteil.
Kurios geht es weiter mit der Meldung „Es ging um die Blutwurst“ / Gesunder Ausgleich zwischen Verbraucher- und Herstellerinteressen: In einem zwei Verhandlungstage des Duisburger Amtsgerichts beanspruchenden Lebensmittelprozeß wurden mehrere interessante Fragen unserer kriegsernährungswirtschaftlichen Verhältnisdse erörtert. Der Tatbestand lag einfach: in einem Duisburger Fleischwarenladen war im Zuge der regelmäßigen Nahrungsmittelkontrollen eine Blutwurstprobe entnommen worden, in der sich ein Mehlzusatz von 14,7 Prozent befand. Eine daraufhin später entnommene zweite Probe wies einen Mehlzusatz von 7,8 Prozent auf. Da der zwischen dem Nahrungsmitteluntersuchungsamt und der Metzger-Innung vereinbarte Mehlzusatz höchstens 5 Prozent ausmachen darf, wurde eine Nahrungsmittelfälschung als vorliegend angenommen. Das Geschäft des Angeklagten besteht schon dreißig Jahre. Beanstandungen der Betriebsführung waren vorher nie erfolgt. (Es folgten die Aussagen mehrerer Gutachter, die hier aufzuzählen unnötig wären. Anm.d.Verf.) Dem Angeklagten musste zugestanden werden, daß die beanstandete Wurst an Stelle des üblichen Fettgehalts von 8 Prozent 15,3 Prozent Fett enthielt, daß die Käufer also eine wertvollere Ware erhielten, als sie an sich beanspruchen konnten. Mit dieser Feststellung entfiel jedes eigensüchtige Motiv in der Handlungsweise des Angeklagten. Der Mehlzusatz in der Blutwurst wurde von den Sachverständigen damit gerechtfertigt, daß er für das Braten der Wurst, die besonders in der minderbemittelten Bevölkerung üblich ist, als unentbehrlich angesehen werden muß, weil anderweitig die Wurst in der Pfanne zerfällt und unansehlich wird. Aus diesen Gründen war der Fleischer frei zu sprechen.
Und als letzte Meldung sprach man die „Verdunkelung“ an, die durchzuführen von 17.11 bis 5.28 Uhr war.
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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