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Vernichtung der Juden durch Einsatzgruppen und Wehrmacht: Das Wesen des „Feindes“

Die SS-Einheiten, genannt auch Einsatzgruppen, darunter Polizisten, kamen unmittelbar im Gefolge der vorrückenden „Großdeutschen Wehrmacht“ nach Russland. Die Einsatzgruppen wurden dahingehend instruiert, sämtliche Juden, derer sie habhaft werden konnten, da sie eine „Hauptbedrohung der deutschen Sicherheit darstellten“, standrechtlich zu erschießen; gleichgültig, ob Männer, Frauen oder Kinder. Es hätten ja auch „Partisanen sein“ können..! Daraufhin erschossen die operierenden Einsatzgruppen systematisch mit Wissen der Wehrmachtdienststellen in den eroberten Ostgebieten Hunderttausende von Juden.

SS- und Polizei Einsatzgruppe beim Massenmord. Foto: Yad Vashem

Vor all diesen Geschehnissen konnten die deutschen Soldaten nicht immer die Augen verschließen, und es kam sehr oft vor, dass örtliche Kommandeure der Wehrmacht ihren Soldaten gestatteten oder gar befahlen, an den Tötungen teilzunehmen. In der Folge war es kein Wunder, dass authentische Fotos existieren, auf denen deutlich zu erkennen ist, wie Männer in Wehrmachtsuniform jüdische Frauen erschießen, die Kleinkinder auf dem Arm hatten. Derartige Vorkommnisse machten schnell die Runde und hatten einen entsprechenden Verfall der Kampfmoral zur Folge; es kam zu einer unleugbaren Diffamierung der Ziele, für die man kämpfte.

Aus dem Oberkommando der Wehrmacht verlautete nach Kenntnis der „Vorfälle“: Greift so etwas in einer Armee um sich, ist das dem Kampfgeist abträglich. Wie so viele Aspekte der territorialen Lösung lässt sich auch der moralische Schaden, der unseren Armeen damit zugefügt wurde, nicht in Prozent oder anderen fasslichen Größenordnungen messen. Und dennoch war es an der Ostfront ein ernst zu nehmender Faktor. Wie der Defaitismus, stellt auch der Zweifel an sich selbst eine unsichtbare, aber gleichwohl schwere Belastung der Kriegsanstrengungen dar.

Soldaten kennen das Handwerk des Tötens, Krieg ist Soldatentum in seiner reinsten Ausprägung. Gelegentlich müssen Soldaten auch traurigere, schmutzigere Arbeiten auf sich nehmen. Sie müssen Spione und Partisanen erschießen, die mit verbundenen Augen vor ihnen stehen. Doch das bedeutet nicht, dass der Soldat – insbesondere der deutsche Soldat, der auf Anstand und Ehre ebenso gedrillt ist wie auf Härte und Ausdauer im Feld – mit derlei Aufgaben immer und in jedem Fall fertig wird. Man denke auch an die Erzählungen der heimkehrenden Urlauber, die von den Einsatzgruppen berichten. Wir müssen seitens der Führung vorsichtiger sein, damit es im Reich ruhig bleibt.

General von Seydlitz schrieb in seinem Tagebuch vom „Wesen des Feindes“: Wir kamen zur Kernfrage der Sache: war die Lösung trotz all ihrer nachteiligen Auswirkungen wirklich eine kriegswichtige Sicherheitsmaßnahme? Stellten die Juden wirklich jene äußerste Bedrohung der Sicherheit des Reiches dar, auf die Hitler immer hinwies? Und in dieser Frage noch eine zweite: welchen Reiches? Seit der Französischen Revolution waren aus unserer Philosophie und unserer Politik zwei Reichskonzeptionen hervorgegangen, von denen die eine die andere ausschloss: a) Das liberale Konzept: ein friedfertiges Reich, universell in seiner Kultur, mit größter Freiheit für die Juden, die Etablierung einer bürgerlichen Demokratie in Nachahmung Frankreichs oder Englands, sowie eine untergeordnete militärische Stellung Deutschlands. b) Das nationalistische Konzept: das Reich als aufsteigende Weltmacht, der natürliche Nachfolger des britischen Empire; eine von fremden Einflüssen gereinigte deutsche Kultur; bewaffnete Streitkräfte auf der bonapartistischen Grundlage eines „Volkes in Waffen“; strenge mystische Bindung an den „König“, die Scholle und die altchristlichen Werte. Beide Konzepte überlagernd, entwickelte sich der Sozialismus mit seinem sentimentalen und giftigen Mischmasch von Weltverbrüderung, Gleichheitswahn und der Abschaffung des Privateigentums. Doch die Grundlage des deutschen Wesens war der Nationalismus. Immer, wenn dieses nationalistische Reich im Vordergrund stand – 1866, 1870 bis 1871, 1914 und 1917 – waren wir siegreich und stark. Immer, wenn das liberale und sozialistische Element zum Durchbruch kam, ging es mit Deutschland bergab. Adolf Hitlers politischem Genie blieb es vorbehalten, die nationalistische Reichsschwärmerei mit den aufrührerischen Idealen des Sozialismus zusammenzuschmieden. Hier liegt der Ursprung des Nationalsozialismus, einer explosiven Massenbewegung. Gegen den modifizierten Sozialismus Hitlers konnte die Armee keine Einwände haben. Er führte zu spartanischer Wirtschaftskontrolle, Vollbeschäftigung, Volksgesundheit und Wohlfahrstmaßnahmen für das ganze Volk – mit Ausnahme der Juden. Die Juden aber waren das Rückgrat des deutschen Liberalismus. Unter dem Liberalismus hatten sie das Bürgerrecht erhalten. Der Liberalismus hatte ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Energie und ihre Begabung im Finanzwesen, in den akademischen Berufen und in den Künsten zur Entfaltung zu bringen. Diese Menschen, die bisher immer im Abseits gestanden hatten, sah man jetzt überall – wohlhabend und fremdartig, besetzten sie hohe Stellungen und stellten protzig das, was sie neu gewonnen hatten, zur Schau. Für die Juden war der Liberalismus die Rettung. In der Folge mussten die Juden einem eingefleischten Nationalisten wie Adolf Hitler als Erzfeind erscheinen. Und weiter schrieb er über die „Tatsächliche Macht der Juden“: Gleichwohl scheiterten sämtliche Versuche, die territoriale Lösung zu rechtfertigen, angesichts einer unumstößlichen Wahrheit. Die Juden erwiesen sich als unfähig, sich selbst zu retten. Es gelang ihnen auch nicht, andere dahingehend zu beeinflussen, dass sie sie retteten; und Selbstbehauptung ist nun einmal das Maß, an dem sich die wahre Macht eines Volkes erweist. Die Juden, die Hitlers Zugriff entzogen waren, sahen hilflos zu, wie ihre europäischen Brüder, Schwestern und Kinder einem ungewissen, auf jeden Fall aber grausamen Schicksal entgegengingen. Wo blieb ihr politische Würgegriff an der Kehle des Westens, der für Hitler ein Glaubensartikel war? Wo blieb ihr unermesslicher Reichtum, da sie doch kein einziges Land – nicht einmal eine kleine südamerikanische Republik – dazu bewegen oder bestechen konnten, ihnen die Tür zu öffnen? Wo blieb den 1944 ihr alles durchdringender Einfluss, als das Geheimnis allmählich ans Licht kam und sie die Anglo-Amerikaner vergeblich anflehten, Auschwitz zu bombardieren? Diese Dinge sprachen alle für sich selbst. Hitler hat die Bedrohung durch die Juden übertrieben und das deutsche Volk, allem guten Willen zum Trotz, böse in die Irre geführt. Die Juden wären uns sehr zustatten gekommen. Hätten wir ihr Gewicht an Arbeitskraft, an Können und internationalen Einfluss den Dingen hinzu geschlagen über die wir selbst verfügten, statt sie davon abzuziehen, so wäre das im höchsten Maße willkommen gewesen. Möglicherweise wäre dann auch der Krieg anders verlaufen. Denn wenn es den Juden außerhalb Europas auch an Macht gebrach, die Rettung zu bewirken, verfügten sie doch über eine kräftige Stimme. Ihr Aufschrei verlieg Roosevelt und Churchill ungerechtfertigte Charakterisierung unseres Volkes als Hunnen und Wilde Glaubwürdigkeit, während wir den Kampf des Christentums gegen die roten Horden kämpften. Auf diese Weise entstanden die beiden für unsere Sache tödlichen politischen Doktrinen – „Deutschland zuerst und bedingungslose Kapitulation“ -, welche die beiden mächtigen Plutokraten unwiderruflich an die Seite des eurasischen Bolschewismus brachte. Hätte das Hitler-Regime die Millionen Juden in unserem Herrschaftsbereich mit Weisheit behandelt, nichts von alledem hätte geschehen müssen. Das war das tragische militärische Paradoxon der territorialen Lösung. Die Juden waren zwar keine starken Feinde, sie hätten aber sehr wohl starke Freunde sein können. In diesem Licht betrachtet, war die Politik Hitlers den Juden gegenüber ein grober militärischer Fehler, für den Deutschland teuer bezahlen musste. Die Wehrmacht wurde nicht gefragt; folglich kann man ihr auch – mit wenigen Ausnahmen – keine Vorwürfe machen. Das ist die unausweichliche Schlussfolgerung, die man aus dem einzig bedeutenden Dokument, das wir haben – dem Wannsee-Protokoll – ziehen muss.

Von Seydlitz agierte bekanntlich hinter den deutschen Linien als „Überläufer“ für die Rote Armee, versprach eine „goldene Zukunft“ für alle Soldaten, die ihre Waffen streckten und sich ergaben. Die Wirklichkeit, das wissen wir aus der Geschichte, sah doch ganz anders aus; – und ob er jemals die Juden „anerkannt“ hatte, mag dahingestellt bleiben.

Von Rolf von Ameln

Rolf v. Ameln ist Buchautor, sowie IN-Korrespondent in Deutschland und Spezialist für Themen der Zeitgeschichte. Er schreibt seit 25 Jahren für die Israel-Nachrichten.

 

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Von am 03/02/2019. Abgelegt unter Spiegel der Zeit. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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