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Beginn der Judenverfolgung im Reich der Nationalsozialisten – Chronologischer Ablauf von September 1939 bis zum Dezember 1939 Folge 3

Die hier niedergeschriebene Chronik umfasst die in der Titelzeile angeführten Monate, und sie beginnt mit mit der Abriegelung des Ghettos in Lodz, das nach Bestimmen des „Führers“ nun Litzmannstadt hieß. Sie umfasst und dokumentiert die Wechselwirkungen des Adolf Eichmann zwischen der allgemeinen Politik der „ethnischen Flurbereinigung“ auf der einen- und der Judenpolitik auf der anderen Seite. Und diese Chronik macht deutlich, wie die Absicht, die Juden binnen kürzester Zeit an die östliche Grenze der deutschen Machtsphäre zu deportieren, aber auch mit den Zwängen kollidierte, die sich aus der Umsiedlung Deutschstämmiger aus Osteuropa plötzlich und immer neu ergaben. Die nach rassistischen Prinzipien aufgegliederten Zahlen der Bevölkerung, die einzelne Nazi-Größe oder SS-Generäle angaben, die von Demographen berechnet und von „Umsiedlungs-Praktikern“ angeführt wurden, wichen meistens voneinander ab. Fast immer waren die in den Deportationsplänen genannten Zahlen weitaus höher als die Zahl der später in Wirklichkeit Deportierten.
18. September 1939: In Mährisch-Ostrau wird vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei in Prag, Franz Walter Stahlecker, „der Abschub von mehreren tausend Juden nach Galizien (das ist die Region um Krakau. Anm.d.Verf.) in Aussicht genommen.“

21. September 1939: Heydrich erlässt Richtlinien zur Konzentrierung der jüdischen Bevölkerung im besetzten Polen und skizziert den Plan zur Schaffung eines Judenreservats östlich von Krakau.

22. September 1939: Heydrich teilt dem Oberbefehlshaber des Heeres mit, dass alle Polen, die im ehemaligen russischen Teils Polens leben, „allmählich nach Osten herausgedrängt“, dass bei Krakau „ein Judenstaat“ eingerichtet und dorthin auch alle „Zigeuner und sonstige unliebsame Elemente“ abgeschoben werden sollen.

27. September 1939: Bildung des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) unter Führung von Reinhard Heydrich.

6. Oktober 1939: Adolf Eichmann erhält von seinem Vorgesetzten Heinrich Müller den Auftrag, mit der Gauleitung in Kattowitz Gespräche „bezüglich der Abschiebung von 70-80.000 Juden aus dem Bezirk Kattowitz zu führen..!“

6./7. Oktober: Adolf Hitler erklärt öffentlich die Absicht, die „ethnographischen Verhältnisse“ in Europa mit Hilfe von Umsiedlungen neu zu ordnen und in diesem Zusammenhang auch nach einer „Regelung des jüdischen Problems“ zu suchen. Er beauftragt Himmler, die neue ethnische Politik als „Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums“ zu planen und zu koordinieren.

9. Oktober 1939: Das Reichsinnenministerium versendet Meldebögen an alle deutschen Heil- und Pflegeanstalten, um potentielle „Euthanasie-Opfer“ zu erfassen. Am gleichen Tag legt eine Gruppe von führenden Psychiatern fest, dass in etwa 70.000 Patienten ermordet werden sollen.

10. Oktober 1939: Der Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD in Prag, Stahlecker, stellt dem Reichskommissar Bürckel in Wien „sehr erfreuliche Aspekte für die Lösung der Judenfrage in der Ostmark“ in Aussicht: „Es besteht die Hoffnung, dass eine größere Anzahl österreichischer Juden deportiert“ und damit „diese Frage in Zeitkürze endgültig gelöst werden kann“. (In Österreich lebten zu dieser Zeit noch etwa 80.000 Menschen jüdischer Abstammung. anm.d.Verf.)

11. Oktober 1939: Anstelle des Judenreservats „östlich von Krakau“ ist nun eines östlich von Lublin vorgesehen. Mit den ersten Deportationen dorthin soll sofort begonnen, darüber ein „Erfahrungsbericht vorgelegt“ und dann abgewartet werden, „bis der generelle Abtransport von Juden angeordnet wird.“

12. Oktober 1939: Adolf Hitler unterzeichnet den „Erlass über die Verwaltung der besetzten polnischen Gebiete, und er ernennt Hans Frank mit Wirkung vom 26. Oktober zum Generalgouverneur.

13. Oktober 1939: Der Chef des Reichskriminalpolizeiamtes, Arthur Nebe, fragt bei Adolf Eichmann an, wann er die Berliner „Zigeuner“ in das geplante Reservat schicken könne. Heydrich gründet die Einwanderer-Zentralstelle Nord-Ost (EWZ). Ihre Aufgabe besteht in der „rassischen Bewertung“, Einbürgerung und zunächst auch in der vorübergehender Unterbringung deutscher Umsiedler. Chef der EWZ wird Doktor Martin Sandberger.

16. Oktober 1939: Adolf Eichmann geht davon aus, dass die Judendeportationen aus Mährisch-Ostrau, Wien und Kattowitz in das Genralgouvernement sofort, die aus dem „Altreich“ aber erst in drei bis vier Wochen beginnen.

17. Oktober 1939: Adolf Hitler erklärt dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Wilhelm Keitel: „Alle Ansätze einer Konsolidierung der Verhältnisse in Polen müssen beseitigt werden, die polnische Wirtschaft muss zur Blüte kommen. Die Führung des Gebietes muss uns ermöglichen, auch das Reichsgebiet von Juden und Polacken zu reinigen. Zusammenarbeit mit neuen Reichsgauen – Posen und Westpreußen – nur für die Umsiedlung.

18. Oktober 1939: Im Hinblick auf die Bildung eines „Judenreservats“ werden 901 Juden aus Mährisch-Ostrau nach Nisko südlich von Lublin deportiert. Eichmanns Mitarbeiter Brunner vermerkt im Hinblick auf die zwei Tage später beginnende Deportation der Wiener Juden: „Die Umsiedlungsaktion beginnt mit dem ersten Transport am 20.10.1939 um 2.00 Uhr mit 1000 arbeitsfähigen Juden von Wien-Aspangbahnhof. Die weiteren Transporte gehen fortlaufend jede Woche Dienstag und Freitag mit je 1000 Juden. Vom vierten Transport aufwärts werden bereits ganze Familien in die Transporte eingeteilt. Mit der gesamten Umsiedlungsaktion werden auch die in der Ostmark befindlichen Zigeuner in Sonderwaggons angeschlossen.“

26. Oktober 1939: Hans Frank tritt sein Amt als Generalgouverneur in Krakau an. Noch an diesem Tag ergeht „mit sofortiger Wirkung“ die „Verordnung über die Einführung des Arbeitszwangs für die jüdische Bevölkerung im Generalgouvernement.“

30. Oktober 1939: Heinrich Himmler ordnet an, dass in den folgenden vier Monaten aus den besetzten polnischen Westprovinzen alle Juden – also 550.000 Menschen -, aus der Provinz Danzig-Westpreußen, auch aus anderen Gebieten, noch zu bestimmenden Teilen „feindlicher polnischer Bevölkerung“ abgeschoben werden sollen. Insgeamt veranschlagt Himmler eine Zahl von einer Million Menschen; – die deutschen, tschechischen und österreichischen Juden und Zigeuner nicht mit eingerechnet.

13. November 1939: Koppe verbietet Juden und Polen im Warthegau den Wechsel der Wohnungen.

23. November 1939: Es ergeht die „Verordnung über die Kennzeichnung von Juden und Jüdinnen“ im Generalgouvernement.

24. November 1939: Erlass Koppes über die „Abschiebung von Juden aus dem Reichsgau Wartheland“. Demnach gelten – anders als in den „Nürnberger Gesetzen“ – „Halbjuden“ als Juden, mit abzuschieben sind arische Ehefrauen, „falls sie sich von ihrer Familie nicht endgültig trennen wollen“. Die jüdischen Ältestenräte müssen „umgehend die Liste der ortsanwesenden Juden in mehrfacher Ausfertigung einreichen“.

21. Dezember 1939: Reinhard Heydrich stellt seinen Mitarbeitern einen geänderten, von Adolf Eichmann ausgearbeiteten zweiten „Nahplan“ vor. Er macht sichtbar, dass der Konflikt zwischen dem Ziel der Deportation von Juden auf der einen Seite und der „Freimachung für die Volksdeutschen“ auf der anderen Seite noch nicht entschieden ist. Anders als noch in der Fassung vom 13. Dezember sollen nun statt 220.000 Polen und Juden „etwa 600.000 Juden abgeschoben“ und ihre Vermögenswerte vollständig beschlagnahmt werden. Die „Räumungsaktion hat“, nach den Worten Heydrichs, „vom Norden beziehungsweise vom Westen in Richtung auf das Gebiet des Generalgouvernements vorgehend, die neuen deutschen Ostgaue gleichsam durchzukämmen!“

Die Vertreibungen sollen im April 1940 abgeschlossen sein und „etwa ab 15.1.1940 beginnen“. Von diesem Zeitpunkt an stelle das Reichsverkehrsministerium Züge „zum Abtransport von täglich etwa 5000 Juden aus den Ostgauen zur Verfügung“: „Zurückstellungen von der Abschiebung sind aus grundsätzlichen Erwägungen in Anbetracht der in genügender Anzahl arbeitslosen Polen nicht vorzunehmen. Es ist vielmehr darauf zu achten, dass die Gebiete restlos von Juden geräumt werden.“

Die Deportierten sollen nicht – wie noch zwei Tage zuvor besprochen – in ein Judenreservat Lublin verschleppt, sondern auf alle Distrikte des Generalgouvernements verteilt werden. „Falls die Möglichkeiten gegeben sind“, sind dort „männliche Juden im Alter von etwa 18 bis 60 Jahren in Arbeitskommandos zusammenzufassen und entsprechend einzusetzen.“

Über die weiteren Überlegungen schreibt Heydrich noch am gleichen Tag: „Da die Säuberung des deutschen Ostens“ nach einem „in allen Einzelheiten klar durchdachten Plan durchgeführt“ werde, sei in der „Räumungsangelegenheit ein <Fernplan> erstellt worden!“ – „Dieser Fernplan wird von Fall zu Fall in mehrere <Nahpläne> aufgeteilt werden!

Fortsetzung von den Monaten Januar bis April 1940 folgt in der nächsten Ausgabe der Israel Nachrichten.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

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Von am 26/05/2019. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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