Die Amerikanerin Rebecca Blady hoffte, einen Tag des Rückzuges von der Außenwelt zu verbringen und sich im am Kippur in der ostdeutschen Stadt Halle dem Fasten und dem Gebet zuzuwenden.
Sie und ihr Ehemann Jeremy, zwei jüdisch-orthodoxe Gemeindevorsteher, die kürzlich nach Deutschland gezogen waren, hatten eifrig zugestimmt, in der dortigen „Shul“ zu feiern, in der es selten genug Gläubige gibt, um die Plätze an Feiertagen zu füllen.
In diesem Jahr waren sie Überlebende und Zeugen eines Tages außergewöhnlicher Gewalt.
Mit dem Paar kamen ungefähr zwanzig junge praktizierende Juden aus den USA, Deutschland und Israel, um „etwas mehr Energie in die Gebete zu bringen“, sagte sie der Agentur AFP und fügte hinzu, dass sie auch ihre heiligen Gegenstände, religiöse Texte und Lieder mitbrachten.
Um zur Synagoge zu gelangen, musste sie sich durch die für die Stadt charakteristischen spartanischen Wohnblöcke im ehemaligen kommunistischen Osten begeben.
„Wir hatten unglaubliche Gebete, voller schöner Lieder und sogar Tanz, bis wir plötzlich draußen einen lauten Knall hörten“, sagte Blady.
„Wir waren mitten in den Gottesdiensten, insbesondere in dem Teil, in dem wir die Thora lasen“, als sie den Angreifer hörten. „Es klang, als hätte es einen Schuss gegeben, vielleicht eine Explosion. Wir hatten wirklich keine Ahnung.“
Ein Teil der Gemeinde lief zu den Bildschirmen, die mit den Überwachungskameras im Freien verbunden waren.
Nach einigen Momenten der Stille ertönten erneut Explosionen.
In diesen Minuten – wie die Polizei mitteilt – versuchte der Mann draußen zwischen 12:03 und 12:11 Uhr, als die ersten Polizisten eintrafen, die Tür der Synagoge mit Sprengstoff und einer Schrotflinte zu öffnen.
Er wurde später als ein 27-jähriger Deutscher identifiziert, der seinen Versuch, die Synagoge zu stürmen filmte – und das Video mit einer antisemitischen Beschimpfung eröffnete.
„Geht weg von den Fenstern und irgendwo hin wo du sicher sein kannst, denn sie schießen auf uns!“, sagten die Beobachter.
Die ungefähr 70 Menschen, die sich drinnen versammelt hatten, flohen nach oben wo es sicherer schien, oder in einen Hinterraum des Gebäudes.
Die meisten hatten nicht einmal Telefone, um mit der Außenwelt in Kontakt zu treten und mußten still warten, während sie sich das Schlimmste vorstellten.
„Es war eine sehr beängstigende Sache … eine erschreckende Erfahrung“, sagte Blady.
Nach 20 Minuten erreichte die Polizei die Gruppe und beschloss, die Synagoge abzusperren und die Gläubigen unter Polizeischutz zu stellen.
Draußen lag die Leiche einer Passantin, die von dem Angreifer erschossen wurde, der dann zu einem nahe gelegenen Döner-Laden geflohen war und dort einen Mann getötet hatte.
Erst um 17 Uhr wurde die Gemeinde in ein nahe gelegenes Krankenhaus evakuiert.
Sie „beteten hier neilah, um den Tag mit mehr Inbrunst zu beenden und hörten den Klang des Schofars“ (ein religiöses Instrument aus Widderhorn) und brachen ihr Fasten, sagte Blady.
Danach wurden sie in einem Hotel unter Polizeischutz in Sicherheit gebracht.
„Gott hat uns alle dort einzeln als lebenswürdig gezählt“, sagte Blady.
„Diese Art von Nachrichten ist nicht neu und nicht mehr nur in Deutschland … sie können jetzt überall auf der Welt vorkommen.“
AFP/IN-Redaktion
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