Schon zu Beginn stellte Hitler die apodiktische Behauptung auf, „der Jude ist schuld“ und benutzte das für Deutschland unglückliche und jedermann gegenwärtige Ende des Ersten Weltkrieges, die harten Bedingungen des Vertrages von Versailles und die unmittelbaren Nachkriegsfolgen als Vehikel für seine programmatischen Theorien. Die Feststellung, dass der Parlamentarismus die Nation versklave und Deutschland eine Kolonie zu werden drohte, musste die Emotionen, die er stets meisterhaft auszusprechen verstand, ebenso auslösen und die Bereitschaft der Anhänger zum Engagement herauszufordern. Binsenweisheiten und Allgemeinplätze wurden mit Selbstverständlichkeiten verknüpft und als „Einführung“ in eine Denkweise benutzt, die als alles andere als gesetzmäßig bezeichnet werden musste.
So zwang zum Beispiel das, was er als Exponent einer politischen „Bewegung“, die sich erst seit dem Jahre 1924 an den Wahlen beteiligte, als Stichwörter für Ausführungen über Innenpolitik formuliert, keineswegs zu der unausweichlichen Konsequenz, dass „Parteipolitik immer volksschädlich“ sein müsste. Und genau so unsinnig war seine Behauptung, „dass sich Deutschland nicht wieder erheben“ könne, weil „die Moral des ganzen Volkes von Schiebern und Wucherern nicht nur nach jüdischem Vorbild, sondern auch unter jüdischer Regie untergraben werde und schließlich verloren gegangen ist.“
Während Hitler sich noch im September des Jahres 1919 noch darauf beschränkt hatte, von einer „nichtdeutschen fremden Rasse“ zu reden, „die zwischen uns lebe“, ging er wenig später so weit, von einem „jüdischen Staat“ im Staat zu reden und zu behaupten, „dass der Jude nie einen eigenen Staat“ gehabt hat. Die Tatsache zum Beispiel, dass Saul im elften Jahrhundert vor der Zeitrechnung der erste vom Volk berufene König war und die seit Josuas gespaltenen zwölf israelischen Stämme wieder vereinigte und König David das Großreich Israel begründete, das mit Jerusalem als Mittelpunkt ganz Palästina umfasste, klammerte er wider besseres Wissen aus seinem ideologisch verbrämten Gesichtskreis aus, weil sie ihm nicht ins Bild passte.
Adolf Hitlers Behauptung, dass die Juden „nicht selbst arbeiten würden“, ist absurd. Bereits die im Alten Testament erwähnten Juden besaßen ein Arbeitsethos, das in der alten Geschichte ohne Beispiel ist. Schon die Theologie der Rabbiner hebt ausdrücklich hervor, dass sich der Mensch mühen und mit den Händen arbeiten müsse, damit G-tt seinen Segen spende. Melaka, die hebräische Bezeichnung für Handwerk, meinte eine konkrete Aufgabe, die der Mensch im Auftrage G-ttes und seines Heilplanes erfüllen müsste. Adolf Hitler, der sich zurzeit mit der Niederschrift seiner Notizen besonders mit dem Alten Testament beschäftigte und zu der Zeit auch bereits den Marxismus zu kennen behauptete, wusste nicht oder leugnete zu wissen, dass es weder im alten Judentum noch im Geschichtsbild von Karl Marx für den durch den Kommunismus erneuerten, „wirklichen“ Menschen eine Differenzierung zwischen geistiger und körperlicher Arbeit gibt, was er selbst auch für verwirklichungswert hielt.
In „Mein Kampf“ ging Hitler auch in dieser Hinsicht über seine Vorstellungen aus der Zeit bis 1921 hinaus: „Wären die Juden in dieser Welt allein“, behauptete er dort, „würden sie ebensosehr in Schmutz und Unrat ersticken wie im hasserfüllten Kampf sich gegenseitig auszurotten versuchen..!“ Dass die von ihm seit dem Jahre 1919 ununterbrochen beschuldigten Juden sich altersher infolge ihres Glaubens nicht nur zur konsequenten Arbeit, sondern ebenso streng auch zur Nächstenliebe verpflichtet sind, verkehrte Hitler ins Gegenteil, obgleich er ohne jeden Zeifel wusste, dass es in der von gläubigen Juden bestimmten Arbeits- und Erlebniswelt niemals Verhältnisse gegeben hat,, wie sie in der Antike im Zusammenhang mit der Ausnutzung von Mitmenschen herrschten. Hitler interpretierte den „Klassenkampf“ als Folge der Existenz des Judentums, das er beschuldigte, die Demokratie zu „bringen“ und sich des Klassenkampfes zur „letzten Zerreißung des Volkes“ zu bedienen, um seine angebliche Macht als „Staat“ im Staate leichter nutzen zu können.
Wie weit Adolf Hitler noch von dem Konzept entfernt war, das er in „Mein Kampf“ formulierte, lässt die vorletzte Notizseite besonders deutlich werden. Zwar erscheinen als Stichwörter und Denkanstöße „Das russische Leichenhaus“, „Abschlachten der geistigen Führung eines Volkes“ und der Gegensatz von „Jude und Germane“, doch die in „Mein Kampf“ entwickelten Konsequenzen waren in seinen Notizen noch nicht einmal zu ahnen. Dass Hitlers Antisemitismus im Chor der Antisemiten und Judenhasser deutscher Zunge in jenen Tagen noch synchron klang, erschien als eine Tatsache, die auch die von ihm seit dem Jahre 1919 ununterbrochen propagierte Forderung „Juden aus Deutschland hinaus“, nicht widerlegt.
Fortsetzung folgt in einer der nächsten Ausgaben der Israel Nachrichten.
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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