Altgroßherzog Jean von Luxemburg, „ein Fürst der alten Schule“, ist am 23. April im Alter von 98 Jahren nach kurzer Krankheit verstorben. Er war der erste regierende Monarch der Israel besuchte.
Im Kreis des Hochadels war sein Platz immer in der ersten Reihe: Auf Tuchfühlung und Augenhöhe mit den anderen Königinnen und Königen Europas. Mit den herrschenden Häusern von Belgien und Liechtenstein war er verwandt, mit der englischen Monarchin verband ihn eine Herzensfreundschaft. Altgroßherzog Jean von Luxemburg, von 1964 bis zur Abdankung im Jahr 2000 Staatschef vo n Luxemburg, war als Mitglied des Hauses Nassau-Weilburg und „Königliche Hoheit“ zeitlebens einer der diskretesten und unauffälligsten Royals. Ein Mann ohne Skandale. Wenn Jean bei der jährlichen Geburtstagsparade von Königin Elizabeth II. in der Uniform eines Oberst der Irish Guards direkt hinter der Queen ritt, zeigte dies die ganz besonders engen Beziehungen der beiden Monarchen. Später wurde er sogar Ehrengeneral der britischen Armee.
Am 23. April ist Großherzog Jean von Luxemburg, der Vater des Luxemburger Staatsoberhauptes Großherzog Henri, im gesegneten Alter von 98 Jahren verstorben. Er war kurz vor Ostern wegen einer Lungeninfektion in ein Luxemburger Krankenhaus eingeliefert worden. Premier Xavier Bettel übermittelte die Todesnachricht der Öffentlichkeit. Auch EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, der viele Jahre als Luxemburgischer Premierminister noch mit Großherzog Jean zusammengearbeitet hatte, würdigte Großherzog Jean als „Mann der Tat, der Güte und des Mutes, dessen Tod ein großer Verlust für Luxemburg und Europa bedeutet“.
Jean von Luxemburg, Herzog von Nassau, Prinz von Bourbon-Parma, wurde am 5. Januar 1921 auf Schloss Berg bei Betzdorf in Luxemburg geboren. Er war der älteste Sohn von Großherzogin Charlotte und dem österreichischen 1. Weltkriegs-Offizier Prinz Felix, einem Bruder der letzten österreichischen Kaiserin Zita von Bourbon-Parma. Nach seiner Primär- und Sekundarschule in Luxemburg setzte er von 1934 bis 1938 seine Ausbildung am Ampleforth College (Yorkshire) in Großbritannien fort. Am 10. Mai 1940, als Luxemburg von der Hitler Deutschland besetzt wurde, verließ Prinz Jean mit seiner Familie und der Familie seiner Tante, Kaiserin Zita von Österreich, das Land. Die Flucht führte über Frankreich, Spanien und Portugal in die Vereinigten Staaten, nach Kanada und Großbritannien. In Montreal in Quebec, wo sich die Luxemburger Exilregierung befand, studierte der Prinz Rechts- und Politikwissenschaften an der Universität Laval. Noch während seines Studiums übernahm er durch Besuche bei den Luxemburger Kolonien in Brasilien und den USA erste repräsentative Aufgaben für die Regierung im Exil. Ohne Studienabschluß schloss er sich im November 1942 als Freiwilliger dem Irish Guards Regiment der britischen Armee an. Am 11. Juni 1944, fünf Tage nach der Landung der Alliierten in der Normandie, überquerte Prinz Jean mit seinem Regiment den Ärmelkanal und landete in der Nähe von Bayeux. Er nahm an der Schlacht von Caen teil und kam am 3. September 1944 nach Brüssel. Mit den ersten alliierten Truppen, die das Großherzogtum am 10. September 1944 befreiten, kehrte er mit seinem Vater Felix de Bourbon-Parma nach Luxemburg zurück. Mit den Alliierten setzte Jean die Kampagne in Deutschland bis zum Ende der Feindseligkeiten fort. Die Uniform der Irish Guards legte er auch später immer wieder gerne an. Nach dem Krieg half der Erbgroßherzog tatkräftig beim Wiederaufbau des weitgehend durch die Ardennenoffensive zerstörten Landes. Von 1951 bis 1961 bereitete sich der Erbgroßherzog durch die Mitgliedschaft im Staatsrat auf seine zukünftigen Aufgaben als Staatsoberhaupt vor.
Aus dem Schatten seiner Mutter zum Liebling der Nation
Am 9. April 1953 heiratete er Prinzessin Josephine Charlotte von Belgien, eine Schwester des belgischen Königs, die ihm fünf Kinder schenkte, darunter den am 16. April 1955 geborenen heutige Großherzog Henri. Das Amt des Großherzogs übernahm er von seiner Mutter Charlotte am 12. November 1964. Lange hatte er im Schatten seiner charismatischen, vom Volk geliebten, Mutter gestanden, die 1985 verstorben ist. Der neue Monarch war ein eher ruhiger und zurückhaltender Mensch. Mit der Zeit, im Laufe seiner 36jährigen Amtszeit, überwand er seinen eher scheuen Charakter und wuchs in seine Rolle hinein, auch er wurde vom Volk geliebt. Vor allem seine vielen Besuche im In- und Ausland, wo er um Witze nie verlegen war, brachten ihn den Menschen näher. 1987 besuchte Großherzog Jean und Großherzogin Joséphine-Charlotte in Begleitung des Luxemburger Oberrabbiners Emmanuel Bulz und Konsistorialpräsident Guy Aach auch den Staat Israel. Auf dem Programm des Staatsbesuches standen die Shoah Gedenkstätte Yad Vashem und das Diasporamuseum in Jerusalem. Es war der erste Staatsbesuch eines europäischen Herrscherpaares in Israel überhaupt. Während des Besuches wurde im Kibbuz Kfar Hahoresh in Galiäa ein « Forêt Grande-Duchesse-Charlotte » eingeweiht, der von der jüdischen Gemeinde in Luxemburg zu Ehren der Luxemburger Großherzogin gestiftet worden war.
In der Regentschaft von Großherzog Jean entwickelte sich Luxemburg von einem Industrie- und Agrarland, dessen Wohlstand besonders auf der Stahlindustrie basierte, zu einem internationalen Bankenstandort und modernen Dienstleistungszentrum. Als überzeugter Europäer unterstützte Großherzog Jean von Anfang an den Aufbau Europas bei dem Luxemburg eine wichtige Rolle spielte. Im Jahr 1986 erhielt er deswegen den Karlspreis der Stadt Aachen, stellvertretend für das luxemburgische Volk. Großherzog Jean wurde im In- und Ausland für seine Zurückhaltung geschätzt. Anders als in vielen anderen Herrscherhäusern gab es in Luxemburg keinerlei Skandale. Tief katholisch geprägt, leugnete Jean nie seinen Glauben, ohne diesen jedoch nach außen zur Schau zu stellen. Vor allem das Pfadfinderwesen lag ihm seit seinem Aufenthalt in Großbritannien sehr am Herzen. Als Chefscout war er Präsident der Luxemburger Pfadfinderschaft, es war das längste Amt, das er innehatte.
Im Alter von 80 Jahren gab Jean im Jahre 2000 das Amt des Großherzogs an seinen ältesten Sohn Henri weiter und ließ sich mit seiner Frau Josephine-Charlotte, die 2005 nach einem langen Krebsleiden verstarb, in Schloss Fischbach bei Mersch nieder. Seitdem ließ der Großvater von 21 Enkelkindern und vielen Urenkeln sich nur noch selten in der Öffentlichkeit blicken, beispielsweise bei der Einweihung des nach ihm benannten und von dem berühmten chinesisch-amerikanischen Architekten Ming Pei geplanten Luxemburger Festungsmuseums „Mudam“ 2006. Sein letzter öffentlicher Auftritt war am 26. März bei einem von seiner Schwiegertochter, Großherzogin Maria Teresa, organisierten internationalen Symposium für Frauen als Opfer sexualisierter Gewalt in Kriegsgebieten, wo es sich der betagte Großherzog Jean nicht nehmen ließ, den 50 nach Luxemburg gekommenen überlebenden Opfern dieser Gewalt, darunter eine Friedensnobelpreisträgerin, seine Referenz zu erbieten. Unter stehenden Ovationen wurde der Alt-Großherzog an diesem Tag von seinem Enkel, Erbgroßherzog Guillaume, im Rollstuhl in den Saal im Europäischen Conventioncenter gefahren.
Das Staatsbegräbnis für Großherzog Jean findet am Samstag dem 4. Mai um 11 Uhr in der Kathedrale statt.
Von Bodo Bost
Bodo Bost ist Journalist und freier Mitarbeiter der Israel-Nachrichten. Er berichtet über aktuelle Themen über Judentum und Israel in Europa, er lebt und arbeitet in Luxemburg.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.
Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!
Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.