Viele Angaben Hitlers, was den Ersten Weltkrieg anbetrifft, sind sehr aufschlussreich und sind auch in seinem Werk „Mein Kampf“ zu finden, obgleich es sich darin um „konstruierte Tatsachen“ handelt. So behauptete er, dass sein Vater, der Zollamtsoberoffizial Alois Hitler, „Postoffizial“ gewesen sei, dass er „vier Klassen Unterrealschule“ absolviert habe – die Schulen in Linz und Steyr, die er besuchte, waren Oberrealschulen -, dass er nach dem Tode seiner Mutter „ohne Vermögen“ nach Wien gegangen sei, weshalb er „gezwungen war, sofort als gewöhnlicher Arbeiter sein tägliches Brot zu verdienen“, dass er im Jahre 1912 für immer nach München gegangen sei, – er ging erst 1913 nach München -, dass er nach der Niederwerfung der kommunistischen Räte „Bildungsoffizier“ gewesen sei, – er war nur ein gewöhnlicher V-Mann -, dass er sich 1919 der angeblich sieben Mitglieder zählenden Deutschen Arbeiterpartei angeschlossen habe, – er war nicht sieben, sondern 55. Mitglied mit der Mitgliedsnummer 555 und hatte seit Juli 1927 sogar die Mitgliedsnummer 3.680.
Gelogen ist auch, dass er sich der Deutschen Arbeiter-Partei bereits im Juni 1919 angeschlossen habe. denn er wurde erst Ende 1919 in diese Partei aufgenommen. Spontane Äußerungen und gefühlsbetonte Schilderungen von Eindrücken und Gedanken meint Hitler sich mit seinem Putsch vor der Feldherrnhalle nicht mehr leisten zu können, was zur folge hatte, dass seine Mitteilungen meist noch unpersönlicher als in der Zeit von 1918 bis November 1923 klingen. Geradezu exemplarisch dafür ist ein Schreiben vom 1. Oktober 1924 von Landsberg am Lech an eine gewisse Frau Deutschenbauer, der er für einen „Zwetschgenkuchen“ dankt. Obgleich er sie aus seiner Militärzeit kannte, die er gerne als eine der wichtigsten Phasen seines Lebens bezeichnete, hielt er seinen Brief ausgesprochen höflich und tat, als handele es sich um eine selbstverständliche „Aufmerksamkeit.“ Hier das Original in Hitlers Worten:
„Landsberg/L. 1. 10. 24
Liebe Frau Deutschenbauer!
Vor einigen Tagen erhielt ich einen Zwetschgenkuchen, den mir Frau Reichart in liebenswürdiger Weise von Ihnen überbrachte. Es war mir eine kleine Erinnerung an die Zeit, die ich einst als Soldat in ihrer Nähe zugebracht habe, sowie ein Zeichen dafür, daß Sie mich auch jetzt noch nicht vergessen haben. Nehmen Sie also für diese Aufmerksamkeit meinen herzlichsten Dank entgegen.
Mit vielen Grüßen an Sie und den Herrn Gemahl bin ich ihr sehr ergebener
Adolf Hitler.“
Ganz anders lesen sich Adolf Hitlers Formulierungen gelegentlich in Briefen aus dieser Zeit an politisch einflussreiche Gesinnungsfreunde, wie sein Brief vom 20. Oktober 1924 an den Bezirkskommandanten des Vaterländischen Schutzbundes von Freystadt in Ölstereich verrät:
„Landsberg/L. 20.10.24
Vaterländischer Schutzbund
Bezirkskommando Freystadt
Ober-Österreich.
Zu Händen W. Hollitscher
Bezirkskommandant
Sehr geehrter Herr Bezirkskommandant!
Vor einigen Tagen erhielt ich Ihre Ankündigung der Fahnenenthüllung des „Vaterländischen Schutzbundes“ Bez. Kommando Freystadt. Nachträglich bitte ich meine besten Wünsche aus diesem Anlaße noch in Empfang nehmen zu wollen; ebenso meinen herzlichsten Dank für die mir übersandten Treuegrüße. Im übrigen hege ich nur die einzige Sehnsucht, daß der Tag kommen möge, an dem meine einstige Heimat im Kranze der deutschen Staaten eines gemeinsamen Großdeutschlands eingeschlossen sein wird.
Mit treudeutschem Gruß
Ihr sehr ergebener
Adolf Hitler.“
Jedoch: Sobald Hitler es mir Privatpersonen zu tun hatte, denen er sich nicht ganz besonders verbunden fühlte, stand hinter seinen Zeilen der sich selbst stilisierende Hitler, der sich als Maß aller Dinge zu geben versuchte, auch wenn die Briefpartner ihn persönlich gut kannten und versuchten, nähere Kontakte zu ihm zu pflegen, wie es mit der Familie Deutschenbauer der Fall war. Hier ein Schreiben Hitlers an oben genannte:
„München, 7. Mai 1925.
Sehr geehrte Frau Deutschenbauer mit Familie!
Nehmen Sie bitte für Ihre Glückwünsche anlässlich meines Geburtstages meinen herzlichsten Dank entgegen.
Mit deutschem Heilgruß
Adolf Hitler.“
Obwohl Adolf Hitler aus den erfolglosen Ereignissen von 1923 vor der Feldherrnhalle zu München eigentlich glernt haben musste, dass es als „Politiker“ nicht ratsam ist, sich öffentlich in Nebensächlichkeiten nicht unnötig festzulegen, war von solchen Erkenntnissen wenig zu spüren. Immer wieder redete er auch nach dem Jahre 1924 von „feststehenden Überzeugungen“, endgültigen „Entschlüssen“, „Entscheidungen“ und „Absichten“, wo es überhaupt nicht erforderlich war. So erklärte er einem Bekannten am 28. Mai 1928 auf eindrucksvolle und überzeugende Weise, dass er nicht in der Lage sei, die ihm angetragene Patenschaft für den neu geborenen Sohn zu übernehmen, da er ein unstetes Leben führe und den Verpflichtungen nicht nachzukommen vermöge, die billigerweise mit Patenschaften verbunden seien. Infolge seiner Einsichten und seiner Erfahrungen, so versicherte er feierlich, habe er „den unabänderlichen Entschluß gefällt, niemals wieder eine Patenschaft zu übernehmen.“
Sein Schreiben an die Gattin des Bekannten, einem Komponisten, enthält folgenden Wortlaut:
„Mit großer Freude erhielt ich Kenntniß von der glücklichen Geburt Ihres Knaben. Gott sei Lob daß Sie selbst die schweren Stunden so gut überstanden haben. Ihnen und dem Jungen wünsche ich von Herzen alles Gute. Um so mehr tut es mir leid, daß ich Ihrem Wunsch die Patenschaft zu übernehmen nicht nachkommen kann. Meiner innersten Überzeugung nach ht jedes Kind ein Recht von seinem Paten wenigstens eine gewisse Aufmerksamkeit zu erwarten. Bei meinem unsteten Leben, der Unsicherheit meines ganzen Daseins und besonders meiner Zukunft wäre eine solche Hingabe meinerseits mehr als zweifelhaft. Es ist dies ja der Grund weshalb ich selbst mich nicht zu einer Heirat entschließen kann. Ich habe deshalb schon seit Jahren grundsätzlich jede Patenschaft abgelehnt. Meine letzte Patenschaft übernahm ich während meiner Festungshaft für den kleinen Jungen von Esser dessen Vater sich damals auf der Flucht im Ausland befand. Aber schon in diesem Falle war es mir nicht möglich dem Jungen die Aufmerksamkeit zu widmen die er vielleicht von seinem Paten hätte erwarten dürfen. Abgesehen davon, daß mir mein damaliger Schritt von vielen Seiten sogar noch übel genommen wurde. Ich habe deshalb erst recht den unabänderlichen Entschluß gefaßt niemals wieder eine Patenschaft zu übernehmen.
Ihr Adolf Hitler.“
Trotz dieses „unabänderlichen Entschlusses“ wich Adolf Hitler im Laufe der Zeit nicht nur ausnahmsweise von seinem diesbezüglichen Vorsatz ab. Nicht nur die Kinder seiner nächsten Helfershelfer Himmler, Göring, Bormann und Goebbels zum Beispiel konnten „Onkel Adolf“ schließlich als Patenonkel bezeichnen, sondern auch unzählige Söhne und Töchter kinderreicher Familien, die er überhaupt nicht kannte. Routinemäßig hieß es in den vom „Führer“ unterzeichneten Briefen an die Mütter dann zumeist:
„Sehr geehrte Frau……………
Mir wurde heute die Bitte um Übernahme der Patenschaft Ihres zuletzt geborenen Sohnes vorgetragen.
Ich erfülle diese Bitte gern und nehme die Patenschaft an.
Ihrem Sohn wünsche ich das Beste für sein fernes Leben.
Mit deutschem Gruß!
Adolf Hitler.“
Alle Briefe, die Hitler nach seiner vorzeitigen Entlassung aus der Haft in Landsberg am Lech schrieb, fügen sich kontinuierlich an die vorherige Haft-Korrespondenz an, aber sie bestätigten auch recht schnell, dass Hitler einen Teil von dem Bild realisiert hatte, das er in der Festungshaft von sich selbst entwarf.
Doch davon berichten die Israel Nachrichten in der nächsten Ausgabe.
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.
Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!
Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.