Wer in der Geschichte der frühen Menschheit das Pech hatte, sich einen Knochen zu brechen, war zumindest bis zur vollständigen Heilung auf die Hilfe eines anderen Menschen aus dem eigenen Stamm angewiesen. Dass es diese Heilungen gab, belegen fossile Funde aus der mittleren Altsteinzeit (300.000 – 200.000 BCE). Wer beim Weiterziehen zurückgelassen werden musste, hatte in der Regel kaum eine Chance, zu überleben. Gleiches galt für verkrüppelte Menschen. Und das galt vor allem für Kinder, die ihre Eltern verloren hatten. Sie mussten überleben, um das Weiterbestehen des Stammes zu sichern.
Das Weiterbestehen des Stammes oder auch des ganzen Volkes zu sichern war ab der Neusteinzeit (etwa ab 9.500 BCE) Aufgabe der Hebammen. Bereits in Exodus 1;14 ff steht zu lesen: «Zu den hebräischen Hebammen – die eine hieß Schifra, die andere Pua – sagte der König von Ägypten: Wenn ihr den Hebräerinnen Geburtshilfe leistet, dann achtet auf das Geschlecht! Ist es ein Knabe, so lasst ihn sterben! Ist es ein Mädchen, dann kann es am Leben bleiben. Die Hebammen aber fürchteten Gott und taten nicht, was ihnen der König von Ägypten gesagt hatte, sondern ließen die Kinder am Leben. Da rief der König von Ägypten die Hebammen zu sich und sagte zu ihnen: Warum tut ihr das und lasst die Kinder am Leben? Die Hebammen antworteten dem Pharao: Bei den hebräischen Frauen ist es nicht wie bei den Ägypterinnen, sondern wie bei den Tieren: Wenn die Hebamme zu ihnen kommt, haben sie schon geboren. Gott verhalf den Hebammen zu Glück; das Volk aber vermehrte sich weiter und wurde sehr stark.» Wäre Gott uns nicht wohlgesonnen gewesen, so hätte Moses den Tötungswahn der Ägypter nicht überlebt!
Die belegbare Geschichte der Heilkunde beginnt unmittelbar mit dem Entstehen von Schrift und Schriftzeugnissen. Auf der Stele des Hammurabi (um 1.750 BCE) findet sich der Vorläufer eines Gesetzeskodex. Damals verstand man Krankheit oft als durch Dämonen verursacht.
Heilung war weniger von gesundheitlicher, als von ritueller Bedeutung. Die mythenbeladene Antike brachte das Halb-Mensch/Halb-Gott Wesen hervor, dessen Name sich heute noch im Symbol der Ärzte findet, Asklepios, besser bekannt als Äskulap. Bis in die Neuzeit hinein galten die Säftelehre des Hippokrates und die Temperamentenlehre von Galen (um 200 CE) als Standardkonzept der «modernen» Medizin. Ab dem späten Mittelalter durften die angehenden Ärzte ganz offiziell ihre Erkenntnisse bei Sektionen von menschlichen Körpern vertiefen. Niemand war mehr gezwungen, den Seziertisch abzusenken und den kirchlichen Wächtern statt dem menschlichen Körper meist ein sezierbereites Schwein zu präsentieren.
Spätestens zu dem Zeitpunkt, als Krankenhäuser, die für die damalige Zeit modern genannt werden durften, die Siechenhäuser ablösten, setzte ein neues Verständnis für die Krankenpflege ein. Im antiken Griechenland war die Pflege Sache der Männer. Das alte Rom unterscheid zwischen öffentlicher Pflege, die zumeist Sklaven oblag und häuslicher Pflege, die den Frauen oblag. Während im frühen Christentum ebenfalls überwiegend Männer die Pflegeaufgaben übernahmen, gründete die erste bekannte moslemische Pflegerin, Koaiba Bint Saad Al Asla Miya (624 CE), sogar eine Krankenpflegeschule, in der besonderer Wert auf Kenntnisse der Medizin und der Hygiene gelegt wurde. Von ihr stammen auch die ersten theoretischen Grundlagen für Pflegeberufe.
Erst das 19. Jahrhundert brachte neue und bahnbrechende Forschungsergebnisse. Das medizinische Wissen und damit auch die Heilungschancen verbesserten sich nahezu täglich. Die Zeit war bereit für moderne Pflegeberufe. Einerseits wurde die Pflege von unterprivilegierten Männern und Frauen ohne nennenswerte Bildung übernommen, deren Berufsbezeichnung Krankenwärter*in war. Zum anderen hatten sich auch einige christliche Orden der Krankenpflege verschrieben. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gründete Pastor Theodor Fliedner die «Bildungsanstalt für evangelische Pflegerinnen». Dies waren ledige Frauen, die fortan und teilweise bis heute ihren Dienst als Diakonissinnen ausüben. Florence Nightingale, eine englische Pflegerin verfasste das erste moderne Pflegekonzept, Henry Dunant, der Gründer des Rotes Kreuzes und Rudolf Virchow, leidenschaftlicher Vertreter von hygienischen Standards als medizinischer Prophylaxe, legten die Grundlagen für die Neuzeit.
Sie stellen die Basis dar, die Minimalanforderungen, die für jeden Krankenpfleger einhaltbar sein sollten. Und die auf der Basis neuer Erkenntnisse und neuer Techniken immer wieder verbessert werden müssten. Dass das nur ein Wunschgedanke ist, ist klar. Es gibt Gebiete, die Probleme mit der notwendigen Infrastruktur haben. Dabei wäre es oft so einfach, zu helfen.
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Gruppe von Pflegern aus Gaza, sowie aus Judäa und Samaria, sich auf den Weg ins Sheba Medical Center in Ramat Gan macht. Hinter ihnen liegt ein komplizierter Weg durch die Administrationen, verwaltet von PA und Hamas einerseits und Israel andererseits. Doch schlussendlich konnten alle kommen und an einem weiteren Kurs teilnehmen, der ihre beruflichen Fähigkeiten vertiefen und ihre berufliche Selbstsicherheit im Umgang mit Patienten verbessern soll.
An einem Dummie üben sie, Sauerstoffmasken anzulegen, ein Messgerät zur Sauerstoffsättigung am Finger anzubringen und den lebensrettenden Defibrator zu bedienen. Ist der «Herztote» wieder zum Leben erweckt, so muss er stabilisiert werden. Die Kommunikation untereinander und mit den israelischen Kollegen verläuft in Englisch. Geht hier, in der geschützten Umgebung einmal etwas daneben, so ist das kein Problem, jeder Fehler kann korrigiert und dann neu eintrainiert werden.
Die Dummies, die im Sheba Israel Center for Medical Simulation (MSR) bereitstehen, können für alle im Pflegebereich anfallenden Aufgaben eingesetzt werden. Das MSR bietet seit Jahren schon Weiterbildungskurse für palästinensische Sanitäter, Ärzte und Fahrer von Ambulanzen an. Frauen sind in diesen Kursen in der Minderheit. Ihnen werden leider immer wieder die notwendigen Ausreisebewilligungen versagt.
Es wird auch trainiert, wie Pflegemitarbeiter mit Angehörigen von Patienten umgehen sollen. Wie sie auf Beschwerden reagieren, wie sie es aber auch lernen, schlechte Nachrichten zu überbringen. Psychohygiene für sie und die Patienten.
Die Kosten für die Kurse werden von der sehr kritisch zu betrachtenden NGO «Ärzte für Menschenrechte – Israel» übernommen. NGO Monitoring beschreibt sie so: «Hinter der Maske von medizinischer Erfahrung und wissenschaftlichen Fakten fördert PHR-IL verzerrte und falsche Narrative, die darauf abzielen, IL auf internationaler Ebene zu dämonisieren und zu delegitimieren.»
In der Eigendefinition heisst es: « PHR-IL steht ganz vorne im Kampf für die Menschenrechte- insbesondere dem Recht auf Gesundheit – in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten (!). PHR-IL arbeitet daran, eine gerechte Gesellschaft zu fördern, in der das Recht auf Gesundheit gleichermassen für alle Menschen gilt, die unter der israelischen Verantwortung leben.»
So hat u. a. die Hilti Foundation in den Jahren 2017 und 2018 etwa 1.5 Millionen NIS an PHR-IL gespendet, um mit einer mobilen Klinik die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung in «Gaza und den besetzten Gebieten» sicher zu stellen und vor Ort regionalen Ärzten eine adäquate Weiterbildung zu ermöglichen.
Über diese mobilen Kliniken etwas im Internet zu finden, ist nahezu unmöglich, es sei denn, man spricht von zwei völlig unterschiedlichen Dingen. Zum einem gibt es tatsächlich die entsprechend umgebauten Kleinbusse, die von PHR-IL in die entsprechenden Gebiete geschickt werden, um dort, und auch das ist ungeheuer wichtig, vor Ort Menschen medizinisch zu betreuen. Von Ausbildung spricht man hier nicht.
Zum anderen gibt es da aber die zweite Art von mobilen Kliniken. Es sind die vom MSR ausgestatteten und betreuten Ausbildungskliniken, die vor allem im Norden Israels zum Einsatz kommen, der medizinisch noch nicht zu 100% abgedeckt ist. Allerdings werden für dieses Projekt völlig andere Spender genannt.
Da bleiben doch einige Fragen offen. Ob der Hilti Stiftungsrat schon einmal darüber nachgedacht hat? Oder gar schon einmal vor Ort war?
Schaut man die anderen Spender an, so muss man einfach in’s Grübeln kommen. Um sie hier nur taxativ aufzuführen: New Israel Fond (NIF), Brot für die Welt, UNHCR, Diakonie, Medico International, Church of Scotland, Christian Aid, HEKS und nicht zu vergessen die Schweiz, Grossbritannien und Deutschland als unkritische Dauerspender. Sie alle haben einen weit offenen Säckel, wenn es darum geht, etwas Gutes für die Palästinenser zu tun und Israel wieder einmal ins’ Eck zu stellen.
Aber ich möchte wieder zurückkommen auf das eigentliche Thema und die tolle Arbeit von MSR.
Amital Ziv, Gründer und Chef des MSR war Kampfpilot bei der IDF, bevor er sich seinem eigentlichen Beruf als Mediziner zuwandte. Er sieht das Programm nicht nur als Chance, die palästinensischen Kollegen zu unterstützen, sondern auch als einen Weg, eine belastbare Brücke zwischen Israelis und Palästinensern zu bauen. «Sie sollen sich nicht nur in Krisen- und Kampfgebieten treffen, sondern auch wenn es um Weiterbildung im medizinischen Bereich geht. Professionelle Verbindungen zwischen Menschen können Vertrauen und Empathie schaffen.»
Der Unterschied zwischen dem palästinensischen und dem israelischen Gesundheitssektor ist gross. Seit die PA angekündigt hat, keinerlei medizinische Versorgung ihrer Bürger in Israel mehr zahlen zu wollen, ist die Zahl der Betreuten in israelischen Krankenhäusern deutlich zurückgegangen. Trotzdem werden weiterhin chronisch Kranke in Israel behandelt. Offiziellen Zahlen zur Folge werden allein im Sheba Krankenhaus im Jahr durchschnittlich 15.000 Palästinenser behandelt.
Einen Teil von ihnen wird man vielleicht in naher Zukunft in einem eigenen Hospital behandeln können.
Von Esther Scheiner
Esther Scheiner ist Journalistin und Redakteurin der Israel Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Israel und der Schweiz.
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