Konflikt zwischen Davosern und Gästen, so titelte der Blick am 22. August 2019. Und produzierte mit dieser reisserischen Ankündigung den unausweichlichen Sommerskandal, der in jedem Jahr aus Davos vermeldet wird.
Was war in diesem Jahr der Stein des Anstosses, der die Bündner heimatliebende Seele zum Überkochen brachte? Ein fröhlicher Anlass, den es leider viel zu selten zu feiern gilt. Eine neue Thora Rolle wurde in einer feierlichen Prozession quer durch das Städtchen zum Bethaus gebracht. Dabei geht es laut zu, ja, aber es ist, sind frohe Gesänge und traditionelle Tänze, die die wertvolle neue Rolle, die die fünf Bücher Moses auf ihrem Weg begleitet. Ein Zeichen für das Vorhandensein jüdischen Lebens, für den Fortbestand auch in der europäischen Kultur.
Die Veranstaltung war bei der Gemeinde angemeldet und bewilligt worden. Allerdings hatte man sich in der Teilnehmerzahl gewaltig verschätzt. 2000 Besucher, nicht nur die Gäste, die derzeit in Davos ihre Ferien verbringen, waren es. So viele, dass es auf der Hauptstrasse einen Riesenstau gab und der Verkehr teilweise völlig zum Erliegen kam.
Das ist man in Davos gewöhnt, nur sind es in der Regel Luxuskarossen und Leihlimousinen, die die Teilnehmer des WEF im Januar auf den teils kurzen und teils längeren, aber meist verschneiten Strasse transportieren. Und damit signalisieren, dass eine wohlgeliebte Gästeschicht zum Gedankenaustausch im Dorf ist. Das bringt Geld, das bringt gute Publicity.
Jüdische Gäste stehen nicht für diese Art von Erfolg.
Aber, sie sind treue Gäste. Seit dem 19. Jahrhundert kommen sie regelmässig, 1919 eröffnet die Heilstätte Etania, in der Tausende Heilung ihrer Lungenkrankheiten suchten.
Um das Verständnis für die Bedürfnisse, kulturellen Unterschiede und Vorlieben der jüdischen Gäste zu fördern, legte die «Hotellerie Suisse» eine entsprechende Broschüre auf.
Ein neues Projekt, «Likrat», frei übersetzt mit «Aufeinander zugehen» hat ebenfalls zu Beginn der jüdischen Reisesaison, die mit dem die Trauerzeit beendenden Freudentag Tu b’Av beginnt, eine Broschüre aufgelegt, die in Englisch, Französisch, Hebräisch und Jiddisch zahlreiche Informationen über die Gastkultur der Schweiz weitergibt. Die Volontäre von Likrat stehen sowohl den Einheimischen, als auch den Gästen zu aufklärenden Gesprächen und Informationen zur Verfügung.
Es ist zwar traurig, dass man eigentlich selbstverständliches Verhalten besonders erwähnen muss. Sei es der Minimalkonsum in einem Restaurant, die Bekleidung beim Schwimmen, der Umgang mit Gästepässen, Mülltrennung und Naturschutz.
Wenn die Schweizer Gastgeber, völlig zu Recht das Einhalten dieser Minimalreglen einfordern, müssen sie aber auch auf der anderen Seite bereit sein, hinzuhören und zu vermeiden, dass es zu Unstimmigkeiten kommt. Die empörte und vor allem empörende Aussage eines SVP Landrates, Conrad Stiffler, Transportunternehmer aus Davis auf seiner FaceBook Seite ist sicher der falsche Weg. «Jetzt sind wir soweit. Unglaublich.» Viele pflichteten ihm bei. «Wir sind doch nicht in Israel. Wir sind in der Schweiz», schreibt ein Bündner. Ein anderer: «Unsere Heimat ist verloren.»
Sie ist genauso verkehrt wie die Aufforderung, dass jüdische Gäste vor dem Schwimmen duschen müssen. Damals verursachte ein Appartementhaus in Arosa den Sommerskandal. Im gleichen Haus wurde auch der Besuch des gemeinsamen Tiefkühlraumes reglementiert. «Ich hoffe, Sie verstehen, dass unser Team nicht zu jeder Zeit gestört werden will.»
Ich hoffe, dass auf beiden Seiten viel guter Wille und gegenseitiges Verständnis unser schönes Graubünden nach wie vor zu einer beliebten Feriendestination jüdischer Touristen macht und diese wieder zu dem werden, was sie einmal waren. Gern gesehene Gäste.
Von Esther Scheiner
Esther Scheiner ist Journalistin und Redakteurin der Israel Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Israel und der Schweiz.
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