Forderungen deutscher Politiker nach dem Tragen von Kippahs als Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinde des Landes seien bei der breiten Öffentlichkeit unter den Tisch gefallen, sagte ein jüdischer Journalist am Mittwoch.
In einem ausführlichen Interview mit dem nationalen Sender Deutschlandfunk argumentierte Michael Wuliger, ein Kolumnist der Jüdischen Allgemeinen, dass die überwiegende Mehrheit der Deutschen trotz eines Anstiegs der antisemitischen Straftaten gegen Juden im Jahr 2018 um 20 Prozent, vom Problem des zunehmenden Antisemitismus unberührt geblieben seien.
Nachdem Deutschlands führender Antisemitismusbekämpfer im vergangenen Monat gewarnt hatte, dass Juden Kippot tragen „immer und überall“ in Deutschland nicht sicher sein könnten, riefen verschiedene Politiker aus dem gesamten politischen Spektrum die Deutschen auf, eine Kippah als Zeichen der Unterstützung zu tragen. Die Zeitung Bild veröffentlichte sogar eine Kippah zum Ausschneiden. Auf die Frage von Moderator Gerald Beyrodt, ob die Solidaritätsaufrufe der Kippah etwas Konkretes gebracht hätten, gab Wuliger eine klare Antwort: „Nichts“, antwortete er. „Absolut gar nichts!“
Wuliger sagte, er habe an der kleinen Gegendemonstration vom vergangenen Samstag in Berlin gegen den „Quds Tag“ teilgenommen – eine von Iran unterstützte jährliche Veranstaltung, die zur Zerstörung des Staates Israel aufruft – und habe trotz mehrerer Aufrufe von Politikern zuvor, keine Kippah in der Öffentlichkeit gesehen.
Auf die Frage von Beyrodt, wie er reagiert hätte, wenn er bei der Berliner Demonstration auf „Tausende von Kippahs“ gestoßen wäre, sagte Wuliger. „Das hätte mir gefallen. Es hätte mich positiv überrascht.“
Wuliger sagte, ein solches Spektakel „wäre in der Tat ein Zeichen dafür gewesen, dass das Thema Antisemitismus nicht nur für Juden, sondern auch für einen großen Teil der deutschen Bevölkerung von Bedeutung ist.“ Er fuhr jedoch fort: „Das war nicht der Fall.“
Auf die Frage, warum es in Deutschland eine solche Gleichgültigkeit gegenüber Antisemitismus gibt, führte Wuliger den geringen Anteil der Juden an der Bevölkerung an – 200.000 von insgesamt 80 Millionen.
„Es trifft nicht einmal zu, dass Hunderttausende von Deutschen sagen können: Ja, ich habe jüdische Freunde hier, sie sind besorgt und deshalb fühle ich mich verpflichtet, denen meine Unterstützung zu zeigen, die sie brauchen“, so Wuliger. „Das ist einfach nicht der Fall. [Antisemitismus] spielt für die Masse der Menschen leider keine Rolle.“
Wuligers Kommentare erfolgten am selben Tag, als Forscher in München bekannt gaben, dass sie in den letzten zwei Monaten 39 antisemitische Vorfälle in der südbayerischen Landeshauptstadt registriert hätten.
Zu den vom Forschungs- und Informationszentrum für Antisemitismus dokumentierten Vorfällen, gehörte das Zeigen eines Hakenkreuzes neben dem NS-Slogan „Arbeit Macht Frei“ auf einem Plakat für eine jüdische Museumsausstellung. Sowie Fußballfans die antisemitische Lieder sangen, während sie in der Münchener U-Bahn waren.
In einem Artikel für die Süddeutsche Zeitung über das Problem des Antisemitismus in München, berichtete der Journalist Martin Bernstein über den Judenhass eines Mannes im Zentrum der Stadt.
Bernstein sagte, dass der Vorfall, der sich Anfang April ereignete, von einem älteren Ehepaar ausgelöst wurde, das vor der Ohel-Jakob-Synagoge der Stadt stand – die 2006 zu Ehren der Opfer des NS-Pogroms „Kristallnacht“ vom 9. November 1938 eröffnet wurde.
Der Mann wandte sich seiner Frau zu und rief mit einer lauten Stimme aus, die anzeigte, dass er von allen um ihn herum gehört werden wollte: „Diese Gebäude wurden für den Judendreck gebaut.“
Nachdem er einen Passanten beschimpft hatte, der ihn aufforderte, seine beleidigenden Kommentare für sich zu behalten, leitete der Mann eine leidenschaftliche Verteidigung der palästinensischen Sache ein, schrieb Bernstein.
„Die armen Palästinenser. Den Juden ist noch nie etwas passiert. Nur den Palästinensern“, beharrte der Mann. In der Zwischenzeit „versicherte uns seine Frau, dass ihr Ehemann kein Nazi wäre“, bemerkte Bernstein.
Dass ist „Alltag in München. Du kannst es nicht glauben – aber du musst“, fügte er hinzu.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.
Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!
Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.