Neun Monate, oder 268 Tage dauert eine normale Schwangerschaft beim Menschen. Neun Monate, in denen das Kind im Mutterleib wächst, sich entwickelt, von der Mutter ernährt wird und eine intensive Beziehung zu ihr aufnimmt. Im Gegensatz zur Tierwelt bedarf es keiner nachgeburtlichen Prägezeit. Mutter und Kind sind sich unmittelbar nach der Geburt vertraut. Sie sind einzigartig füreinander. Das gilt für Einzelgeburten, aber auch für ein- oder mehreiige Zwillings- oder Mehrlingsgeburten. Nur die Mutter schafft es von der ersten Minute an, eineiige Säuglinge auseinanderzuhalten.
Mütter, die aus verschiedenen Gründen, die im Sinne des Kindeswohls immer zu akzeptieren sind, ihre Kinder unmittelbar nach der Geburt zur Adoption freigeben, können entscheiden, ob sie ihr Kind unmittelbar nach der Geburt sehen wollen, oder ob es gleich an die Adoptiveltern oder das Jugendamt übergeben wird. Gleiches gilt auch für die Mütter, die ihr Kind an einem sicheren Ort, der Babyklappe, anonym abgeben.
Zwangsadoptionen sollten, so hofft man, ein Phänomen sein, das es seit dem Mauerfall in der westlichen Welt nicht mehr geben wird.
In der DDR wurde von 1960 bis 1989 eine bislang unbekannte Zahl von Säuglingen, Kleinkindern und Kindern von «Staats wegen» von den Eltern getrennt. Teilweise wurden die Säuglinge als Totgeburten registriert, teilweise erfolgte die Trennung später. Margot Honecker, die Frau des letzten Staatsratsvorsitzenden der DDR, zeichnete hauptverantwortlich für dieses Programm. Die Eltern wurden als asozial oder staatsfeindlich eingestuft, der Willkür waren keine Grenzen gesetzt. Immer noch versuchen Eltern und Kinder den durchschnittenen Beziehungsfaden wieder zusammenzufügen. Margot Honecker äußerte sich 2011 in einem Interview: «Es gab keine Zwangsadoption. Mich haben diese Fälle eher immer gerührt, wenn Leute auf diese verantwortungslose Weise ihre Kinder im Stich gelassen haben.» Die Eltern hatten meist nichts anderes getan, als einen Ausreiseantrag zu stellen.
Auch in der Schweiz gab es von 1926 bis 1972 die Zwangswegnahme von Kindern. Betroffen waren mehr als 2000 Kinder von «Fahrenden». So lautet die offizielle Bezeichnung in der Schweiz für die heute als nationale Minderheit anerkannte Gruppe der «Jenischen». Der eigens zu diesem Zweck gegründete Verein «Pro Juventute», war allein für 600 gestohlene Kinder verantwortlich. Es war unerheblich, ob die Eltern sesshaft waren, oder tatsächlich noch einen fahrenden Lebensstil hatten. Zumeist lebten sie in Heimen, in denen die Kinder umerzogen werden sollten, in einer entsprechend lieblosen Umgebung. In seltenen Fällen wurden sie zur Adoption freigegeben, ein Vorgehen, das das «Hilfswerk» wegen der fehlenden Einflussnahme zu vermeiden versuchte.
In anderen Staaten hatten die Zwangswegnahmen von Kindern zumeist einen rassistischen Hintergrund. In Australienwaren es meist Kinder, von denen ein Elternteil nicht zu den Aborigines gehörte. In den USA und Kanadawaren es zumeist Kinder von indianischen Eltern, die entweder zur Adoption freigegeben wurden (etwa 20.000) oder in meist kirchliche Heime eingewiesen wurde (etwa 150.000). In Argentinienwurden zwischen 1976 und 1983 in der Haft geborene Kinder von Regimegegnern von der Regierung zur Adoption freigegeben. Insgesamt sollen auf diese Art etwa 500 Kinder ihren Ursprungsfamilien entrissen worden sein. Diese Zahlen werden übertroffen von dem, was zur Zeit der Franco Diktatur (1936 – 1977) im kleinen Spanien geschah. Jungen Müttern, die entweder arm oder alleinstehend waren teilte man mit, dass ihr Kind tot zur Welt gekommen sein. Tatsächlich wurden etwa 30.000 sogenannte «irreguläre» Adoptionen durchgeführt.
Es ist beschämend, feststellen zu müssen, dass es auch in Israel zwischen 1981 und 1986 zahlreiche ungeklärte Fälle von plötzlichem Kindestod gibt. Die Kinder kamen nach einer problemlosen Schwangerschaft gesund zur Welt. Für die Eltern völlig unverständlich, «verstarben» sie in den ersten Lebensstunden. Betroffen waren ausschliesslich Kinder von äthiopischen Frauen, die noch nicht lange in Israel lebten. Zahlen gibt es nicht, auch keine Informationen, was mit den Kindern tatsächlich geschah. Es gibt keine Gräber, es gibt keine Dokumente, es gibt nur Ungewissheit. Die Äthiopier tragen ihr Herz nicht auf der Zunge, dazu kamen in der ersten Zeit Sprachschwierigkeiten, die mögliche Nachforschungen verunmöglichten.
Abertausende von Elternschicksalen. Eine nicht enden wollende Trauer. Quälende Fragen, Selbstvorwürfe. Zerrissene Familien. Der natürliche Trieb der Eltern, ihre Kinder zu schützen, darf nicht ausgelebt werden.
Was aber geht in den Köpfen von Eltern vor, die ihr Baby oder Kleinkind ohne zwingende Not einfach zurücklassen? In der Hoffnung, dass sich irgendein Mensch erbarmt und sich des Kindes annimmt? Eltern, die nur das eigene Wohl im Kopf haben?
In der vergangenen Woche wurde am Grenzübergang Erez, zwischen Israel und Gaza, ein vier Jahre alter Knabe aufgefunden. Er war offiziell mit seinem Vater nach Israel ausgereist, um dort eine notwendige medizinische Behandlung zu erhalten. Statt gemeinsam mit seinem Kind wieder nach Haus zurückzukehren, stellte der Vater den Kinderwagen im Wartebereich des Grenzübergangs ab und verliess den Terminal Richtung Israel. Die Videokamera zeigte, dass er es wohl der «Obhut» eines Fremden überliess, bevor er sich davon machte. Oberst Eyad Sirhan, Chef der COGAT( Coordination of Government Activities in the Territories), berichtete über den Vorfall auf seiner Facebook Seite.
Der Vater zog es vor, nach Israel zu gehen und dort in der Illegalität zu leben. Ein trauriger Vorfall, der leider kein Einzelfall ist. Seit einigen Monaten erleben es die Soldaten immer wieder, dass Kleinkinder allein und schutzlos an der Grenze aufgefunden werden.
Leider widerspiegelt dieses unverantwortliche und unmenschliche Vorgehen genau die «Wertschätzung», die die Terrororganisation Hamas Kindern und Jugendlichen entgegenbringt. Nützliche Opfer.
Von Esther Scheiner
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