Heute veröffentlichte die OECD die Ergebnisse der PISA 2018 Studie. Darin wird alle drei Jahre die Entwicklung von Bildung und Erziehung in Schulen bei 15-Jährigen untersucht. Überprüft wird, inwieweit sie die wesentlichen Kenntnisse und Kompetenzen erworben haben, die eine volle wirtschaftliche und gesellschaftliche Integration ermöglichen. Grundsätzlich beziehen sich die Daten auf Schüler am Ende der Schulpflicht, es werden aber zusätzlich auch Schüler von weiterführenden Schulen befragt. Neben den erworbenen Kenntnissen und Kompetenzen soll auch herausgefunden werden, in wieweit diese auch ausserhalb der Schule und in bisher ungewohnten Umgebungen angewendet werden können. Hier sind alle Publikationen zur PISA Studie, einige davon nur in Englisch.
Die Ergebnisse sollen auch als Basis für politische Entscheidungen gelten, wo und wie im Bildungssektor Verbesserungen notwendig sind. Teilnehmer der Studie waren alle 37 OECD Staaten und 42 Partnerländer.
Die Datenerhebung fand in den Bereichen Lesekompetenz, Mathematik und Naturwissenschaften statt.
Klassenbeste sind die vier chinesischen Provinzen: Peking, Shanghai, Jiangsu und Zhejiang, (PSJZ) die in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften deutlich besser als alle anderen abschnitten. Diese vier Regionen wurden ausgewählt, weil jede in etwa so gross wie ein typischer OECD Staat ist. Insgesamt leben dort 180 Millionen Menschen. Das Einkommensniveau ist deutlich niedriger, als im OECD Durchschnitt.
Es ist hinreichend belegt, dass die wirtschaftliche Prognose für eine derzeit noch schwache Region von einer höheren Bildung positiv beeinflusst wird. Für den Wirtschaftsstandort China eine durchaus erfreuliche Erkenntnis.
Die um mehr als 15% gestiegenen Ausgaben innerhalb der OECD im primären und sekundären Bildungsbereich haben offensichtlich seit der ersten PISA Erhebung im Jahr 2000 nicht zu einer Verbesserung der Kompetenzen geführt. Nur sieben der getesteten Staaten, darunter als einziges OECD Land Portugal, wiesen durchwegs Verbesserungen auf. Kein gutes Zeichen.
Seit der ersten PISA Studie hat sich für die Schüler viel geändert. Das Internet stellt heute eine Flut von Daten und Informationen zur Verfügung. Jeder kann schnell und umfassend nach nahezu jedem Thema suchen.
Allein die Frage „Wie lange dauerte der Hundertjährige Krieg?“ bringt 1,65 Millionen Ergebnisse in 0,54 Sekunden. Möchte man eine Hilfestellung bei der Konjugation des französischen Verbes „travailler“ haben, werden 1,06 Millionen Seiten angeboten. Schüler gehen davon aus, dass die gesuchten Informationen korrekt sind. Was aber ist mit den „Fake News“, also den Informationen, die auf Grund schlechter Recherche veröffentlicht werden, oder in manipulativer Absicht gezielt erscheinen. Dies meist in den sogenannten „social media“ – den Lieblingsmedien von Jugendlichen.
Es kann also nicht mehr nur darum gehen, einen Text zu erfassen, sondern sich diesem auch kritisch zu nähern, auf den Wahrheitsgehalt und die Seriosität hin zu überprüfen und entsprechend einzuordnen. Oder, um es vereinfacht zu sagen, zu unterscheiden, ob es sich um eine Tatsache oder eine Meinung handelt. In den OECD Ländern schafften das weniger als 10%. In den vier PSJZ Provinzen und Singapur waren es immerhin 14,28%.
Die zweite bedeutende Veränderung in der Kommunikation kam mit den, von Jugendlichen heiss geliebten, Smartphones. Die digitalisierte Unterhaltung verläuft auf einer sprachlichen Sparflamme. Lernten wir doch, dass ein Satz immer, ob mündlich oder schriftlich formuliert, die sprachlichen Elemente Subjekt, Prädikat, Objekt enthält. Heute gilt das nicht mehr. Beispielsweise: «Ich gehe ins Büro.» oder «Ich bin noch im Büro.» verkürzt man gerne zu «Ich Büro.» Oder die Frage, wer was zu einer Party mitbringen soll wird knapp mit «Soll ich Salate?» beantwortet. Was früher die Kiez- oder Migrantensprache war, wird heute gesellschaftsfähig. Bei Jugendlichen als Abgrenzung zur Welt der Erwachsenen ist das in Ordnung. Aber was wird später? Wenn die heute 15-Jährigen bereits einige Jahre im Berufsleben stehen?
PISA 2018 trug der immer stärker vernetzten Wirtschaftswelt Rechnung und legte einen Schwerpunkt auf den Bereich „Globale Kompetenz“. China, das bereits mit den Ergebnissen von PISA bewiesen hat, dass es sich sehr gut auf die Zukunft vorbereitet, plant bis 2030 von der bisher zweitgrössten zur dann grössten Marktwirtschaft aufzusteigen. Die entsprechende Infrastruktur entsteht bereits. China verfügt schon jetzt über unglaublich viele Startup und Digital Investment Unternehmen. Auch die USA sind für die digitale Zukunft gut aufgestellt. Auch hier fliessen nahezu unendlich hohe Beträge in den Bereich der Erforschung und Umsetzung der künstlichen Intelligenz (KI). Und Europa? Ist weit abgeschlagen.
Um möglichst gerechte und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, wurde die Zuteilung der Aufgaben entsprechend dem Ergebnis des ersten Tests zugeteilt. Je schwächer das Ergebnis war, desto einfacher waren die Folgeaufgaben und umgekehrt.
Hier ein paar Vergleichswerte (alle in alphabetischer Reihenfolge) der OECD Länder.
Warum hat Israel im internationalen Vergleich so schlecht abgeschnitten? Klare Gründe gibt es nicht. Als eine der vordringlichsten Aufgaben der kommenden Regierung steht es sich dieser untragbaren Situation anzunehmen und schnellstmöglich für eine nachhaltige Verbesserung zu sorgen.
Es ist klar erkennbar, dass der Unterschied zwischen Hebräisch und Arabisch sprechenden Schülern signifikant ist, und sich gegenüber 2015 sogar noch verschlechtert hat. Als erste Reaktion verkündete der noch amtierende Erziehungsminister Rafi Peretz: «Die Ergebnisse zeigen, dass die Unterschiede zwischen Schülern von höheren und tieferen sozioökonomischen Hintergründen grösser geworden sind. Das ist unakzeptabel. Die Ergebnisse, die sich in den arabischen Gemeinden präsentiert haben, erfordern eine genaue Untersuchung.» Er kündigte die Bildung einer Arbeitsgruppe an, die einen detaillierten Plan erarbeiten wird, um die Bereiche Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften zu fördern. Insgesamt lagen die Ergebnisse zwischen den Arabisch und Hebräisch sprechenden Schülern im Bereich Lesekompetenz bei 144 Punkten, bei 111 in der Mathematik und bei 116 in den Naturwissenschaften auseinander.
Die Ergebnisse riefen natürlich heftige Kritiken bei den arabischen Politikern hervor. MK Ahmad Tibi sprachen von «…einem Versagen des Erziehungsministeriums die Arabische Gesellschaft in die Israelische zu integrieren.» Benny Gantz hielt fest: “Wir werden keine Situation zulassen, in der Israel ganz weit oben steht, wenn es darum geht, Ungleichheiten in der Ausbildung zu schaffen. Israel sollte ein Vorbild sein. Die PISA Studie zeigt Verschlechterungen in den meisten Themen, und mehr als das, es zeigt, dass die Bildungsschere sich noch mehr geöffnet hat. Wir müssen innehalten, eine neue Richtung bestimmten und ein einheitliches Programm erarbeiten und auf den Weg bringen, das gleiche Chancen für alle sicherstellt.»
Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf einige Beduinengemeinden im Süden des Landes gelegt werden müssen. In der beduinischen Kultur ist die allgemeine Schulpflicht noch nicht in allen Köpfen angekommen, vor allem, wenn es um die Ausbildung der Mädchen geht.
Leider waren keine Informationen zu finden, wie die religiösen Schulen abgeschlossen haben, die im Jahr 2000 an der PISA Studie teilgenommen hatten. Im Prinzip gelten dort die allgemeinen Lehrpläne, die je nach Bedarf mit religiösen Fächern ergänzt und umgewichtet werden.
Die Ergebnisse einer weiteren, für Israel typische Gruppe, die der Neueinwanderer wird leider auch nirgendwo thematisiert. Es wäre sicher sehr spannend gewesen, wie es 15-Jährige schaffen, mit der neuen Sprache zurecht zu kommen.
Israel, das noch vor wenigen Jahren und zu Recht stolz auf seine Schulbildung war, ist leider auf dem Weg, ins untere Mittelfeld der OECD abzugleiten. Die Auswirkungen werden sich in einigen Jahren zeigen, wenn die Zahl der innovativen Startups, der bahnbrechenden Forschungsergebnisse und der Niederlassung von globalen Hi-Tech Unternehmen drastisch nachlassen wird. Einfach deshalb, weil es hier keine jungen Menschen mehr geben wird, die fit sind für die neuen Herausforderungen der Wirtschaft und der Wissenschaften.
Von Esther Scheiner
Esther Scheiner ist Journalistin und Redakteurin der Israel Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Israel und der Schweiz.
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