Beginn der Judenverfolgung im Reich der Nationalsozialisten – Chronik von Mai bis Juli 1941, Folge 8.
Nicht nur die jüdische Bevölkerung in Nazi-Deutschland und im besetzten Polen hatte Probleme, sondern auch die Deutschen selbst, was durch diesen chronologischen Ablauf niedergeschrieben werden soll.
1. Mai 1941: Der Staatssekretär des Ernährungsministeriums, Herbert Backe, teilte Josef Goebbels mit, die wöchentliche Fleischzuteilung für den „deutschen Normalverbraucher“ müsse von 500 sauf 400 Gramm gekürzt werden. Diese Kürzung tritt am 2. Juni 1941 in Kraft.
2. Mai 1941: Besprechung des Wehrwirtschaftsgenerals Thomas „mit den Staatssekretären Paul Körner, Erich Neumann und Herbert Backe über die wirtschaftlichen Zielsetzungen des Krieges gegen die Sowjetunion.“ Im Ergebnis stellen sie fest: „Hierbei werden zweifellos zig Millionen Menschen verhungern, wenn von uns das für uns Notwendige aus dem Land herausgeholt wird..!“
6. Mai 1941: Josef Goebbels notiert: „Backe legt die Ernährungslage dar. Wenn nur die diesjährige Ernte gut wird. Und dann wollen wir uns ja im Osten gesundstoßen..!“
9. Mai 1941: Gauleiter Greiser besichtigt das Ghetto Lodz. Die „Siedlungsplaner“ beschäftigen sich mit der „Ostsiedlung“ in der Zeit nach dem Sieg über die Sowjetunion und bereiten im Einverständnis mit Heinrich Himmler die Ansiedlung von Holländern und Flamen vor, die dort als Handwerker und Kaufleute, die unter den deutschen Umsiedlern rar sind, „ein wünschenswertes Gegengewicht gegenüber der unvermeidlichen Hereinnahme slawischer Arbeitskräfte bilden“ sollen. Zugleich wollen die Bevölkerungsökonomen des RKF (Reichskommissare für die Festigung deutschen Volkstums) damit die Überbevölkerung in Holland und Flandern verhindern.
14. Mai 1941: Erste Vorbereitungen für die Umsiedlung von etwa 70.000 Volksdeutschen aus dem besetzten Frankreich ins Elsaß und nach Lothringen. Am gleichen Tag legt Ministerialdirigent Claussen – Reichsernährungsministerium – dar: „Die Ukraine, die Kornkammer der Sowjetunion, ernte jährlich 40 Millionen Tonnen, das heißt 40 Prozent der russischen Gesamternte. Die ukrainische Bevölkerung selbst könne mit 10 bis 15 Millionen Tonnen Getreide auskommen, so dass dieses Land ein großes Überschussgebiet darstelle..!“
20. Mai 1941: Das Reichssicherheitshauptamt ordnet an, die Auswanderung von Juden aus Frankreich und Belgien „im Hinblick auf die zweifellos kommende Endlösung der Judenfrage zu verhindern..!“
23. Mai 1941: In den wirtschaftspolitischen Richtlinien für die Wirtschaftsorganisation Ost/Gruppe Landwirtschaft heißt es zur künftigen Besatzungspolitik in der Sowjetunion: „Viele 10 Millionen Menschen werden in diesem Gebiet überflüssig und werden sterben oder nach Sibirien auswandern müssen. Versuche, die Bevölkerung vor dem Hungertode zu retten und sie mit Getreide aus der Ukraine zu ernähren, unterbinden die Durchaltemöglichkeit Deutschlands im Kriege“. Göring erläuterte die Folgen dieser Richtlinien später so: „In diesem Jahr werden 20 bis 30 Millionen Menschen in der Sowjetunion verhungern. Vielleicht ist das gut so, da bestimmte Völker dezimiert werden müssen.“
27. Mai 1941: Franklin Delano Roosevelt verkündet in den USA den „unbegrenzten nationalen Notstand“. Damit stellte er die Weichen für den späteren Kriegseintritt der Vereinigten Staaten.
29. Mai 1941: Adolf Hitler erlässt Bestimmungen „über die Verwertung des eingezogenen Vermögens von Reichsfeinden..!“ Damit wird – im Hinblick auf die spätere Deportation der Juden – festgelegt, dass die enteigneten Vermögen weitgehend den kommunalen und lokalen Behörden „unentgeltlich übertragen“ werden sollen.
6. Juni 1941: Das Oberkommando des Heeres übermittelt den „Kommissarbefehl“ an die für den Krieg gegen die Sowjetunion vorgesehenen Einheiten. Demnach gilt: „Im Kampf gegen den Bolschewismus ist mit einem Verhalten des Feindes nach den Grundsätzen der Menschlichkeit und des Völkerrechts nicht zu rechnen. Insbesondere ist von den politischen Kommissaren aller Art als den eigentlichen Trägern des Widerstandes eine hasserfüllte, grausame und unmenschliche Behandlung unserer Gefangenen zu erwarten. Die Urheber barbarisch asiatischer Kampfmethoden sind die politischen Kommissare. Sie sind daher, wenn im Kampf oder Widerstand ergriffen, grundsätzlich sofort mit der Waffe zu erledigen.“
Am gleiche Tag besuchte Himmler das Ghetto Lodz und besichtigt die dortigen Schneiderwerkstätten. Zugleich informiert er sich über den „Umbau und die Neugestaltung“ der Stadt Litzmannstadt.
14. Juni 1941: In Warschau findet eine Konferenz über die Erfahrungen statt, die mit den im März/April errichteten Zwangsarbeitslager für Juden gesammelt wurden. Noch im gleichen Monat werden diese Lager aufgelöst.
16. Juni 1941: Das Reichsinnenministerium kündigt an, dass die Juden in den eingegliederten Ostgebieten „demnächst staatenlos“ werden.
17. Juni 1941: Heydrich weist die für die Besetzung der Sowjetunion bereitstehenden Einsatzgruppen an, Pogrome anzustiften. Es folgt der Auftrag, alle Juden in Partei- und Staatsstellungen sowie „sonstige radikale Elemente zu liquidieren..!“
19. Juni 1941: Adolf Hitler versichert Hans Frank, „dass die Juden in absehbarer Zeit aus dem Generalgouvernement entfernt“ würden, das dann „nur noch gewissermaßen ein Durchgangslager“ sei.
20. Juni 1941: Frank berichtet Goebbels, dass man sich im Generalgouvernement bereits darauf freue, „die Juden abschieben zu können. Das Judentum in Polen verkommt allmählich.“ Rosenberg erklärt seinen engsten Mitarbeitern: „Wir sehen durchaus nicht die Verpflichtung ein, aus den südrussischen Überschussgebieten das russische Volk zu ernähren. Wir wissen, dass dies eine harte Notwendigkeit ist, die außerhalb jeden Gefühls steht.“
22. Juni 1941: Beginn des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion.
3. Juli 1941: Der Generalstabschef des Heeres, Franz Halder, stellt fest: „Es ist also nicht zuviel gesagt, wenn ich behaupte, dass der Feldzug gegen die Sowjetunion innerhalb von vierzehn Tagen gewonnen wurde.“
14. Juli 1941: Der Wirtschaftsstab Ost fordert „die baldige Ghettoisierung der Juden in den neu besetzten Gebieten der Sowjetunion, damit die zuverlässigen Nicht-Juden zum Zuge kommen.“
17. Juli 1941: Hans Frank erklärt, „er wünsche keine weitere Ghettobildung im Generalgouvernement, da nach einer ausdrücklichen Erklärung des <Führers> vom 19. Juni d.J. die Juden in absehbarer Zeit aus dem Generalgouvernement entfernt würden.“
Reinhard Heydrich ordnet aufgrund dieses Übereinkommens mit der Wehrmacht an, die aktiven Kommunisten, die Mitglieder der sowjetischen Intelligenz und alle Juden aus den Lagern für sowjetische Kriegsgefangene herauszusuchen und zu exekutieren. Bis zum Frühjahr 1942 werden auf dieser Grundlage etwa 140.000 Kriegsgefangene ermordet.
31. Juli 1941: Besprechung zwischen Wehrwirtschaftsgeneral Thomas und Görings Staatssekretär Körner über „Organisationsfragen Russland“. Zugleich wird festgelegt: „Juden kasernieren und in Form geschlossener Arbeitskolonnen einsetzen.“
In der Sitzung des Wirtschaftsführungsstabes Ost erklärt Backe am selben Tag zum wiederholten Mal, dass für die Versorgung der Stadtbevölkerung der Sowjetunion nur ganz geringe Mengen von Lebensmitteln verfügbar seien. Hermann Göring beauftragt Heydrich in schriftlicher Form, „eine Gesamtlösung der Judenfrage im deutschen Einflussgebiet in Europa“ vorzubereiten und sie „in Form der Auswanderung oder Evakuierung einer den Zeitverhältnissen entsprechend möglichst günstigen Lösung zuzuführen.“
Wie es weitergeht erfährt die Leserschaft der Israel Nachrichten in der nächsten Ausgabe.
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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Von Rolf von Ameln
am 24/06/2019. Abgelegt unter Spiegel der Zeit.
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