Die unaufhaltsamen Angriffe des Nazi-Regimes wurden nach der „Machtergreifung“ für die deutschen Juden erdrückend, und wer konnte, floh aus Deutschland. Im Jahre 1940 hatte rund die Hälfte von ihnen das Reich Hitlers verlassen, zwei Drittel davon Kinder! Aus Sicht der Deutschen waren die Juden, die geblieben waren, als menschliche Wesen unsichtbar, aber als Phantom einer bösen Macht, die das „Dritte Reich“ bedrohte, allgegenwärtig. Und so glaubten Frauen wie die in Minsk als „Truppen-Unterhalterin“ tätige Brigitte Erdmann, die über die Präsenz von Juden im Osten erstaunt waren, dass sie zuvor noch nie einen „wirklichen Juden“ gesehen hätten, während in Wirklichkeit viele in ihrer Jugend im deutschen Alltag mit Menschen jüdischen Glaubens in Kontakt gekommen waren.
Die soziale Norm, die schlimme Situation der deutschen Juden nicht zur Kenntnis zu nehmen, ja, sie zu ignorieren, verband sich mit der Erwartung, deutsche Mädels sollten eine weibliche Form von Härte verkörpern. Zu den Sportübungen junger Frauen im Bund Deutscher Mädchen gehörten Marschdrill und scharfes Schießen. Sie, die im Grunde noch Mädchen waren, lernten, in Formation zu marschieren und mit dem Luftgewehr zu schießen. Die lange Tradition des preußischen Militarismus pflegte nicht nur eine Kultur des totalen Krieges und der „Endlösung der Judenfrage“, sondern integrierte in ihrer faschistischen Form des 20. Jahrhunderts Frauen als patriotische Erzieherinnen und Kämpferinnen in eine kriegerische Gesellschaft.
Die körperliche Ertüchtigung war gepaart mit einer regelrechten Verdummung der Bevölkerung. Deutsche Mädchen wurden in den Schulen nicht in Fächern wie Latein unterrichtet, denn künftige Mütter brauchten derartiges Wissen nicht. An Stelle dessen erhielten sie Broschüren, wie man einen Mann findet. Die erste Frage, die sie einem zukünftigen Ehegatten stellen sollten, lautete: „Wie sieht es mit deiner arischen Abstammung aus?“ Für Frauen im heiratsfähigen Alter galten solche Hinweise und gesellschaftliche Unterstützung als nützlich. Auch das öffentliche Bekenntnis zur Mutterschaft übte so manchen Reiz aus, denn Hitler hatte einst verkündet: „In meinem Staat ist die Mutter die wichtigste Staatsbürgerin.“
Nie zuvor waren Mütter in den Genuss von so viel Anerkennung und so vielen Leistungen gekommen. Es gab mehr Kinderbetreuungseinrichtungen, mehr „Rassenhygiene“ und unzählige festliche Ehrungen wie zum Beispiel die Verleihung des Mutterkreuzes an Frauen mit mehr als vier Kindern. Die Propaganda der Nazis wollte die Frauen wieder in den privaten Bereich von „Kinder, Küche, Kirche“ zurückdrängen, und die finanziellen Anreize, welche die Zahl der Eheschließungen und die Geburtenrate steigern sollten, brachten jedoch nicht die von der Nazi-Führung erwarteten Resultate. Es zeigte sich laut Statistik, dass die meisten deutschen Frauen nach 1935 nicht verheiratet waren, nicht ständig schwanger waren und nicht zu Hause blieben.
Aber man darf die Entscheidungsfreiheit der Frauen, die sie in Hitlers Reich genossen, nicht überschätzen. So konnten sie sich mit Sicherheit nicht dazu entscheiden, einen Juden zu ehelichen oder ein Kind mit einer angeblichen Erbkrankheit aufzuziehen. Politische Optionen gab es nicht mehr, denn die NSDAP war nunmehr die einzige Partei, und die Karrierewege, die ihnen noch offen standen, waren äußerst begrenzt. Vor dem von Hitler angezettelten Krieg mussten alle Deutschen, die frisch von der Schule kamen oder ein Studium an einer Universität planten, einen sechs Monate dauernden Arbeitsdienst für das Reich ableisten, und zwar überwiegend in der Landwirtschaft.
In den Lagern des Reichsarbeitsdienstes (RAB) herrschte zwar Geschlechtertrennung, aber ansonsten waren dort alle sozioökonomischen Schichten vertreten, denn die jungen Menschen sollten ein nationales Gefühl der Kameradschaft entwickeln. Als Teil von Hitlers Vorbereitung zum Krieg hatte Anfang des Jahres 1938 jede Frau, die sich an einer höheren Bildungseinrichtung oder an einer Handelsschule einschrieb, eine Grundausbildung in drei Bereichen zu absolvieren: Luftabwehr, Erste Hilfe und Fernmeldewesen..! Das System der Nazis duldete keine Nonkonformisten. Sobald sie einmal in Büros der Wehrmacht oder einer Zivilverwaltung saßen, konnten weibliche Angestellte nicht mehr entlassen werden, es sei denn aus gesundheitlichen Gründen; – dazu gehörte auch die Schwangerschaft, oder aus sogenanntem Fehlverhalten, für das sie bestraft wurden. Die Pflicht, dem Reich zu dienen, war den Kindern schon in der Schule und in „Jugendprogrammen“ eingebleut worden, und diejenigen, die als „arbeitsscheu“ oder als „Drückeberger“ galten, kamen zur „Umerziehung“ in Konzentrationslager.
Als Hitlers „Großdeutsche Wehrmacht“ im Sommer 1941 weite Gebiete im Osten eroberte, wurde die Arbeitspflicht ausgeweitet, und immer mehr Frauen wurden in kriegswichtigen Industriezweigen, Ämtern und Krankenhäusern sowie Feldlazaretten eingesetzt. Die Führung der Nazis bereitete sich auf einen Totalen Krieg und ein totales Imperium vor, denn letztendlich sollte ganz Europa ein Hort des „Ariertums“ sein, der von Hitlers Hauptquartier in Berlin, dem zukünftigen „Germania“ aus regiert werden sollte. Solche globalen Forderungen des „Führers“ verlangten die Schöpfung einer neuen Kaste, einer deutschen Imperial-Elite, die aus jungen Männern und Frauen bestehen sollte.
Fortsetzung über den Einsatz der Frauen im Osten folgt in der nächsten Ausgabe der IN.
Von Rolf von Ameln
Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.
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