ZUSAMMENFASSUNG: Zwei Themen lenken die Aufmerksamkeit auf das breite Spektrum des belgischen Antisemitismus, ein Problem, das normalerweise unter dem internationalen Radar bleibt. Das eine ist der Prozess gegen Mehdi Nemmouche, den mutmaßlichen Mörder von vier Personen im Brüsseler Jüdischen Museum im Jahr 2014. Das andere ist das Verbot von rituellen Schlachtungen in Flandern und der Wallonie. Diese Fälle sind nur die Spitze des Eisbergs des belgischen Antisemitismus und des Antiisraelismus. Es gibt auch extreme Fälle von muslimischem, politischem, akademischem und gewerkschaftlichem Antisemitismus. Selbst in Schulbüchern findet man Antisemitismus.
Obwohl der Antisemitismus in Belgien weit verbreitet ist und viele Facetten hat, findet er wenig internationale Beachtung. Zwei aktuelle Probleme haben dies etwas geändert. Eines ist der Prozess gegen den französischen Staatsbürger Mehdi Nemmouche in Brüssel, der am 24. Mai 2014 im Jüdischen Museum in Brüssel vier Menschen getötet haben soll. Nemmouche ist ein Dschihad-Veteran, der in Syrien gekämpft hat.
Das andere Problem ist das Verbot der angeblich unmoralischen rituellen Schlachtungen in der Region Flandern, das Anfang dieses Jahres in Kraft trat. Die meisten Juden in dieser Region, von denen viele orthodox sind, leben in Antwerpen. In der Wallonie wird 2019 dasselbe Verbot erlassen. Dieses Verbot schadet auch Muslimen die Halal-Fleisch bevorzugen, das wie koscheres Fleisch von Tieren stammt, die ohne Betäubung geschlachtet wurden.
Diese beiden Themen sind nur die Spitze des belgischen antisemitischen Eisberges. Der Oberrabbiner von Brüssel, Albert Guigui, trägt aus Angst vor Gewalt in der Öffentlichkeit keine Kippa mehr. Im Jahr 2001 wurde er von fünf nordafrikanischen Jugendlichen angegriffen, die ihn beschimpften und ihm ins Gesicht spuckten. Einer schlug ihm sogar ins Gesicht.
Anfang 2019 wurde die belgische Liga gegen Antisemitismus (LBCA) auf ein YouTube-Video von Muhammad Toujgani aufmerksam, einem Imam der El Khalil-Moschee in Brüssel. Darin predigte Toujgani:
„Herr, Meister der Welten, fülle die Herzen der zionistischen Unterdrücker mit Angst. Herr, erfülle ihre Herzen mit Furcht. Herr, lass die Erde unter ihren Füßen zittern. Herr, mach das Blut der Märtyrer zu einer Waffe unter den Füßen der zionistischen Unterdrücker und möge dieses Blut ein Feuer entzünden, das sie verbrennt und einen Sturm auslösen, der sie hinwegfegt. […] O Herr, reiß sie nieder.“
Als das 2009 aufgenommene Video ans Licht kam, entschuldigte sich Toujgani. Es wird erwartet, dass Toujgani der nächste Präsident der Konferenz belgischer Imame wird.
Als der frühere sozialdemokratische Premierminister Elio Di Rupo die Art und Weise wie Belgien regiert wurde, angriff, sagte er: „Wir haben heute ein belgisches Diamantenhändlergeschäft in Antwerpen.“ Obwohl die Beteiligung der Juden an der Antwerpener Diamantenindustrie stark zurückgegangen ist, bleibt ihr Image weitgehend jüdisch. Man könnte Di Rupos Ausdruck als Paraphrasierung des klassischen europäischen antisemitischen Einsatzes des Namens Rothschild betrachten, der als Code verwendet wird, um gierige Kapitalisten zu symbolisieren.
Di Rupo schrieb nach dem Mord an Charlie Hebdo und dem Mord an vier Juden in einem Pariser Supermarkt auf Twitter: „Ich bin Charlie. Ich bin jüdisch. Ich bin Palästinenser.“ Nach der Entführung von Gilad Shalit im Jahr 2006 wurde eine Presseerklärung von Di Rupo herausgegeben, in der er sagte, Israel würde dies als Vorwand nutzen, um einen Krieg mit dem Libanon zu beginnen.
Mehrere Polizeibeamte, die unter einem Brüsseler Polizeikommissar gedient hatten, beklagten sich über dessen angebliche Hassrede gegen Schwule, Ausländer und Juden. Zwei Polizisten mit jüdischen Wurzeln wurden in sein Büro gerufen und gezwungen, Nazi-Lieder zu hören. Der fragliche Kommissar hat auch den Holocaust bestritten.
Ein Universitätsdozent und leitender Angestellter der großen belgischen ACOD-Gewerkschaft – dem General Center of Public Services – schrieb, dass Israel Palästinenser vergiftet und ihre Kinder tötet, um ihre Organe zu verkaufen.
Andre Gantman, ein ehemaliger jüdischer Stadtrat in Antwerpen, sagt, als er 2009 an der Universität von Antwerpen sprach, fragte ihn ein junger, weiß gekleideter Muslim: „Befindet sich in Ihren Adern menschliches Blut?“ Gantman sagte, die Versuche des Mannes ihn zu entmenschlichen erinnerten ihn an die nationalsozialistische Ideologie.
Der Politikwissenschaftler und Professor Joël Kotek, ist der weltweit führende Experte für antisemitische Cartoons. Er unterrichtet an der französischsprachigen Freien Universität in Brüssel. Kotek erklärt: „Der Antizionismus ist in Belgien zu einer bürgerlichen Religion geworden. In seiner Bibel könnte man lesen, dass alles, was im Nahen Osten passiert, die Schuld Israels ist.“
Selbst Schulbücher sind in Belgien anti-israelisch politisch voreingenommen. In einem Lehrbuch der sechsten Klasse in niederländischer Sprache wurden die Schüler angewiesen, Sätze mit korrekter Intonation vorzulesen. Ein Satz lautete: „Als ein palästinensisches Kind in Jerusalem einen jüdischen Soldaten ankommen sah, erschrak er vor Angst.“ Manchmal enthalten Lehrbücher antisemitische Ideen. Eine Illustration im Geografiebuch Polaris GO! 3 für flämisch sprechende Gymnasiasten aus dem Jahr 2016 zeigt einen bulligen orthodoxen Juden, der sich in einer überfüllten Badewanne räkelt, während eine Palästinenserin kaum genug Wasser hat um ihren Eimer zu füllen.
Joel Rubinfeld, Gründer und Präsident der LBCA, muss für den Kampf gegen Belgiens allgegenwärtigen Antisemitismus gewürdigt werden. Er sagte, dass seine Organisation in den letzten drei Jahren „an öffentlichen Schulen ein Dutzend Fälle mit antisemitischem Mobbing an jüdischen Schüler behandelt habe“. Er fügte hinzu, dass „sie und nicht die antisemitischen Aggressoren die Schulen verlassen mussten.“
Der britische Filmemacher Ken Loach erhielt die Ehrendoktorwürde der Niederländischsprachigen Freien Universität Brüssel. Er unterstützt den Boykott Israels und hat die Aktionen Israels mit denen von Nazi-Deutschland verglichen. Die ehemalige sozialdemokratische Europaparlamentarierin Veronique de Keyser sagte einmal, dass sie den israelischen Botschafter erwürgen möchte, wenn er mit ihr über die Sicherheitsfragen des Landes bespricht.
Der belgische Soziologe Mark Elchardus führte mehrere Studien zum Antisemitismus bei Schulkindern in Europa durch. Er fand heraus, dass in niederländischsprachigen Schulen in Brüssel, sowie in den flämischen Städten Antwerpen und Gent 50% der muslimischen Schüler antisemitische Einstellungen hatten. Bei anderen Schülern waren es nur 10%.
Eine muslimische Organisation beklagte sich über Elchardus Studie am Zentrum für Chancengleichheit und den Kampf gegen Antisemitismus. Elchardus hätte die Beschwerde eigentlich abweisen müssen, doch nach Aussage von Elchardus hätten Rechtsexperten einen Monat gebraucht, um zu dem Schluss zu gelangen, dass es sich um eine falsche Anschuldigung handele.
Die oben genannte Reihe von Vergehen ist nur eine kleine Auswahl von Vorfällen von Antisemitismus und Antiisraelismus in Belgien.
In der Vergangenheit hatten die Staats- und Regierungschefs des Landes das Bedürfnis, die universelle Gerichtsbarkeit in Bezug auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord anzuwenden. Jeder Privatbürger auf der ganzen Welt kann eine Klage gegen irgendjemanden vor belgischen Gerichten einreichen, die dann über die Strafverfolgung entscheiden können. Die Beschwerde musste keine Verbindung zu Belgien haben.
Für ein Land mit der vielleicht schrecklichsten kolonialen Vergangenheit der Welt, erscheint das absurd.
Die Gelegenheit wurde von mehreren Überlebenden und Familienmitgliedern der Opfer der Morde an Hunderten von Palästinensern in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila im Libanon im Jahre 1982 genutzt. Ihre Klage war nicht gegen ein bekanntes Mitglied der libanesischen christlichen Milizen gerichtet, das tatsächlich die Morde begangen hatte, stattdessen zielte sie auf den israelischen Premierminister Ariel Sharon und zwei israelische Generäle ab.
Der belgische Untersuchungsrichter entschied, dass es keine Grundlage für eine Strafverfolgung gab, das belgische Gericht entschied jedoch, den Klageantrag trotzdem zu verfolgen. Danach wurde nach belgischem Universalgesetz eine Klage gegen US-Präsident George Bush Sr., US-Außenminister Colin Powell und den pensionierten General Norman Schwarzkopf, wegen ihrer Rolle im Golfkrieg von 1991 eingereicht. Die USA erklärten Belgien, dass sie das NATO-Hauptquartier aus Brüssel herausziehen würden, wenn der Prozess voranschreitet. Das belgische Parlament reagierte mit einer Gesetzesänderung und der Sharon-Prozess wurde beendet.
Von Dr. Manfred Gerstenfeld (BESA)
Dr. Manfred Gerstenfeld ist Senior Research Associate am BESA Center und ehemaliger Vorsitzender des Lenkungsausschusses des Jerusalem Center for Public Affairs. Er ist auf israelisch-westeuropäische Beziehungen, Antisemitismus und Antizionismus spezialisiert und ist Autor des Buches „Krieg der Millionen Schnitte“.
BESA Center Perspectives Paper No. 1,088, February 11, 2019
Begin-Sadat Center for Strategic Studies
Bar-Ilan University, Ramat Gan, Israel.
Übersetzung: Dr. Dean Grunwald
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