Es ist früher Morgen und die Uhr zeigt 04.15 Uhr, und in den Dörfern und Weilern westlich von Aberdeen entfaltet sich eine erstaunliche Aktivität. Im Osten beginnt der Himmel sich gerade aufzuhellen, obgleich es bewölkt ist und leichter Regen vom Himmel fällt. In vielen Häusern brennen bereits die Lampen und der Kaffee oder Tee steht auf dem Tisch. Langsam, einer nach dem anderen, steigen Männer in dunklen Uniformen in ihre Kraftfahrzeuge und machen sich auf dem Weg zur Arbeit. Noch bevor es richtig Tag wird, werden sie bereits Richtung Nordsee zu den Ölplattformen fliegen, unter Wetterbedingungen, die so ziemlich die schlechtesten dieser Erde sind.
Der Betriebsstützpunkt der Firma Bristow am Dyce Airport in Aberdeen versorgt einen Teil der Nordsee, der sich vom Magnusfeld im Norden bis nach Argyll im Süden ausdehnt. Mit durchschnittlich 55 Flügen pro Tag werden Ausrüstung und Mitarbeiter von und zu den Ölplattformen und Forschungsschiffen geflogen, die sich mehrere hundert Fuß über der tückischen Nordsee befinden. Die Piloten der Bristow-Helikopter beschreiben, wie ihre Einsätze ablaufen, und mit welchen unterschiedlichen Bedingungen sie zurecht kommen müssen.
Eine Crew berichtet: „Unser Arbeitstag beginnt an vier von sechs Tagen gegen viertel vor sechs am Morgen. Da Nachtflüge von Dyce aus nicht erlaubt sind, beschränkt sich der Betrieb pro Luftfahrtzeug auf lediglich zwei 500 Meilen lange – oder längere – Einsätze pro Tag zu den Ölfeldern; – und das auch nur bei einem frühen Start. Das heißt zwar nicht, dass wir nur bei Tageslicht fliegen, denn so weit im Norden sind die Tage während des Sommers zwar sehr lang, im winter dauern sie dafür nur wenige Stunden. Jeder von uns übernimmt einen dieser langen Flüge. Während gegen halb zwei die Frühschicht bereits auf dem Heimweg ist, tritt die zweite Schicht ihren Dienst an. Die Anzahl unserer Flugstunden ist streng geregelt – entweder dreißig Stunden an drei aufeinanderfolgenden Arbeitstagen, oder 100 Stunden an 28 Tagen, oder 900 Stunden in zwölf Kalendermonaten. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass niemand sich überarbeiten kann. Zudem wird darauf geachtet, dass über unsere Gesundheit und Arbeitsleistung Buch geführt wird, einschließlich medizinischer Untersuchungen, Check-Flügen und Tests im sechsmonatigen Abstand. Alle Ausbildungspiloten der Firma Bristow sind autorisierte CAA-Kontrollpiloten und nehmen periodisch die Aufgaben der Regierungsinspektoren wahr. Die für uns unangenehmste Prüfung ist die Übung mit dem Schlauchboot. Sie ist alle drei Jahre fällig und wird inzwischen im Wellentank in Aberdeen statt in der offenen See abgehalten. Wenn man jedoch mittendrin steckt, macht das kaum einen Unterschied! Wir müssen die Evakuierung eines im Wasser auf dem Dach liegenden Hubschraubers bei Tag und Nacht simulieren. Bei der Startvorbereitung zu Beginn eines Arbeitstages gelten unsere Gedanken meist dem Wetter. In diesen Bereichen kann es so wechselhaft sein, dass selbst die besten Wettervorhersagen wie ein schlechter Scherz erscheinen. Das Wetter ist bei der Planung des Einsatzes der wichtigste Einzelfaktor. Die Firma Bristow unterhält aufgrund langfristiger Kundenverträge einen regulären Flugbetrieb, führt aber auch kurzfristige Charteraufträge durch. Bei diesen Charterflügen stellen wir normalerweise einem Kunden – meistens einer Ölgesellschaft – eine Maschine zur Verfügung. Der Kunde gibt dabei Zeit, Ziel und die erforderliche Nutzlast an, aber aufgrund der unterschiedlichen Bedingungen in der Nordsee obliegt uns die letzte Entscheidung über Flugplanung und zur Verfügung stehende Nutzlastkapazität. Auf jedem Flug müssen wir ausreichend Treibstoff mitführen, um sowohl unser Ziel als auch einen Ausweichplatz anfliegen zu können. Deshalb gehört der Vorrat an Treibstoff zu den wichtigsten Faktoren bei der Ausarbeitung der Ladekapazität der Maschine. Die Menge des Treibstoffs richtet sich nach der Entfernung zum Ziel sowie der Entfernung von dort zu einem alternativen Landeplatz, entweder an Land oder außerhalb der Küste. Dabei müssen aber auch andere Faktoren, wie zum Beispiel Gegenwind, berücksichtigt werden. Nach Abzug des so erreichten Treibstoffvorrats von dem maximalen Zuladegewicht ergibt sich die sogenannte <Kundenlast>. Dem Kunden wird der Transport auf der Basis dieser Berechnungen angeboten, und es obliegt dann seinem Lademeister, zu entscheiden, wie die Fracht aufgeteilt wird. Der dritte Faktor, der unsere Aufmerksamkeit vor dem Start verlangt, ist der Zustand der Maschine. Ein Teil dieser Kontrollen wird schriftlich erledigt, so zum Beispiel die Kontrolle, ob alle Wartungen vorgenommen wurden, notwendige Reparaturen ausgeführt wurden und vieles mehr. Der zweite Teil des Checks ist eine Sichtkontrolle. Unabhängig von den sorgfältigen Wartungskontrollen, die während der Nacht von den Ingenieuren ausgeführt wurden, überzeugt sich die Besatzung beim sogenannten <walk around> vor dem Abflug noch einmal selbst vom Zustand der Maschine. Auch die Passagiere werden einer sorgfältigen Sicherheitskontrolle unterzogen – alles, jede Person, jede Tasche werden sorgfältig überprüft. Ölplattformen gehören zu den am stärksten durch Terroristen gefährdeten Objekten. Bevor die Passagiere an Bord gehen, werden sie mit Schwimmwesten ausgestattet und umfassend über die Sicherheitsbestimmungen informiert. In einem Flughafen, der zu bestimmten Tageszeiten zu den am stärksten frequentierten Airports der Erde gehört, sind die Möglichkeiten zum Start begrenzt. Damit wir auch bei starkem Flugverkehr unsere Helikopter-Starts durchführen können, wird der Besatzung vorher eine Anlasszeit zugeteilt. Fällt das Tagesdatum auf eine gerade Zahl, wird die Maschine zwei zuerst gestartet. An ungeraden Tagen ist Maschine eins zuerst an der Reihe. Wenn die Passagiere die Maschine besteigen, sind die Rollkontrollen abgeschlossen, alle Systeme befinden sich jetzt im normalen Betriebszustand. Die Besatzung führt dann die notwendigen Checks vor dem Start aus, zu denen auch eine kurze Information der Passagiere durch den Captain gehört. Der Captain unterrichtet dann den ersten Offizier, der diese Unterrichtung bestätigt, und der Tower gibt die Genehmigung, auf die Startbahn 17 oder 35 zu rollen. Sobald die Maschine ihre Startposition erreicht hat, gibt der Tower die Erlaubnis zum Start. Bei über dreißig Flügen pro Stunde und sich ständig ändernden Wetterbedingungen gilt es, keine Zeit zu verlieren. Normalerweise heben wir die Maschine ab, gehen auf eine Höhe von fünfzehn Fuß über dem Boden und schweben dort einen Moment. Das erlaubt uns, alles noch einmal zu überprüfen und sicherzustellen, dass die Triebwerke den vorgesehenen Schub liefern. Danach steigen wir mit der Maschine auf 3.000 Fuß Höhe – dies ist die normale Abflughöhe, wenn wir Aberdeen verlassen – und suchen uns die richtige Luftstraße. Bei den Flügen zum Shetland-Basin-Feld wechselt die Radarkontrolle zunächst vom Dyce-Tower an Aberdeen-Radar, das uns während der nächsten vierzig Meilen überwacht. Danach übernimmt ein weitreichendes Zivil-Radar, das Highland, für die folgenden fünfzig bis sechzig Meilen die Kontrolle. Zum Schluss werden wir vom Sumburgh-Radar an der südlichen Spitze der Shetland-Inseln kontrolliert. Im Normalfall unterbrechen wir unsere Flüge nicht. Lediglich bei Störungen im Betrieb oder bei plötzlich durch starken Gegenwind auftretender Knappheit an Treibstoff landen wir gelegentlich in Sumburgh. 180 Meilen außerhalb Aberdeens übernimmt uns das Shetland-Military-Radar bis zum Bestimmungsort. So sind wir zu keiner Zeit außerhalb der Kontrolle der Flugsicherung. An- und Abflugzonen an Bohrinseln werden sehr sorgfältig überwacht – sie bestehen aus einer 3-Grad-Zone und 500 Fuß Höhenunterschied zwischen an- und abfliegenden Maschinen. Das Luftverkehrs-Kontrollsystem ist in der Tat sehr gut – es vermittelt uns das Gefühl von Sicherheit. Das gleiche kann auch von den Maschinen selbst gesagt werden. Der Tiger ist für die Nordsee eine ausgezeichnete Maschine. Leistungsmäßig bringt er genau das, was wir brauchen. Im Vergleich zu anderen Transporthubschraubern fliegt sich der Tiger wirklich leicht, das ist ein Unterschied wie zwischen einem Lieferwagen und einem Sportwagen. Das Schweben und das Fliegen bei starkem Wind stellen sehr oft kein Problem dar. Manchmal müssen wir jedoch Flüge absagen – nicht, weil der Hubschrauber die Wetterbedingungen nicht meistern könnte, sondern weil wir befürchten, dass unsere Passagiere durch den aufgezogenen Sturm von der Hubschrauber-Plattform gefegt werden könnten. Aber am gefährlichsten ist für und die Vereisung, denn sie ist für Hubschrauber genau so schlimm wie für Flugzeuge. Während sich das Eis bildet, verändert es die Form der aerodynamischen Oberflächen, und plötzlich hat der Helikopter keinen Auftrieb mehr. Insgesamt gesehen, ist der Job nicht so gefährlich, aber aufregend. Es gibt immer Abwechslung, man muss nicht Tag für Tag dasselbe tun.“
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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