In dieser Reihenfolge kann man die Ereignisse um die Kapitänin der Sea-Watch 3, Carola Rackete, zusammenfassen. Kaum ein Ereignis hat die Politik in den letzten Monaten derart aus der Bahn geworfen und die Menschen in Europa polarisiert, wie die „Rettungsaktion“ der See-Watch 3 im Mittelmeer und die illegale Anlandung auf Lampedusa.
Mike Remmert, unabhängiger Journalist, kommentierte :“Laut ZDF vom 13.06.19 wurde der See-Watch 3 – ein dem internationalen Seerecht entsprechender – lybischer Hafen zugewiesen (der 34 Seemeilen entfernt war), mit der Zusicherung die Schiffbrüchigen aufzunehmen, zu versorgen und medizinisch zu betreuen, unter internationaler Aufsicht. Dem hat sich die Kapitänin widersetzt und hat dann Kurs auf das über 250 Seemeilen entfernte Italien genommen. …. Italien hat von Beginn an die Einfahrt in seine Häfen verweigert, genauso wie Malta. …. In Libyen standen Retter und Ärzte bereit. Die Kapitänin hat damit Tod und Verderben sowie großes Leid billigend in Kauf genommen. Dessen völlig ungeachtet hat sie bei der illegalen Einfahrt in den italienischen Hafen völlig Unbeteiligte in Lebensgefahr gebracht und, fast schon Nebensache, mit einem unfachmännischen Anlegemanöver riesigen Sachschaden verursacht. Und da gibt es immer noch Leute, die in die Hände klatschen und diesen TV Narren nach dem Maul reden. …“
Diplomatischer und konkreter drückt sich Sebastian Kurz, Politiker der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und ehemaliger Bundeskanzler der Republik Österreich in einem Interview mit WELT AM SONNTAG aus:
„Solange die Rettung im Mittelmeer mit dem Ticket nach Mitteleuropa verbunden ist, machen sich immer mehr Menschen auf den Weg“… Nur wenn Europa sicherstelle, dass jeder, der sich illegal auf den Weg macht, zurückgebracht wird in sein Herkunftsland oder in ein Transitland, werde das Ertrinken im Mittelmeer enden. Sebastian Kurz hält es für falsch, wenn sich NGOs wie jene der „Sea Watch“-Kapitänin Carola Rackete daran beteiligen, Menschen illegal nach Europa zu bringen.
„Sie wecken damit nur falsche Hoffnungen und locken damit womöglich unabsichtlich noch mehr Menschen in Gefahr“
Die Polarisierung der Gesellschaft nach diesen Ereignissen wird an vielen Beispielen deutlich. Nach einem Spendenaufruf (wohlgemerkt für einen eklatanten Rechtsbruch in einem europäischen Staat) durch den ZDF Satiriker Böhmermann und den Pro 7 Entertainer Klaas Heufer-Umlauf sind zwischenzeitlich schon über 1,3 Million EUR für Carola Rackete gespendet worden, um ihre anstehenden Prozesskosten oder gar einen Ersatz für das von den italienischen Behörden beschlagnahmte Schiff finanzieren zu können. Nicht dass die Dame dies nötig hätte, denn ihr familiärer, finanzieller Background hätte dieses gar bedurft. Hier wird aber mit dem Vehikel „Seenotrettung von afrikanischen Flüchtlingen“ mediale Aufmerksamkeit generiert.
Ich kann mich nicht erinnern, dass es derartiges schon einmal gegeben hätte.
Der deutsche Bundespräsident mit rein repräsentativen Aufgaben geriert sich in einem ZDF-Interview gar als stiller Stellvertreter des Außenministers und belehrt die italienische Regierung: „…Italien ist inmitten der Europäischen Union, ist Gründungsstaat der Europäischen Union. Und deshalb dürfen wir von einem Land wie Italien erwarten, dass man mit einem solchen Fall anders umgeht.“
Wie meinen, Herr Bundespräsident? Wird jetzt geltendes Recht eines Staates der EU individualisiert? Es ist schon ziemlich arrogant, wenn ein Spitzenpolitiker aus Deutschland die italienische Regierung belehrt und bevormundet. Es scheint aber ein besonderes Steckenpferd von Steinmeier zu sein, von einem diplomatischen und politischen Fettnäpfchen in das nächste zu springen und dabei politisches Porzellan zu zerschlagen.
Wie bereits vorher absehbar hat der Druck aus Deutschland und Frankreich dazu geführt, dass der italienische Haftrichter den Hausarrest aufhob und Carola Rackete ausweisen ließ. Damit hat er trotz heftiger Kritik seitens des Innenmisters und stellvertretendem Regierungschef Matteo Salvini, Italien zunächst aus der diplomatischen Schusslinie genommen, obwohl er nach geltendem Recht auch ganz anders hätte entscheiden können. Das ist neben der eigentlichen (politisch motivierten) Entscheidungsfindung auch ein Sieg der Unabhängigkeit der Justiz, also einer der tragenden Säulen einer funktionierenden Demokratie.
Das eigentliche Problem hat außer Sebastian Kurz, kein europäischer Spitzenpolitiker öffentlich aufgegriffen, also dass es bis heute keine nachweisbare Umsetzung von vollmundig angekündigten Lösungsansätzen zur Bewältigung dieser ungelösten Probleme der Migration aus Afrika, speziell aus der Subsahara, dem Nahen – und Mittleren Osten und Afghanistan gibt. Es ist kein Zufall, dass es sich bei den Quell-Ländern der Migration nach Europa durchweg um Regionen mit einer kolonialen Vergangenheit und davon nachhallender postkolonialen Gegenwart, aus Armuts-, Kriegs- und Spannungsgebieten und Regionen mit schlimmsten gesellschaftlichen Verwerfungen, wie aus dem Irak und Syrien handelt. Die Gründe der Migration aber nur auf Armut zu reduzieren geht an der Realität vorbei.
Es sind aber nicht alle afrikanische Staaten gleichermaßen involviert. Äthiopien kann als Beispiel dafür gelten, dass eine prosperierende Wirtschaft, sichere berufliche- und soziale Zukunftsaussichten der gangbarste Weg ist, um ungebremsten Migrationsströmen entgegen zu wirken.
Dr. Rainer Klingholz (Direktor und Vorstand des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung) „Wenn wir es laufen lassen, werden zu viele kommen“
Focus.de berichtet: „…die Kosten für die Flüchtlinge lagen in Deutschland im Jahr 2017 bei 20,8 Milliarden Euro. Seit dem Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 habe die Bundesregierung damit mindestens 43,25 Milliarden Euro für Asylzwecke ausgegeben. Voraussichtlich sollen in den nächsten vier Jahren weitere 80 Milliarden Euro hinzukommen.“ Für diese, nur in Deutschland angefallene Summe hätte in Afrika ein wirtschaftlicher Quantensprung in Gang gesetzt werden können.
Paul Collier, Oxford-Ökonom und seit 2 Jahren vom vehementen Kanzlerinnen-Kritiker zu ihrem Berater mutiert, schlägt in seiner Lösungsformel für die Flüchtlingskrise vor:
„Erstens müsse Europa seine Außengrenzen schützen. (hier versagt FRONTEX aus vielen Gründen -Einfügung des Autors). …
Zweitens sollte Flüchtlingen fairer geholfen werden. Bei der Hilfe konzentrierten sich Politiker und Medien bisher auf jene, die versuchten, entwickelte Länder zu erreichen. 90 Prozent der Flüchtlinge würden jedoch innerhalb ihrer Heimatländer vertrieben oder flüchteten in ein unmittelbares Nachbarland. Also:… Die reichen Länder investieren dort, wohin die Flüchtlinge zuerst fliehen.
Seine dritte Idee: Flüchtlinge sollen an diesen Orten legal leben und arbeiten dürfen. Dafür sollen große Konzerne, begleitet vom Staat, Produktionsstätten in Gebiete nahe von Krisenregionen verlegen.“ (Quelle: Focus.de)
Bis heute hat die EU erkennbar keinen gemeinsamen Weg gefunden, mit der anhaltenden Migrationskrise so umzugehen, dass unsere humanitären Werte ebenso Beachtung finden, wie einer ungebremsten Migration entgegen zu wirken. Spätestens seit der Migrationskrise 2015, als Bundeskanzlerin Merkel für mehr als 1 Million Flüchtlingen die Grenzen öffnete, ist die Gesellschaft auch über Deutschland hinaus, regelrecht zerrissen und die bisher praktizierten Lösungen nicht der Rede wert. Zäune bauen wie in Osteuropa, riesige Flüchtlingslager wie in der Türkei und eine Zusammenarbeit mit „Rebellen“ in Libyen (Klingbeil: Libyen hat quasi nur noch eine Schattenindustrie, die auf Schmuggel, Diebstahl, Menschenhandel und Milizenwirtschaft basiert) sind jedenfalls keine nachhaltigen Lösungen.
Kaum dass sich das Thema „See-Watch 3“ aus den Medien verflüchtigt gibt es neuen Ärger mit gleichem Inhalt: die „Alan Kurdi“ versucht mit 65 aus Seenot Geretteten Lampedusa anzusteuern. Der Ton zwischen dem deutschen und dem italienischen Innenmister wird deutlich schärfer, ohne dass es dabei nennenswerte Fortschritte bei der Lösung des Problems gibt. Wenn unser Innenminister im Lande ebenso konsequent agieren würde wie er es von seinem Amtskollegen fordert, so z.B. in Sachen Abschiebung, wäre vermutlich schon ein großer Schritt getan. Dieses öffentlich aufgeführte Schmierentheater nützt bestenfalls den Populisten und Extremisten, trägt aber nichts zur Lösung der Probleme bei.
Kommentar:
Von Gerhard Werner Schlicke
Herr Schlicke ist Autor und Freier Mitarbeiter bei den Israel-Nachrichten, er lebt und arbeitet in Deutschland.
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