Auch in diesem Jahr wollte ich Yom Kippur als einen Tag der Ruhe, des Fastens und der Besinnlichkeit begehen, im Gedanken an die Versöhnung mit Hashem und dem jüdischen Volk. Mich mit den Menschen aussöhnen, denen ich bewußt oder unbewußt, unrecht getan habe. Doch mitten hinein platzte die Nachricht der BBC, dass es einen bewaffneten Angriff auf die Synagoge in Halle, in Ost-Deutschland gegeben hat.
Deutschland – bewaffneter Angriff – Schüsse – Synagoge – 1938 oder 1939? Nein – Deutschland am 09. Oktober 2019! In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Ich hörte wieder die Stimme meiner geliebten Bobe, ihre Erzählungen, ihre Erlebnisse in Nazi-Deutschland, vor ihrer Flucht mit der Familie im Jahr 1935. Ich höre wieder die mahnende Stimme meines Großvaters, als ich ihm sagte, dass ich zum Studium nach Deutschland gehen möchte. „Nur solange Amerikanische Truppen Deutschland besetzt halten, werden Juden dort leben können.“ Und: „Vergiss nie, dass Du Jude bist!“
Dann gingen meine Gedanken wieder zurück zu dem soeben gehörten, meine Ruhe war verflogen und ich verfolgte aufgeregt die Nachrichten. Was war geschehen? Was berichten BBC, CNN, MBC und die deutschen Sender?
Am Mittwoch, gab es in Halle, im Bundesland Sachsen-Anhalt, einen antisemitischen Angriff mit Schusswaffen auf die dortige Synagoge. Der Täter, Stephan B. (27) ein Neo-Nazi (wie sich später herausstellte), versuchte in die dortige Synagoge einzudringen, in der sich etwa 80 Gläubige zum Gebet versammelt hatten. „Der Täter schoss mehrfach auf die Tür und warf auch mehrere Molotowcocktails, Böller oder Granaten, um in das G’tteshaus einzudringen. Aber die Tür hielt dem Angriff stand, G’tt hat uns geschützt. Das Ganze dauerte vielleicht fünf bis zehn Minuten“, sagte der Gemeindevorsitzende Max Privorozki.
Der Täter erschießt in einem Dönerladen einen Mann und eine Frau, die auf der Straße ging und verletzte weitere Personen. Er floh zunächst in seinem Wagen, dann in einem Taxi, ehe er einen Unfall baute und an einer Bundesstraße festgenommen wird, einige Kilometer entfert von Halle. Die weiteren Einzelheiten sind bekannt.
Ich stelle mir die Frage, „war ein solcher Angriff vorauszusehen? Oder traf er die jüdische Gemeinschaft in Deutschland wie ein Blitz aus heiterem Himmel?“ Ich behaupt, er war voraussehbar! Deutschland hat Antisemitismus überall gedeihen lassen: in seinen Städten, Schulen, in seinen Massenmedien, in der Politik, in seinen Straßen und Institutionen sowie in den Vororten, in denen muslimische Einwanderer leben. Dieser beschämende, uralte Hass wird von Ideologien genährt, die Deutschland als erstes hätte identifizieren und bekämpfen müssen.
Schlimmer noch, Deutschland hat öffentliche Äußerungen von Hass gegen Juden und Israel erlaubt. Bei einer Antiisrael Demonstration in Duisburg 2008, als Islamisten gemeinsam mit linken deutschen Israelhassern durch die Straßen zogen und „Juden ins Gas!“ skandierten, machte sich die Polizei zum Handlanger dieses Mob und riss gewaltsam eine Israelfahne aus einem Fenster. Die Politik und allen voran Deutschlands Kanzlerin Merkel – schwiegen. Sie duldeten stillschweigend das bis dato unvorstellbare, das erneute Aufflammen des gewalttätigen Antisemitismus auf deutschen Straßen, der zum ersten Mal seit 1938 wieder öffentlich seine hässliche Fratze zeigte.
Unvorstellbar? Seit langem nicht mehr! So wie zuletzt bei einer Demonstration auf den Straßen Berlins, die von der libanesischen schiitischen Terrororganisation Hisbollah organisiert wurde, auf der „Tod für Israel!“ und „Tod für die Juden!“ geschrien wurde. Bei vorangegangenen Antiisrael-Demonstrationen unterstützte die Polizei die Demonstranten, inden sie ihnen die Lautsprecher in den Streifenwagen zur Verfügung stellte; oder Menschen mit Israelfahnen als Provokateure einkesselte und die Fahnen beschlagnahmte. Dazu kommen die vielen Beleidigungen und tätlichen Angriffe gegen Juden in ganz Deutschland, die seit einiger Zeit immer häufiger wurden.
Und auch Angriffe auf Synagogen sind (leider) keine Einzelfälle mehr in Deutschland! Drei Palästinenser mit deutscher Staatsangehörigkeit, versuchten im Juli 2014 mit Molotow-Cocktails die Wuppertaler Synagoge in Brand zu setzen. Die örtliche Wuppertaler Gerichtsbehörde sagte in ihrer Entscheidung von 2015, dass die drei Männer mit ihrer Tat „auf den Gaza-Konflikt“ mit Israel aufmerksam machen wollten. Das Gericht hielt den Angriff für nicht durch Antisemitismus motiviert. Erst am vergangenen Freitag versuchte ein Asylbewerber aus Syrien, mit einem Messer bewaffnet, in eine Berliner Synagoge im Bezirk Mitte einzudringen.
Deutschland, das vor 80 Jahren sein Bestes gab, um das jüdische Volk auszurotten, versprach in den 1950er Jahren, seine Kräfte für die Heilung dieser schrecklichen Wunde einzusetzen – ein Versprechen, das Bundeskanzlerin Angela Merkel bekräftigte. Und doch ist in den letzten Jahren der Hass gegen die Juden und Israel, gerade in Deutschland wieder gestiegen. Allein in den ersten Monaten dieses Jahres gab es in Deutschland 400 antisemitische Vorfälle.
Nach einer letzten Umfrage halten es 77 Prozent der Deutschen für angebracht, die Verbrechen des Landes an den Juden zu vergessen. Dieses Vergessen hat nicht nur die Auferstehung der Nazi-Ideologie ermöglicht, sondern auch den Import von gut organisiertem, aber absichtlich ignoriertem Judenhass in das Land, durch eine Vielzahl von islamischen Einwanderern. Ironischerweise hat Deutschland dies getan, um seinen Geist der Großzügigkeit, Toleranz und Brüderlichkeit zu demonstrieren.
Felix Klein, der Antisemitismus-Kommissar der Bundesregierung, veröffentlichte im vergangenen Mai einen Artikel, in dem er erklärte, er sei „äußerst alarmiert über den Anstieg des antijüdischen Hasses in Deutschland“. Dennoch stimmte seine Regierung – immer ohne Ausnahme – gegen Israel bei den Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Klein sagte, dass „der Hass gegen Juden manchmal auf einer radikalen rechten Vision beruht und manchmal aus muslimischem Hass herrührt“ und dass er „oft aus einer linken Ideologie stammt, die durch eine scheinbare Ideologie des globaler Humanismus gekennzeichnet ist. Aber jedes Mal ist das Bild des Feindes dasselbe: Der Jude.“
Laut einer in Bayern durchgeführten Studie denken 50 Prozent der Einwanderer in Deutschland, dass Juden einen zu großen Einfluss auf die Welt haben – und diese Meinung teilen inzwischen 15 und 25 Prozent der Deutschen. Dies ist die aktuelle Situation in dem für die Shoah verantwortlichen Land, von dem mehr als 1,5 Millionen jüdische Kinder ermordet wurden.
Auch tarnen linke wie rechte Judenhasser ihren Antisemitismus als Israelkritik. Deutschland und Israel unterhalten zwar diplomatische Beziehungen, die aber nur solange von Gültigkeit sind, wie sie Merkels Politik entsprechen. Deutschland stellt schon mal die diplomatischen Beziehungen zu Israel ein, wenn die Politik Israels gegenüber den „Territorien“ nicht den Wünschen Deutschlands entspricht. Dies geschah im Jahr 2017, als Deutschland das Recht geltend machte, die Sicherheitspolitik Israels zu beurteilen und den jüdischen Staat öffentlich zu verurteilen, seine angeblichen moralischen Mängel scharf zu kritisieren und ständig aufforderte, auf „Verhältnismäßigkeit“ Bezug zu nehmen.
Zwar hat der Deutsche Bundestag einen sehr positiven Schritt unternommen, indem er die BDS-Bewegung als antisemitisch verurteilte, hat aber bei weitem nicht genug getan. Die Bundesregierung weigert sich beharrlich, die Hisbollah als terroristische Vereinigung einzustufen. Die Terrorgruppe die Israel vernichten will, ist seit langem auch in Deutschland aktiv und sammelt Geld für Aktionen im Ausland. Die Spenden werden allerdings sowohl für politische als auch für militärische Zwecke verwendet. Die fadenscheinige Begründung der Bundesregierung, sie will ihre Position als Vermitter im Nahen Osten nicht gefährden.
Zu bedenken ist auch, dass die Gesellschaft in Deutschland zutiefst gespalten ist. Der Riss geht durch Freundschaften und Familien und hat eine Atmosphäre geschaffen, in der sich Einzelne radikalisieren. Kanzlerin Angela Merkel und ihre Paladine in der Regierung und deren Hofberichterstatter in den Medien, haben mit ihrer verfehlten Politik Verhältnisse geschaffen, die ein Verbrechen wie das vom 9. September erst möglich gemacht haben.
Doch wie wird es jetzt weitergehen in dem Land, in dem der Judenhass in Gestalt von gewaltbereiten Neonazis und Linksextremisten bereits mit Waffengewalt präsent ist und das zusätzlich noch millionen Antisemiten aus muslimischen Ländern aufnimmt? Ist ein weiterer Verbleib für Juden in Deutschland – dass auch ihr Land ist – noch fernerhin möglich? Oder werden die Verhältnisse sie – wie z.B. in Frankreich – zwingen, zu Zehntausenden das Land zu verlassen?
Auf diese Frage muss nicht nur jeder einzelne in Deutschland lebender Jude oder die jüdische Gemeinschaft eine Antwort finden, auch die Politik ist gefragt. Die Regierenden müssen endlich politische Wege finden, wie sie der Aggression und dem Hass in der Gesellschaft entgegenwirken. Mit lauwarmen Lippenbekenntnissen und leeren Worthülsen ist es nun nicht mehr getan, es müssen endlich Taten folgen.
Kommentar:
Von Dr. Dean Grunwald
Dr. Grunwald ist Herausgeber der Israel-Nachrichten.
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