Zu diesem Schluss muss man kommen, wenn man aktuell heute ließt:
„ Die Schüler hatten…am 15. Oktober (2019)auf dem Rückweg von dem Schulausflug zur Gedenkstätte Buchenwald in Thüringen (antisemitische) Lieder im Bus abgespielt….die Schulleitung der Theo-Koch-Schule in Grünberg (hat)Anzeige gegen sie erstattet. Es werde wegen des Verdachts der Volksverhetzung gegen die 14-Jährigen ermittelt, sagte ein Polizeisprecher in Gießen.“[Welt.de]
Der Ettersberg bei Weimar in Thüringen ist wie kaum ein anderer Ort in Deutschland Spiegelbild der deutschen Geschichte und Gegenwart. Auf diesem Berg spazierte der Geheime Rat Johann Wolfgang von Goethe wenn er dem höfischen Leben bei Herzogin Anna-Amalia auf „Schloss Ettersburg“ entfliehen wollte. Mit Friedrich Schiller ritze er seine Initialen in eine Buche am Weg und Fürst Pückler drückte als Landschaftsarchitekt diesem Areal seinen Stempel auf. Diese prägende Zeit der Weimarer Klassik setzte die Tradition des deutschen Humanismus glänzend fort und gipfelten bei Goethe in der „Iphigenie auf Tauris“.
„Der sogenannte Humanismus ist eine Weltanschauung, die auf die abendländische Philosophie der Antike zurückgreift und sich an den Interessen, den Werten und der Würde des einzelnen Menschen orientiert. Toleranz, Gewaltfreiheit und Gewissensfreiheit gelten als wichtige humanistische Prinzipien menschlichen Zusammenlebens. Die eigentlichen Fragen des Humanismus sind aber: …Humanismus bezeichnet die Gesamtheit der Ideen von Menschlichkeit und des Strebens danach, das menschliche Dasein zu verbessern.“ [Tom Schnee-Goethes Ideal der Humanität am Beispiel der Figur Iphigenie…]
Diese Buche war der Ausgangspunkt für das KZ “Buchenwald“, dessen Name eigentlich KZ „Ettersberg“ heißen sollte, aber wegen der gedanklichen Nähe zu Goethe, den sie gerne für ihre Zwecke instrumentalisieren wollten, erließ Himmler auf Ersuchen des Bürgermeisters von Weimar die Namensänderung.
„Wer einen Film über Geist und Grauen der deutschen Geschichte drehen wollte, müßte nur nach Weimar reisen. …Stets haben sie in Weimar lieber alles fein voneinander getrennt. Eine Scheuklappen-Stadt ist dies wohl, wo man sah, was man sehen wollte. Als 1937 die Nazis das Konzentrationslager einrichteten, ging aus Weimar eine höchst kulturbeflissene Bitte an Heinrich Himmler: Das Lager solle bitte nicht Konzentrationslager Ettersberg heißen, weil auf ewig der „Ettersberg mit dem Leben des Dichters Goethe in Zusammenhang steht“. Dem Wunsch wurde entsprochen. Nach Kriegsende haben die Stadtoberen zunächst behaupten wollen, daß niemand von nichts gewußt habe.“ [haGalil.com]
Dieses „nichts gewusst haben“ hielt sich durch die gesamte DDR-Zeit und führte
deren Sichtweise auf den Holocaust regelrecht schizophren ad absurdum. Den ermordeten Juden wurden Denkmale gesetzt und gleichzeitig die Mitwisser dieser Verbrechen an der Menschlichkeit durch Schweigen gedeckt. Noch verquerer war die Sicht der SED-Oberen auf Israel. Der jüdischen Opfer im Nationalsozialismus wurde offiziell gedacht und gleichzeitig Israel in bester stalinistischer Tradition propagandistisch verdammt. Kein Wort davon, dass Israel die über 3.000 Jahre alte Heimat der Juden ist, dass dieses Land die Rechte und Ehre der in Deutschland und Europa ermordeten schützt. Statt dessen wurden Arafat und die palästinensischen Terroristen hofiert und materiell unterstützt.
Genau an diesem Punkt herausragender Weimarer Klassik und des deutschen Humanismus errichtete die SS im Juli 1937 ein KZ, in dem bis zur Befreiung durch die US-Armee im April 1945 ca. 266.000 Menschen aus ganz Europa inhaftiert wurden. 56.000 Tote – verhungert, vor Entkräftung gestorben, erschossen, zu Tode gefoltert, durch medizinische Versuche qualvoll gestorben…, eine traurige, bittere Bilanz die dem vorher gelebten deutschen Humanismus diametral entgegensetzt war. Statt Menschlichkeit, jetzt unbeschreibliche Unmenschlichkeit. Aber auch dieses Kapitel aus der dunkelsten Zeit deutscher Geschichte war mit der Befreiung des KZ nicht zu Ende. Nach den Nazis übernahm die sowjetische Besatzungsmacht Teile dieses Geländes “…als Speziallager Nr. 2. Es existierte bis 1950; von den 28.000 dort Internierten starben 7000.“ [Wkipedia]
Auch davon wurde kein Wort in den Geschichtsstunden der DDR-Schulen erwähnt, wie ohnehin die vermutlich ca. 20 Millionen Opfer der Herrschaft des Grauen durch Stalin und Lawrenti Beria unerwähnt blieben.
Bei aller diesbezüglichen Schizophrenie des DDR-Regimes wurden dennoch Schul-einheitlich 14-jährige Jugendliche vor ihrer „Jugendweihe“, der sozialistischen Alternative zur evangelischen Konfirmation und der katholischen Kommunion, nach Weimar bzw. in das KZ „Buchenwald“ gefahren und mussten sich nach einem Rundgang den von den US-Truppen bei der Befreiung des KZs hergestellten Film ansehen. In diesem Alter eine große emotionale Zumutung. Auf der Rückfahrt schwiegen alle, manche weinten – keiner wäre auf die Idee gekommen, Lieder zu singen die das Andenken an die Ermordeten posthum schändet.
Welch Verrohung muss es in Deutschland, fast 75 Jahre nach dem Holocaust, wieder geben, dass heute Kinder nach diesem Besuch antisemitische Lieder auf der Fahrt nach Hause abspielen und mitsingen. Wen wundert es, dass heute in dem Bundesland Thüringen, dessen KZ „Buchenwald“ dieses Land mehr geprägt hat, als Goethe und Schiller zusammen, die AfD bei den Landtagswahlen noch vor der CDU abschneidet, eine Partei, die das Naziregime und den Holocaust als „Vogelschiss in der Geschichte“ bezeichnet. Antisemitismusbeauftrage der Länder und des Bundes werden das Problem nicht lösen, wenn es in Deutschland kein grundsätzliches Umdenken im Umgang mit der Geschichte und dem Judentum gibt.
Deutschland muss sich als wichtigste Lehre aus der Geschichte um die Lebenden kümmern und das schließt einen Paradigmenwechsel im Umgang mit Israel und deren Sicherheitsinteressen ein. Eine Appeasement-Politik mit den Feinden Israels schließt sich damit ebenso aus, wie die Duldung der Verunglimpfung Israels in den Vereinten Nationen und ihrer höchst parteiischen Menschenrechtskommission. Wer heute den nach der Atombombe strebenden Iran hofiert um gute Geschäfte zu machen, der hat nichts aus der Geschichte gelernt.
Von Gerhard Werner Schlicke
Herr Schlicke ist Autor und Freier Mitarbeiter bei den Israel-Nachrichten, er lebt und arbeitet in Deutschland.
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