Das Jahr 1940 wurde für die deutschen sowie den europäischen Juden durch das Nazi-Regime noch erbarmungsloser durchgeführt. In diesem Beitrag wird versucht, den weiteren Verlauf für die im Titel angegebenen Monate darzustellen.
4. Januar 1940: Es gab eine Besprechung unter dem Vorsitz von Adolf Eichmann wegen der „Juden- und Polenevakuierung“ in „allernächster Zukunft“. Weitere Teilnehmer waren die Vertreter der Sicherheitspolizei aus den von der Wehrmacht annektierten polnischen Westprovinzen, Vertreter des Wirtschafts-, Verkehrs- und Finanzministeriums sowie der Haupttreuhandstelle Ost. Die Versammelten kamen zu dem Ergebnis, dass für die ins Reich eingegliederten Ostgebiete „die sofortige Juden-Evakuierung“ vorzusehen sei. Nach den Worten Eichmanns wurde sie als „dringlich“ bezeichnet, soll auf Anordnung Heinrich Himmlers geschehen und betrifft nach Berechnungen der zuständigen „Sachbearbeiter“ 350.000 Menschen; – also weniger, als Heydrich noch am 21. Dezember 1939 angekündigt hatte. Allerdings, so musste Eichmann einschränkend mitteilen, „kann der Termin für den Beginn der Deportationen noch nicht bekanntgegeben werden: vor dem 25. Januar ist damit in keinem Fall zu rechnen.“
5. Januar 1940: Im „Großdeutschen Reich“ herrscht bereits ein erheblicher Mangel an Arbeitskräften; – insbesondere in der Landwirtschaft. Aus diesem Grund wurden die ersten Zwangsarbeiter aus dem Generalgouvernement ins Reich verfrachtet. Daher verabredeten Otto Ohlendorf, Reichssicherheitshauptamt, und Regierungsrat Helmut Kästner, Reichsarbeitsministerium, die Umsiedlung der Polen künftig so zu verändern, dass Aussiedler aus dem annektierten Westpolen nicht mehr generell in das Generalgouvernement abgeschoben, sondern je nach Bedarf und, wie bereits im <Fernplan> von Ende November 1939 vorgesehen, nach Leistungsfähigkeit und „rassischer Eignung“ für den Arbeitseinsatz im Reich selektiert werden sollen. Infolge dieser Vereinbarung fand am 11. Januar eine Besprechung zwischen den Vertretern der örtlichen Arbeitsämter und des Reichssicherheitshauptamtes in Posen statt. Thema war das „Problem der doppelten Umsiedlung“, da die aus dem annektierten Teil Polens ins Generalgouvernement abgeschobenen Polen von dort sofort wieder ins Deutsche Reich zur Zwangsarbeit weiter deportiert, also einer „doppelten Umsiedlung“ unterworfen würden, wodurch – und das galt es zu vermeiden – doppelte Reichsbahnfahrten erforderlich wären. Von da an schoben die Nazi-Funktionäre nicht nur Menschen ins Generalgouvernement ab, die aller persönlichen Habe und Produktionsmittel beraubt worden waren, sondern auch zunehmend solche, die entweder nicht oder nur eingeschränkt arbeitsfähig waren.
8. Januar 1940: Es ergeht neue Anordnung Himmlers, „die Evakuierung sämtlicher Juden aus dem annektierten Westpolen vordringlich durchzuführen!“
9. Januar 1940: Anders als Adolf Eichmann am 4. Januar angekündigt hatte, beabsichtigte der „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums (RKF) im Gau Danzig-Westpreußen, wo nur wenige Juden lebten, 400.000 Polen so schnell wie möglich zu evakuieren.
11. Januar 1940: Aus Hohensalza wurden 37.000 und aus der Region Lodz 280.000 Juden „zur Evakuierung vorgesehen..!“
12. Januar 1940: Besprechung mit den zuständigen Referenten im Reichsverkehrsministeriums über die Wiederaufnahme der seit dem 17. Dezember 1939 ruhenden Deportationen. Nach dem Vorschlag des Höheren SS- und Polizeiführers in Posen, Koppe, sollen täglich zwei Züge „mit je 1.000 Personen und zwar Polen aus Posen und Juden aus Lodz zum Abtransport gelangen, um Platz für anrückende Balten- und Wolhyniendeutsche zu erhalten!“
14. Januar 1940: Nach einer Mitteilung Koppes soll die „Aussiedlung“ von 600.000 Juden nicht, wie von Heydrich vorgesehen, am 15. Januar, sondern erst am 15. Februar 1940 beginnen.
8. Februar 1940: In Lodz begann die „Umsiedlung von Juden“ innerhalb der Stadt wegen der Schaffung von Wohnraum für die Balten-Deutschen. Die Akteure sahen hier einen Vorgriff auf die „kommende Evakuierung von Juden in großen Stile.
12./13. Februar 1940: Deportation der Juden aus Stettin in die Gegend um Lublin, um Wohnungen für Balten-Deutsche mit „seegebundenen Berufen“ zu gewinnen.
14. Februar 1940: Der SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, Odilo Globocnik, schlug vor, wie mit den Evakuierten zu verfahren sei: „Die Juden und Polen sollen sich selbst ernähren und von ihren Landsleuten unterstützen lassen, da diese Juden genug hätten. Falls dies nicht gelingt, sollte man sie verhungern lassen..!“
1./2. März 1940: In Lodz werden Polen sowie Juden weiterhin innerhalb der Stadt umgesiedelt, damit „ein erheblicher Wohnraum zur Einweisung von Balten-Deutschen entsteht“.
7. März 1940: Rudolf Barth. Leiter des Amtes für Umsiedlung, erweiterte seinen Vorschlag vom 25. Februar: „Das in der Nähe von Litzmannstadt vorgesehene Konzentrationslager soll nunmehr nicht nur 20.000, sondern 30.000 Häftlinge fassen..!“ Er schlägt weiter vor, das nahe gelegene Kleinstädtchen Tutschin einzuzäunen und in ein KZ zu verwandeln. Da die dort lebenden Juden „alle zur Evakuierung geeignet sind“, sollen sie „also gleich in Tutschin bleiben, um mit umzäunt zu werden.“
21. März 1940: Der Oberbürgermeister von Sosnowitz in Ost-Oberschlesien erklärte: „Die Evakuierung der Juden wird in diesem Jahr, spätestens aber im kommenden Jahr restlos vollzogen sein. Mit diesem Zeitpunkt ist das bisherige Ghetto eine menschenleere Gegend..!“
8. April 1940: Der Leiter der Abteilung Umsiedlung in Warschau, Waldemar Schön, drängt erneut auf die Ghettoisierung der Juden, da nicht mehr daran gedacht sei, „den Lubliner Raum als Sammelbecken für die Juden vorzusehen..!“
19. April 1940: Die Gestapo in Kattowitz stellte fest: „Da das Vermögen der Juden durch die Treuhandstelle größtenteils beschlagnahmt wurde, ist allmählich eine Verarmung und Verelendung der rund 100.000 Juden im Regierungsbezirk Kattowitz eingetreten. Sämtliche Mittel der jüdischen Gemeinden sind erschöpft. Dieser Zustand hat bereits dazu geführt, dass jüdische Armenküchen und Wohlfahrtseinrichtungen geschlossen werden mussten. Im Interesse der Aufrechterhaltung der Ordnung und insbesondere aus gesundheitlichen Gründen für die im Gebiet lebenden Deutschen ist es unbedingt erforderlich, dass die jüdischen Armenküchen und Wohlfahrtseinrichtungen bis zur Abschiebung aufrecht erhalten und und sanitäre Einrichtungen unterhalten werden. Für die Abwendung der allergrößten Gefahr wird der zusätzliche Betrag von 100.000 Reichsmark für jeden Monat bis zur endgültigen Abschiebung der Juden aus Oberschlesien dringend
benötigt..!“
24. April 1940: Adolf Eichmann besucht Posen. Am gleichen Tag erhält die bis dahin mit dem Titel „Amt für Umsiedlung von Polen und Juden“ bezeichnete Behörde die Bezeichnung „Der Chef der Sicherheitspolizei und die SD-Umwandererzentralstelle in Posen“. Sie untersteht den Ämtern III und IV des Reichssicherheitshauptamtes (Ehlich und Eichmann). Aufgabe dieser Institution bleibt die „Evakuierung von Fremdstämmigen im Warthegau“. Dafür arbeiten alle örtlichen Polizei- und SD-Dienststellen, und die Ausgaben werden aus dem beschlagnahmten Vermögen der Vertriebenen bestritten.
27. April 1940: Es ergeht Befehl Reinhard Heydrichs zur Deportation von „mindestens 2.500 Zigeunern aus dem Westen des Reiches in das Generalgouvernement. (Tatsächlich werden jedoch 2.800 deportiert. Anm.d.Verf.)
30. April 1940: Das Ghetto Lodz, nun Litzmannstadt, wird abgeriegelt. Die 160.000 eingeschlossenen Juden sollen bis zum Oktober des gleichen Jahres in das Generalgouvernement abgeschoben werden. Am 8. Mai wird Werner Ventzki zum Oberbürgermeister von Lodz ernannt, der bis dahin als Leiter der Abteilung „Fürsorge“ in Posen die „volksdeutsche Bevölkerung zu betreuen“ und „in Massenunterkünften vorläufig untergebracht hatte.“
Hinter allen hier aufgeführten Zahlen in Bezug auf die jüdische Bevölkerung verbirgt sich das Schicksal eines Einzelnen oder ganzer Familien, die man bewusst in den Tod sandte.
Und wie es weitergeht erfährt die Leserschaft in der nächsten Ausgabe der Israel Nachrichten.
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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