Was sich nach den Wahlen mit dem denkbar knappsten Ergebnis bereits abgezeichnet hat, wurde in den vergangenen Tagen immer klarer.
Es ist sowohl für den noch im Amt befindlichen PM Netanyahu, also auch für seinen Herausforderer Benny Gantz unmöglich, eine Regierung zu bilden. Die müsste mindestens 61 Sitze in der Knesset haben, um, zumindest rein rechnerisch über eine Mehrheit zu verfügen.
Einige kurze Verhandlungsrunden zeigten jedoch, dass keiner gewillt ist, von seinen Wahlversprechen auch nur einen Iota abzurücken.
Netanyahu will nur gemeinsam mit seinen «natürlichen Partnern» antreten, Gantz besteht darauf, dass genau die nicht Teil der Regierungskoalition werden.
Netanyahu besteht darauf, die erste Hälfte der Regierungszeit als PM zu übernehmen. Warum das so ist, ist klar, nur so kann und wird er versuchen, die vollständige Immunität für seine Person zu erhalten. Immerhin droht ihm Anklage in drei nicht geringen Fällen. Generalstaatsanwalt Mandelblit hat heute, am 2. Oktober, mit der Anhörung dazu begonnen.
Gantz weigert sich, mit einem PM in einer Regierung zu sitzen, dem drei Rechtsfälle drohen.
Präsident Rivlin, dem die nicht leichte Aufgabe zukam, einen der beiden mit der Bildung einer tragfähigen Regierung zu betrauen, hatte versucht, einen Kompromiss auszuarbeiten und vorzuschlagen. Netanyahu solle als PM beginnen und im Falle einer Anklage für die Zeit bis zur Urteilsfindung Gantz den Posten überlassen. Der würde dann als «Interims PM» mit allen Rechten, die diese Aufgabe mit sich bringt, ausgestattet werden. Allerdings müsse Familie Netanyahu die Residenz in Jerusalem nicht räumen. Für Netanyahu ein grosses Zugeständnis, für Gantz ein No-Go. Warum Präsident Rivlin so viele Zugeständnisse macht, ist für mich unerklärlich.
Heute war geplant, dass die Gantz und Netanyahu sich ein letztes Mal treffen, um den gordischen Knoten noch zu lösen. Gantz hat das Treffen abgesagt. Er geht davon aus, dass sein Kontrahent nicht bereit ist, doch noch einzulenken. Der verhandelt nun auch schon wieder mit seinen «natürlichen Partnern», den rechten und ultrareligiösen Parteien.
Fällt Lieberman nicht um, wird es Netanyahu nicht gelingen, seine „sicheren“ 55 Sitze auf 61 auszubauen. Seit dem Wochenende heisst es bereits, er würde sein Mandat in dem Fall an Präs. Rivlin zurückgeben, der dann wohl Gantz eine Chance geben wird.
Auch der wird leider keinen Erfolg haben, denn selbst wenn Lieberman sich ihm anschliesst käme er nur auf 51 Sitze.
Und so heisst dann: «Gehen Sie zurück auf Los!»
Kommentar von Esther Scheiner
Esther Scheiner ist Journalistin und Redakteurin der Israel Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Israel und der Schweiz.
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