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Die Deutschen im Zweiten Weltkrieg: Wende vor Moskau und das Leid der russischen Kriegsgefangenen in den Jahren 1941/42

Hitlers „Großdeutsche Wehrmacht“ hatte fast ganz Europa in seinen Blitzkriegen unterworfen; – mit Ausnahme von Großbritannien -, dessen Eroberung nicht gelungen war, stoppte die Rote Armee vor Moskau den deutschen Überfall. Am 2. Oktober des Jahres 1941 eröffnete die deutsche Heeresgruppe „Mitte“ die Offensive gegen Moskau mit dem Decknamen „Unternehmen Taifun“. Nach ersten Zwischenerfolgen verlangsamte der einsetzende Herbstregen den Angriff, der erst mit dem Einsetzen des Frostes wieder Fahrt aufnahm. Die deutschen Armeen waren in überheblicher Erwartung eines erneuten Blitzkrieges nur unzureichend mit Winterbekleidung und wintertauglicher Rüstungstechnik ausgestattet.

Deutsche Wehrmacht in Russland 1941. Foto: US-Archiv

Zwar gelang es einigen deutschen Verbänden, sich in den ersten Dezembertagen bis auf einige Dutzend Kilometer der russischen Metropole anzunähern, doch waren sie durch die hohen personellen und materiellen Verluste der vergangenen Monate in ihrer Kampfkraft signifikant geschwächt. Die am 5. Dezember einsetzende massive russische Gegenoffensive traf die deutsche Militärführung, welche die gegnerischen Streitkräfte schon mehrmals als besiegt bezeichnet hatten, vollkommen unerwartet. Das Scheitern der Offensive gegen Moskau und die Uneinigkeit über die weitere Strategie lösten auf deutscher Seite eine schwere Führungskrise aus. Hitler forderte „fanatischen Widerstand“ und verbot weitestgehend, den Rückzug anzutreten.

Die meisten deutschen Truppenführer sprachen sich jedoch gegen diesen „Halte-Befehl“ aus. Der Richtungsstreit endete mit der reihenweise Entlassung von Spitzenmilitärs, inklusive des überforderten Oberbefehlshabers des Heeres, Walther von Brauchitsch. Nachdem Adolf Hitler auch dessen Amt übernommen hatte – er sah hierin die Möglichkeit, das Heer „nationalsozialistisch zu erziehen“ – und er damit die direkte Verantwortung für die Operationen trug, erfolgten doch noch „taktische Absetzbewegungen.“

Die strategische Lage der Wehrmacht war fatal. Die Sowjetunion konnte nicht in einem „Blitzkrieg“ nieder gerungen werden, England nutzte die Verschnaufpause für den Wiederaufbau seiner Streitkräfte und mit der Kriegserklärung an die USA am 11. Dezember 1941 trat offen zutage, dass ein Krieg gegen mehrere Kontinente niemals gewonnen werden konnte. Bis zum Ende des Jahres 1941 hatten bereits etwa 200.000 deutsche Soldaten an der Ostfront ihr Leben lassen müssen, 620.000 waren verwundet worden. Diese immensen Verluste waren von Deutschland kaum zu kompensieren. Hitlers Größenwahn solte dazu führen, dass bis zum Jahre 1945 knapp 3,5 Millionen deutsche Soldaten an der Ostfront für „Führer, Volk und Vaterland“ in den Tod gingen.

Im Gegensatz zur Sterberate der sowjetischen Kriegsgefangenen lag jene der amerikanischen und englischen Kriegsgefangenen bei etwa einem Prozent. Die Gründe dafür waren: „Gezielte Vernichtung der slawischen Untermenschen“, menschenunwürdige Transporte, chronische Unterernährung, katastrophale medizinische Versorgung und Seuchen. Die Sowjets standen am untersten Ende der rassisch-ideologisch motivierten Gefangenenhierarchie. Zu essen bekamen sie Reste von den Resten; oder ein eigens präpariertes „Russenbrot“, das mit Sägemehl hergestellt wurde.

Von Mai bis Juli des Jahres 1941 verabschiedete das deutsche Oberkommando mehrere sogenannte „verbrecherische Befehle“. Diese vehementen Verstöße gegen die Grundsätze des Kriegsvölkerrechts machen eines besonders deutlich: Der Krieg gegen die UDSSR war von Beginn an ein „Weltanschauungskrieg“. Als Begründung schoben die Nazis vor, die Sowjetunion sei nicht Signatar der Genfer Konvention von 1929, denn die Wehrmachtssoldaten sollten dem Argument des rechtsfreien Raums bei der Behandlung von russischen Kriegsgefangenen glauben. Den Grundtenor bildeten die „Richtlinien für das Verhalten der Truppen in Russland“. Man forderte im Kampf gegen den „Todfeind des deutschen Volkes“ vor allem „rücksichtsloses und energisches Durchgreifen gegen bolschewistische Hetzer, Freischärler, Saboteure und vor allem Juden.“

Demnach war jede Form „aktiven oder passiven Widerstandes restlos zu beseitigen.“

Am 6. Juni 1941 folgte der „Kommissar-Befehl“. Hierin kommt die Beseitigung der elementarsten Regeln des Völkerrechts – Kriegsgefangene sollen mit Menschlichkeit behandelt werden – noch deutlicher zum Vorschein: Sowjetische politische Kommissare waren am Gefechtsfeld „sofort mit der Waffe zu erledigen!“ Denn sie galten als „Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden“. Um jede mögliche Lücke zu schließen, erließ der Chef der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes die beiden Einsatzbefehle Nummer acht und Nummer neun. Diese verlangten die Exekution – „Aussonderung“ – von „verdächtigen Personen“.

Dazu zählten vor allem Juden, fanatische Kommunisten, Politkommissare, Parteifunktionäre, Angehörige der Intelligenz und selbst führende Wirtschaftspersönlichkeiten. Im Reichsgebiet waren die „Ausgesonderten“ möglichst unauffällig in das nächstgelegene Konzentrationslager zu transportieren. Allein im KZ-Sachsenhausen wurden bis November 1941 rund 15.000 russische Kriegsgefangene erschossen! Viele von ihnen waren bis zu ihrem Tod vollkommen ahnungslos. Sie trugen einen Aufruf in der Tasche, sie mögen sich doch ergeben; – es würde ihnen in deutscher Gefangenschaft nichts geschehen. Vor dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion war ein Arbeitseinsatz von „Sowjetrussen“ nicht geplant gewesen.

Schließlich wollten die Nationalsozialisten keine „slawischen Untermenschen“ ins Reich holen beziehungsweise diese nicht gezielt am Leben erhalten. So stand nach dem Angriff auf die UDSSR zunächst die wirtschaftliche Belastung seitens der „unnützen Esser“ im Vordergrund. Diese Argumentation rechtfertigte die Absicht zur Vernichtung. Als Folge starb mehr als die Hälfte der rund 3,5 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen des Jahres 1941, davon allein 1,4 Millionen vor Anfang Dezember.

Auch im Stalag XVII Krems-Gneixendorf, dem größten Kriegsgefangenenlager in der „Ostmark“, war die Todesrate im Winter 1941/42 sehr hoch. Die eingetroffenen Sowjets waren abgemagert, viele litten an Ruhr. Im Dezember brach eine Fleckfieber- und Typhusepidemie aus. Das gesamte Areal wurde unter Quarantäne gestellt. Vier jüdische kriegsgefangene Franzosen kümmerten sich um die Kranken. Einer verlor in der Sylvester-Nacht sein Leben; – er hatte sich an einer Spritzennadel infiziert. Innerhalb eines Monates verstarben 700 russische Kriegsgefangene infolge der Epidemie. Ihre Leichen verbrachten die Nazis in Massengräber am Waldfriedhof. Erst langsam sollte sich die Lage bessern. Ausschlaggebend für die Wende im Denken der Nazi-Ideologen waren schließlich rein pragmatische Gründe: Man benötigte dringend Arbeitskräfte. Doch konnten im Februar des Jahres 1942 nur knapp elf Prozent zum „Russeneinsatz“ herangezogen werden. Die übrigen waren zu krank oder zu schwach. Mit August 1944 war ein Drittel der sowjetischen Gefangenen in die deutsche Kriegswirtschaft integriert. Das „Ausnutzen“ hatte bis zu einem gewissen Grad über die Vernichtungsabsicht des Nazi-Regimes gesiegt.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 09/02/2020. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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