Nach der Entlassung aus der Haft, im Dezember des Jahres 1924, beschränkte sich Hitler bei Diktaten auf Redeentwürfe und wenige Briefe. Mit der Hand schrieb er seitdem noch weniger als zuvor. Grüße an die „Raubals“, Glückwünsche und Kondolenzschreiben, meist nur einige wenige Zeilen, entstanden buchstäblich zwischen Tür und Angel. Nur Eva Braun, seit 1929 mit ihm bekannt, seit 1932 seine Geliebte, erhielt privat stets nur handgeschriebene Briefe von ihm. Ihrer Schwester Gretl schrieb sie am 23. April 1945, eine Woche vor ihrem Selbstmord im „Führerbunker“ der Reichskanzlei: „Vernichte bitte ein Kuvert, das an den Führer adressiert ist und sich im Bunker im Safe befindet. Bitte nicht lesen! Die Briefe des Führers und meine Antwortentwürfe bitte ich wasserdicht zu verpacken und eventuell zu begraben. Bitte nicht vernichten.“
Die allgemeine Korrespondenz, die Hitler unterschrieb, besorgten seit der Zeit, seit er über Sekretäre verfügte, routinemäßig die von ihm ausgewählten Männer seines Vertrauens, von denen nach Rudolf Schüssler und Max Amann, Rudolf Hess und Albert und Martin Bormann die namhaftesten waren. Niemandem von ihnen gelang eine perfekte Kopie des „Hitler-Stils“. So ist denn auch aus Maschinentexten – nicht nur infolge der jeweils behandelten Thematik – eindeutig herauszulesen, welche Briefe Adolf Hitler selbst diktierte. So erging folgendes Schreiben von ihm aus dem „vorläufigen Hauptquartier“:
Adolf Hitler
München, den 21. Sept. 1932
Braunes Haus
Herrn
H.O. Hoyer
Oberstdorf, Landhaus Hoyer.
Sehr geehrter Herr Hoyer!
Erst heute komme ich leider dazu, Ihnen für das Bild „Der SA-Mann“, das Sie mir zur Ausschmückung des Braunen Hauses zugehen ließen, zu danken.
In Ihrem Gemälde haben Sie den Kampfgeist der SA treffend zum Ausdruck gebracht.
Mit deutschem Gruß!
Adolf Hitler
Oder beispielsweise ein anderes Schreiben, als er bereits Reichskanzler war:
Adolf Hitler
Berlin, den 9. Nov. 1936
Herrn
Rudolf von Elmeyer-Vestenbrugg
München 2 N O
Schönfeldstrasse 8/II
Sehr geehrter Herr von Elmeyer-Vestenbrugg!
Mit dem mir gewidmeten Exemplar Ihres Buches „Georg Ritter von Schönerer, der Vater des politischen Antisemitismus“ haben Sie mir eine besondere Freude bereitet.
Ich bitte Sie, noch nachträglich meinen besten Dank dafür entgegenzunehmen.
Mit deutschem Gruß
Adolf Hitler
Die meisten früheren Bekannten Hitlers, die auch nach dem Ersten Weltkrieg noch Post von ihm erhielten, stellten bereits im Jahre 1919 befremdet fest, dass er sich grundsätzlich geändert habe. Selbst die Familie Popp, die er bis 1915 in seinen Briefen mit Gefühlsregungen geradezu überschüttet und nach dem Krieg nur zufällig in einer Gaststätte wieder getroffen hatte, meinte dies zu erfahren, obgleich die handschriftliche Widmung, die Hitler Joseph Popp an Weihnachten 1925 in sein eben erschienenes Buch „Mein Kampf“ hineinschrieb, einen solchen Wandel nicht bestätigt. Hitlers Formulierung „Herrn Joseph Popp anläßlich des Weihnachtsfestes 1925 in alter Erinnerung herzlichst zugeeignet. Adolf Hitler“, wirkt durchaus persönlich, herzlich und ungekünstelt.
In einem Kondolenzschreiben, das er am 18. Januar 1929 einem alten Bekannten namens Zegg schreibt, leistet er sich die Anrede „Lieber Vater Zegg“ und lässt trotz aller Anteilnahme den Abstand spüren, den er, inzwischen reifer und überlegener als 1924/25, sowohl formvollendet als auch förmlich zwischen sich und dem Adressaten setzt.
18. / Januar 1929
Lieber Vater Zegg
Soeben erfahre und lese ich vom Tode Ihrer lieben Frau. Außerdem erzählt mir soeben Schaub daß Sie auch Ihre Tochter verloren haben. Zu diesem großen Unglück lieber Zegg nehmen Sie auch meine allerherzlichsten und aufrichtigen Beileidsempfindungen entgegen.
Ich fühle mit Ihnen.
In aufrichtigem Mitleid, Ihr Adolf Hitler!
Im Briefwechsel mit seinem einstigen Linzer Geschichtslehrer Professor Doktor Leopold Poetsch allerdings, den er in „Mein Kampf“ rühmend als den Lehrer hervorhebt, der seinem Leben die entscheidende Wendung gegeben habe, ist diese „staatsmännische“ Reservierheit im ersten Brief Hitlers nicht zu spüren. Hitler bemüht sich um eine Wärme und persönliche Beziehung, wie es seit seinen Briefen von 1914 und 1915 nicht mehr aus seinen schriftlichen Mitteilungen herauszulesen ist. Die Korrespondenz zwischen ihm und Poetsch beginnt im Juni 1929 auf Initiative von Poetsch und zieht sich über Jahre hin, soweit es sich um persönliche Briefe von Poetsch an Hitler handelt. Von Hitlers Seite aus wurde rasch eine Beziehung daraus, die seine engsten Mitarbeiter – zum Beispiel Rudolf Hess – aufrecht erhielten und zu einer reinen Routineangelegenheit machten. Nachdem Potsch seinem einstigen Schüler am 20. Juni 1929 in einem handschriftlichen Brief unter den Anrede „Hochgeschätzter Herr Hitler“ gebeten hatte, ihm für seinen Familiennachlass eine Abschrift aus der Stelle aus „Mein Kampf“ zukommen zu lassen, die ihn persönlich, Leopold Poetsch, betraf, antwortete ihm Hitler hocherfreut am 2. Juli 1929. Aus seiner Antwort leuchtet noch einmal die Fähigkeit auf, sich selbst mitzuteilen und eigene Regungen zu offenbaren, wie er es im Jahre 1914 getan hatte:
Adolf Hitler
Kanzlei:
München 13, Schellingstr. 50
Fernspr. 29031 und 297217 /NBST.)
Postscheckkonto: München 11263
München, den 2. Juli 1929
Hochverehrter Herr Schulrat!
Von einer Reise zurückkehrend, finde ich Ihre Zeilen vom 20. Juni vor. Sie können sich kaum vorstellen, welche Freude Sie mir mit diesen gemacht haben. Riefen Sie mir doch mit einem Schlag die Erinnerungen an die Jugendjahre wach und an die Stunden bei einem Lehrer, dem ich unendlich viel verdanke, ja, der mir zum Teil die Grundlage gegeben hat für den Weg, den ich inzwischen zurücklegte.
Statt der erbetenen Abschrift aus meinem Buche, lasse ich Ihnen dieses selbst zugehen; Sie werden die betreffende Stelle zu Beginn des ersten Bandes finden. Bei einer Neuauflage desselben wird Ihr Vorname selbstverständlich berichtigt.
Mit herzlichen Grüßen und dem Ausdruck meiner Verehrung,
Ihr stets ergebener Adolf Hitler!
Acht Jahre später, Hitler hat sich inzwischen seiner Umgebung entzogen, fühlt sich ernsthaft krank und bereits an der Schwelle seines Grabes, schreibt er seinem alten Lehrer noch einmal persönlich. Aber dieser Brief ist das Schreiben eines Fremden. Potsch, der Hitler 1929 mit ein paar Zeilen noch große Freude und „Erinnerungen an die Jugendjahre“ bereitet und herzliche Dankesgefühle ausgelöst hatte, erscheint jetzt nur noch als alter Mann, dem Hitler einmal auf seinem Weg zum Ruhm begegnet ist. Die einstige Schüler-Lehrer-Beziehung ist einer Atmosphäre gewichen, in die sich seit 1937 jedermann gestellt sah, der es mit Hitler unmittelbar zu tun hatte. Folgendes Schreiben verließ Berlin:
Der Führer und Reichskanzler
Berlin, den 30. Juni 1937.
Sehr geehrter Herr Professor!
Durch Vermittlung des Herrn Ministerialrats Karl Hagmüller in Wien erhielt ich heute Ihr Schreiben vom 4. Juni mit Ihrem Lichtbild aus dem Jahre 1930, also aus der Zeit, da Sie mein Lehrer waren. Ich habe mich über Ihre Zeilen wie über die wohlgelungene Photographie aufrichtig gefreut und sage Ihnen in Erinnerung an diese Jahre herzlichen Dank dafür. Ich freue mich zu hören, daß Sie trotz hohen Alters gesund und rüstig sind, und wünsche, daß Ihnen diese gute Gesundheit auch fernerhin erhalten bleibe.
Mit freundlichen Grüßen verbleibe ich,
Ihr ergebener
Adolf Hitler.
Dieses Schreiben verließ die Reichskanzlei des späteren Jahrhundert-Verbrechers in Maschinenschrift mit lieblos hingekritzelter, handschriftlicher Unterschrift.
Wie es weitergeht erfährt die geneigte Leserschaft der Israel Nachrichten in einer der nächsten Ausgaben; – wie zum Beispiel das „Erste Testament des Führers“ des „Großdeutschen Reiches!“
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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