Zwischen dem vom Nazi-Regime transportiertem Frauenbild und dessen Umsetzung in die Realität lagen wohl Welten, denn die „Volksgenossinnen“ ließen sich auch im Nationalsozialismus nicht auf den Haushalt und das gebären von Kindern reduzieren. Als im Jahre 1937 offiziell verkündet wurde, dass seit der „Machtergreifung“ 1933 rund 700.000 Ehestandsdarlehen an heiratswillige Paare vergeben worden waren, war diese nationalsozialistische Maßnahme zur Regulierung des deutschen Arbeitsmarktes fast schon überholt. Im Juni 1933, bei der Einführung des „Gesetzes zur Verminderung der Arbeitslosigkeit“ waren die Hoffnungen noch enorm groß gewesen.
Junge Ehepaare konnten ein zinsloses Darlehen für den Ehestand in Höhe von maximal eintausend Reichsmark erhalten, wenn die zukünftige Ehegattin sich verpflichtete, ihren Arbeitsplatz aufzukündigen, solange das Darlehen noch nicht zurückgezahlt war. Als Arbeitsplatz im Sinne der Nazis galt nur die Erwerbstätigkeit außer Haus, nicht aber die Tätigkeit als „mithelfende Familienangehörige“ im Betrieb oder auf dem Hof der Familie. Der staatliche Kredit wurde ausgezahlt in Form von Bezugsscheinen für Hausrat und Möbel, die in dafür bestimmten Geschäfte eingelöst werden konnten und für welche die Inhaber der Geschäfte Bargeld von den zuständigen Finanzämtern erhielten. Alle sollten von dieser Aktion profitieren.
Die Frauen sollten ihre Arbeitsplätze zugunsten von arbeitslosen Männern aufgeben und stattdessen ein eigenes Heim aufbauen; – den Ehemännern wurde der Status des alleinigen Familien-Ernährers zuerkannt und die Ladeninhaber konnten auf eine indirekte Subvention für ihre Geschäfte hoffen. Der Anreiz für verheiratete Frauen, ihre Arbeitskraft ganz der Pflege ihrer Familie zu widmen, wurde durch eine weiter Maßnahme der NSDAP erhöht: Jedes neu geborene Kind bedeutete eine Minderung der Darlehenssschuld um ein Viertel – nach vier Kindern war der Kredit dann „erledigt.“
Die in die Partei gesetzten Hoffnungen waren jedoch weitaus größer als die Erfolge. Zwar war eine große Anzahl von Krediten ausgezahlt worden, doch hatte sich weder die Geburtenrate im Reich signifikant erhöht, noch war die Erwerbstätigkeit der „Volksgenossinnen“, die verheiratet waren, deutlich zurückgegangen, und schließlich waren die frei gewordenen Arbeitsplätze von Frauen nicht mit Männern, sondern wiederum mit Frauen besetzt worden! Bereits im Jahre 1936 wurde zudem mit der beginnenden Mobilisierung der Wirtschaft offenkundig, dass auf die Erwerbsarbeit von Frauen nicht verzichtet werden konnte, wollte man die ehrgeizigen ökonomischen – und kriegsvorbereitenden -Ziele erreichen.
Und 1937 fiel daher das faktische „Arbeitsverbot für Volksgenossinnen“, die ein Ehestandsdarlehen in Anspruch nehmen wollten. Es wurde nun fortan auch gewährt, wenn die Ehefrau erwerbstätig blieb. In der kurzen Episode des Ehestandsdarlehens zeigen sich deshalb drei zentrale Facetten der nationalsozialistischen Politik gegenüber den Frauen: 1. Die Förderung von Familie und Heim richtete sich vor allem an Männer, denn nur sie waren als Kreditnehmer zugelassen. Wie in der Ehe setzten die Nationalsozialisten auch auf allen anderen Ebenen ganz auf das „Führer-Prinzip“, denn schon im Jahre 1921 hatte die NSDAP beschlossen, dass Frauen „in die Führung der Partei und in den leitenden Ausschuss nie aufgenommen werden“ können.
Dieses Prinzip blieb unangefochten, bedeutete jedoch nicht, dass Frauen keine Rolle spielten; – im Gegenteil. Aber die politische Organisation von Mädchen und Frauen erfolgte in eigenen Gruppen. Die wichtigsten Organisationen waren die NS-Frauenschaft – 1938 waren bereits 1,5 Millionen Frauen Mitglied – und das Deutsche Frauenwerk mit rund sechs Millionen Mitgliedern, die sich der Ausbildung in Hauswirtschaft und Kinderpflege widmeten. Alle anderen Vereinigungen für Mädchen und Frauen unterstanden einer männlichen Führung: der Bund Deutscher Mädel war Teil der Hitler-Jugend, Millionen von Landarbeiterinnen waren im Reichsnährstand organisiert und die Arbeiterinnen in der Industrie waren Teil der Deutschen Arbeitsfront.
Überall im Reich wurden die Frauen als „Kameradinnen und Volksgenossinnen“ angesprochen, doch war damit keine Gleichberechtigung mit den Männern gemeint, sondern die besondere Aufgabe für Mädchen und Frauen im System der Nazis: Von den jungen Mädchen und Frauen wurde erwartet, dass sie die nationalsozialistische Ideologie ebenso begeistert verinnerlichten wie die Jungen in der HJ. Als Ehefrauen und Mütter sollten sie diese „Lehre“ dann bei der Wahl des Partners umsetzen, wenn möglich, viele Kinder gebären und diese nach nationalsozialistischen Grundsätzen erziehen..! Die so geforderte „Mütterlichkeit“ hatte allerdings nur wenig mit Emotionen wie „grenzenloser Liebe“ gemein, vielmehr galt es, die nationalsozialistischen Überzeugungen ohne „Gefühlsduselei“ und mit Strenge durchzusetzen, um die Kinder für den Nazi-Staat beziehungsweise die „deutsche Volksgemeinschaft“ zu stärken.
Hier zeigte sich eine bedingungslose Politisierung des Privaten im Sinne des Nationalsozialismus, deren „Agentinnen“ die Frauen sein sollten. Die alleinige Führerschaft des Mannes war nur die eine Seite der Medaille; auf der anderen stand eine funktionalistische und politisierte Aufgabe der Frau für den Staat der Nazis, die Frauen und ihre als „wesensgemäß“ bezeichneten gesellschaftlichen Aufgaben erheblich aufwertete. 2. Das war das offizielle Frauenbild, doch in der Wirklichkeit zeigte sich der Nationalsozialismus erheblich pragmatischer. Die Anforderungen an Frauen und ihre Arbeitskraft wurden je nach Lage der Interessen des Nazi-Systems flexibel verändert.
Junge, unverheiratete Frauen sollten immer schon bereit sein, den Interessen des „Dritten Reiches“ und seiner Wirtschaft zu dienen. Die reale Arbeitsmarktpolitik für Frauen richtete sich nicht nach einer Ideologie der Weiblichkeit, sondern nach den Bedürfnissen der Wirtschaftspolitik. Seit dem Jahre 1938 mussten alle ledigen Frauen, die jünger als 25 Jahre waren, ein „land- oder hauswirtschaftliches Pflichtjahr“ absolvieren. Auf dem Arbeitsmarkt zeigten sich darüber hinaus langfristige Trends, die auch von den Maßnahmen des NS-Staates nicht verändert wurden. Bis 1938 stieg die Zahl der Industriearbeiterinnen kontinuierlich an und darunter waren auch viele Frauen, die verheiratet waren und kleine Kinder zu versorgen hatten.
Im Jahre 1939 waren rund ein Drittel aller Erwerbstätigen im Deutschen Reich Frauen. Nach 1939 stieg die Erwerbsquote der Frauen sogar noch einmal stark an. Nun wurden für die Rüstungsindustrie und als Ersatz für die zum Kriegsdienst eingezogenen Männer Frauen bebraucht. Im Jahre 1943 lag die Frauenquote bei 45 Prozent, fast die Hälfte aller Frauen aller erwerbstätigen Frauen musste zur Arbeit gehen. Im Deutschen Reich war damit eine höhere Erwerbsquote von Frauen erreicht als in Großbritannien -42 %- oder den USA mit 37%. 3. Schließlich war die Frauenpolitik des NS-Regimes eindeutig den rassistischen Zielen des Staates unterworfen: Ein Darlehen konnten nur Paare mit „deutscher Abstammung, politisch einwandfreier Haltung“ sowie „körperlicher und erblicher Gesundheit“ erhalten.
Damit waren alle die ausgeschlossen, die unter geistigen oder körperlichen Krankheiten litten, die zu den politischen Gegnern des Regimes zählten, oder die als „undeutsch“ aus der „deutschen Volksgemeinschaft“ ausgegrenzt wurden. Zu dieser Gruppe zählten vorrangig vor allem die Juden, aber auch Sinti und Roma. Ihnen wurden gesetzlich alle ökonomischen Grundlagen zur Gründung einer Familie, zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze und zur Erziehung ihrer Kinder entzogen. Sie galten als „Volksfremde“ und damit „als minderwertiges Menschenmaterial“.
Der Nazi-Staat verfolgte diese Bevölkerungsgruppen mit System und mit dem Ziel, sie aus Deutschland zu vertreiben und sie letztendlich umzubringen. Die Verfolger machten dabei keinen Unterschied zwischen Männern, Frauen und Kindern, sondern nur zwischen „Volksgenossen“ und „Volksfremden“. Und diese Unterscheidung hatte – wie wir alle wissen – dramatische Konsequenzen – und sie konnte bzw. war für die Betroffenen tödlich sein. Es war vor allem diese rassistische Grundlage des Nazi-Regimes, die den zentralen Widerspruch in der Frauenpolitik ausmachte.
An dieser Stelle sei mir gestattet, einige persönliche Anmerkungen einzuflechten: Am 13.04.2019 fuhr ich mit meinem Pkw. zur Apotheke Am Alten Markt in Landstuhl. Beim Einparken bemerkte ich einen Stand der AfD (Alternative für Deutschland), der Info-Blätter samt einem Kugelschreiber an die vorübergehenden Passanten verteilte. Einer der „Herren“ kam mit eilenden Schritten auf mein Fahrzeug zu und erkundigte sich sehr freundlich, ob ich Interesse für die Arbeit der AfD-Partei zeigen wolle und Info-Material mitnehmen würde? ich verneinte kategorisch mit dem Satz: „Nein, danke, es gab schon einmal das Jahr 1933, und das hat mir gereicht bis heute..!“ Die Freundlichkeit verschwand aus dem Gesicht des AfD-Werbers, und er entgegnete mit Wut: „Auch Sie werden eines Tages merken, woher der Wind wieder in Deutschland weht..; – warten Sie mal die nächsten Wahlen ab.“
Unverhohlener kann man im „Land der Meinungsfreiheit“ nicht drohen, wenn man die Ansichten und das Programm dieser rechtsradikalen Partei, die sich n o c h als „Wolf im Schafspelz“ zeigt, nicht teilt.
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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