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Aus der Geschichte der militärischen Luftfahrt: Die Sea Harrier im Kriegseinsatz gegen Argentinien

Flight Lieutenant Dave Morgan, ausgezeichnet mit dem Distinguished Service Cross beschreibt in seinen Aufzeichnungen über den Einsatz im Falklandkrieg: „Anfang des Jahres 1982 kam ich im Rahmen eines Austauschprogrammes zur Marine, zog mit meiner Familie um und begann mit der Umschulung auf den Sea Harrier. Noch mitten in dieser Umschulung ging ich eines Freitag morgens zum Dienst und stellte fest, dass alle anderen bereits da waren. Ich ging zu ihnen und sagte: `Hey, habt ihr schon gehört, diese verdammten Argentinier haben die Falklands überfallen´. Sie schauten auf ihre Uhren und fragten: Wo hast du die letzten vier Stunden gesteckt? Sie waren alle bereits um vier Uhr morgens alarmiert worden.“

The British Sea Harrier FRS. Foto: RAF

„Da ich jedoch erst kurze Zeit dort stationiert war, befand sich mein Name noch nicht auf der Alarmierungsliste. Am Samstag landete ich mit meiner Maschine auf der <HMS Hermes>, und am Montag lief das Schiff aus. Ich habe Carol, meiner Frau immer gesagt, sie soll nicht damit rechnen, dass ich zurückkomme, wenn ich einmal in einen Krieg muss. In Deutschland waren wir sehr grenznah stationiert und hätten im Ernstfall die ersten Ziele abgegeben. Die Kinder waren ziemlich durcheinander, als sie erfuhren, dass ich plötzlich in einen Krieg musste, nachdem wir bereits wieder zurück in England waren. Die Möglichkeit, dass ich dabei ums Leben kam, war sehr groß.“

„Tatsächlich ist Carol, während ich da unten im Süden war, umgezogen, so dass ich, als ich nach Hause kam, meine Sachen alle verpackt vorfand. Aber dabei ging es mir immer noch besser, als einem Kameraden, dessen Frau sich sagte, okay, er kommt nicht zurück. Sie verkaufte das gemeinsame Haus, zog in ein kleineres Haus um und trennte sich von all seinen Sachen – bevor er dann schließlich doch zurück kam. Als ich mich von den Kindern zum letzten Mal verabschiedete, sagte mein Sohn Charles, der damals fünf Jahre alt war: `Mache dir keine Sorgen Papa, es wird schon gut gehen. Die haben nur alte schäbige Flugzeuge und ihr habt ganz neue.“

„Die Landung auf der <Hermes> war bis dahin meine erste Decklandung, abgesehen von einer Landung in einem Hubschrauber. Ich konnte England nicht mehr sehen, um good bye zu sagen, denn als ich an Deck kam, waren wir bereits auf See und England war schon hinter dem Horizont verschwunden. Alles, was ich von da ab sah, war der Overhead Projektor während der Einsatzbesprechungen. Während wir den Kanal herunterfuhren, brachten Hubschrauber noch ständig Ausrüstungsgegenstände an Bord. Als wir schon auf dem Weg nach Süden waren, meldete sich der Admiral über die Bordsprechanlage und sagte: `Okay, wir haben den Hafen tatsächlich eher als geplant verlassen.“

„Jetzt sind wir also unterwegs, und wir werden nicht umkehren, Und seid sicher, wir ziehen in den Krieg. Also richtet Euch darauf ein, organisiert Eure Arbeit und seht zu, dass Ihr klar kommt, denn von jetzt an wird es heiß..!´ Wir hatten Planungsgruppen gebildet und bereits intensiv trainiert. Für die nächsten zehn Tage lag eine Menge Arbeit vor uns, denn wir wollten gut vorbereitet dort ankommen. Eine Gruppe setzte sich hin und sah sich die möglichen Angriffsziele genauer an. Danach arbeiteten wir den Angriffsplan für unser erstes Ziel aus – den Flugplatz von Stanley. Als wir erfuhren, dass auch Goose Green von den Argentiniern besetzt worden war, planten wir dort einen zweiten Angriff.“

„Wir hatten vor, alle zwölf Flugzeuge der <Hermes> einzusetzen, und zwar neun für den Angriff auf den Flugplatz und drei als Reserve für den Fall, dass jemand nicht einsatzbereit sein sollte. Sollten zwei dieser drei Maschinen übrig bleiben, so würden sie Goose Green angreifen. Wir entschieden uns von Anfang an dafür, auf keinen Fall ein Flugzeug alleine los zu schicken, denn das ist ein sicherer Weg, Jungs zu verlieren. Kurz vor dem Einsatz stieg die Erwartung, und wir wurden immer nervöser. Die Zeit, die zwischen Alarmierung und voller Einsatzbereitschaft verging, reduzierte sich von 25 Minuten bei unserem ersten Versuch auf wenige Minuten.“

„Unser erster scharfer Einsatz war das Abfangen einer argentinischen Boeing 707, die um uns herum spionierte; wir bekamen schließlich den Befehl, sie abzuschießen, wenn sie wieder auftauchen sollte. Offensichtlich hatten die Argentinier davon Wind bekommen, denn die Boeing war plötzlich verschwunden. Am Abend vor dem ersten Mai hatten wir alle notwendigen Vorkehrungen getroffen. wir warteten nur noch auf die letzten Unterweisungen. Am 1. Mai, kurz vor der Morgendämmerung warf ein <Vulcan-Bomber> eine einzige Bombe mitten auf die Start- und Landebahn. Wir waren nicht besonders scharf darauf, hinter der <Vulcan> anzugreifen, sondern wollten selbst als erste angreifen.“

„Wir befürchteten, dass wir durch den Angriff mit der <Vulcan> auf uns aufmerksam machen und in ein Hornissennest stechen würden. Außerdem würden sie dadurch Zeit gewinnen, um möglicherweise Mirages vom Festland einzufliegen. Wir wussten, dass wir über dem Zielgebiet mit schwerer Flugabwehr und Raketen rechnen mussten, und das machte uns einige Sorgen. Ich hatte die meiste Angst vor den Roland-Raketen. Nachdem ich mir aber deren Parameter angesehen hatte, dachte ich mir, dass sie uns nicht erwischen könnten, solange wir extrem niedrig fliegen würden. Als wir an Deck der <Hermes> kamen, standen die Flugzeuge bereits aufgereiht mit den Bomben an Bord.“

„Soviele Flugzeuge wie möglich waren auf der Mittellinie geparkt, während der Rest im Fischgrätenmuster, nach hinten ausgerichtet, aufgestellt war. Es war ein sonderbares Gefühl. Man merkte regelrecht, wie der Adrenalin-Spiegel stieg. Alle waren sehr ruhig, kaum einer sagte etwas. Manche überspielten ihre Nervosität mit ein paar halbherzigen Scherzen, doch die Stimmung war gedrückt.“ Zum Zeitpunkt des Angriffs befand sich die <Hermes> ungefähr 100 Meilen ostnordöstlich von Port Stanley. Dave Morgan startete als zweiter hinter Lieutenant Commander Andy Auld, der die Führung übernahm. „Wir starteten beim ersten Tageslicht. Es war gerade hell genug für für den Sichtflug, aber noch zu dunkel, um auf unsere Antikollisions-Lichter beim Einnehmen der Formation zu verzichten.“

„Als wir in Formation flogen, schalteten wir diese Lichter wieder aus. Wir gingen bis auf 50 Fuß runter und flogen einen Punkt im Norden von Ost-Falkland an. Es war ein diesiger Tag, und ich erinnere mich, dass ich die Nordküste der Insel, Machride Head, aus dem Dunst auftauchen sah. Nachdem wir Machride Head erreicht hatten, flogen fünf von uns, die ihre Bomben im Tiefflug auszulösen hatten, eine 360-Grad-Warteschleife, um am Ziel den richtigen Abstand zu den <Toss-Bombern> zu bekommen. Ich beobachtete, wie diese Bomber sich in südöstlicher Richtung entfernten.“

Nach Vollenden der Warteschleife legte sich Dave Morgan in die Kurve und steuerte auf das Ziel zu. „Ich habe nicht gesehen, wie die VT fused bombs (Bomben mit einstellbarer Zeitverzögerung, Anm.d.Verf.) hochgingen. Das erste, was ich sah, als ich über den Kamm bei Mount Low flog, waren eine Menge Explosionen ungefähr 200 Fuß über dem Flugplatz. Ich dachte, Himmel, die Streubomben zünden viel zu früh. Sie sollten eigentlich erst zünden, wenn sie den Boden berührten. Es waren aber gar nicht die Streubomben – es war die Flugabwehr, die auf die Maschine vor mir gerichtet war. Als ich den Hafen von Port Stanley in 50 Fuß Höhe überflog, empfing mein Radar-Warnempfänger Signale eines Fledermaus-Radars.“

„Also drückte ich die Nase noch weiter nach unten. Alles, was ich jetzt noch sah, waren die Spitzen der Sanddünen. Ich sah an zwei oder drei Stellen einige Blitze aufzucken, konnte aber keine Leuchtspurmunition ausmachen. Offensichtlich hatten die da unten mich aufs Korn genommen. Nach dem Passieren der Sanddünen zog ich die Maschine auf ungefähr 150 Fuß hoch und bereitete den Bombenabwurf vor. Ich sah einige der Zerstörungen auf dem Flugplatz. Eins der Gebäude stand in Flammen und schwarzer Rauch stieg daraus auf. Es war eine Menge Flugabwehr am Platz und die Raketen zischten nur so um uns herum. Eine Tigercat-Rakete flog entlang der Landebahn direkt an mir vorbei.“

„Sie war wahrscheinlich für Tony Penfold bestimmt, der vor mir angriff. Dann sah ich einen Britten-Norman-Islander, eines der leichten Flugzeuge, mit denen die Falkland-Islands-Company zwischen den Inseln hin- und herfliegt, auf der Wiese zum Start rollen. Die Maschine wurde mein erstes Ziel. Als sich eine Drittel-Sekunde später die zweite Bombe gelöst hatte, spürte ich eine heftige Explosion direkt hinter mir, die meine Maschine stark erschütterte. Deshalb nahm ich den Finger vom Auslöser. Aber dann dachte ich, Mensch, wir fliegen ja noch, wirf die letzte Bombe ab. Ich warf die dritte Bombe, die auf den Flughafengebäuden explodierte und dort einige Löcher riss.“

„Als ich getroffen wurde, flog ich etwa 500 bis 600 Knoten schnell, der Schubhebel stand auf MAX. Power. Aber auch nach dem Treffer war die Maschine noch steuerbar. Ein kurzer Blick ins Cockpit sagte mir, dass auch die Triebwerksinstrumente im grünen Bereich waren. Während ich die Maschine durch den Rauch wieder nach unten drückte, erfasste mich ein Fledermaus-Radar. Ich fuhr die Bremsklappe aus, um Düppel auszuwerfen, und zog die Maschine scharf nach links. Dadurch wurde der Radarkontakt unterbrochen, und ich flog wieder in Richtung Schiff. Als ich außerhalb der Reichweite der feindlichen Abwehr war, zog ich die Maschine nach oben, um zum Flugzeugträger zurückzukehren.“

„Ich reduzierte die Geschwindigkeit, und die Vibrationen gingen spürbar zurück. Jetzt hatte ich Zeit, mich umzusehen, und ich bemerkte einen Defekt an der elektrischen Seitenrudertrimmung. Dies schien meine Vermutung zu bestätigen, dass ein Treffer am Seitenruder oder in dessen Nähe erfolgt war. Ich nahm jedoch eine weitere Kontrolle vor, um sicher zu gehen, dass es keine Probleme mit dem Triebwerk oder irgendwelche Treibstofflecks gab. Zu diesem Zeitpunkt meldeten sich alle neun Flugzeuge wieder über Funk. Es gab einen wahren Freudentaumel. Wir waren alle in Sicherheit – und das war ein wunderbares Gefühl. Ich teilte den anderen jedoch über Funk mit, dass ich getroffen war und möglicherweise aus der Maschine aussteigen müsse.“

„Ich wusste, dass sich in der Region irgendwo ein Rettungshubschrauber aufhielt, der einsatzbereit war. Im Falle eines Notausstiegs hätte ich also mit meiner Rettung rechnen können, aber die See da unten ist verdammt kalt. Also zog ich die Maschine weiter nach oben und nahm die Geschwindigkeit zurück. Sofort ließ die Schüttelei und damit auch das Unbehagen nach; die Maschine flog relativ ruhig weiter. Dann gab ich Entwarnung. Später musste einer von uns direkt südlich vom Flugplatz mit dem Schleudersitz aussteigen und schwamm acht Stunden im Wasser, bis er gefunden wurde. Er war natürlich unterkühlt, aber er hatte überlebt.“

„Die <Hermes> leitete uns über Radar wieder zurück, und ich umkreiste den Flugzeugträger, während die anderen landeten. Alle Flugzeuge wurden seitlich auf dem Deck geparkt, dadurch entstand Platz für mich. Währenddessen überprüfte ich die Maschine noch einmal bei niedriger Geschwindigkeit. Ich ging bis auf 120 Knoten runter und alles schien in Ordnung. Die Triebwerkssteuerung arbeitet, der Druck in den Triebwerksschächten war in Ordnung. Nachdem das Deck frei war, nahm ich die Geschwindigkeit zurück und landete mit 20 bis 30 Knoten Vorwärtsbewegung nahezu senkrecht. Ich wollte nicht direkt senkrecht landen, damit sich die Schwenkdüsen nicht festfraßen.“

„An Deck rollte ich bis zum Stop und schaltete das Triebwerk ab. Das war das Ende des ersten Einsatzes. Die ganze Operation hatte nur eine halbe Stunde gedauert, Kurz nachdem ich gelandet war, kamen drei Maschinen von Goose Green zurück. Alle zwölf Flugzeuge, die gestartet waren, kehrten aus dem Einsatz zurück, nur eines hatte ein Loch im Heck. Die Stimmung war bestens. Ich persönlich hatte bei diesem Einsatz mit dem Verlust von drei bis vier Flugzeugen gerechnet; – dabei landete nur eines im Wasser. Stanley war ein erfolgreicher Angriff. Wir hatten die Start- und Landebahn mit zwei 1000-Pfund-Bomben und einen guten Teil der ganzen Umgebung zerstört, sowie die Treibstofflager in Brand geschossen. Auch der Tower und eine Anzahl der Pucaras und leichten Flugzeuge wurden bei diesem Angriff zerstört. Alles in allem: Ein Erfolg!

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 18/11/2019. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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