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Drei Überlebende des Holocaust wurden am 9. November 2018 in Berlin geehrt

Vor achtzig Jahren, am 9./10 . November 1938 begann die geplante Vernichtung der jüdischen Bevölkerung im Deutschen Reich, der Tschechoslowakei und Österreich. Schlägertrupps der SS zerstörten Geschäfte von jüdischen Inhabern, legten Feuer in den Gotteshäusern, den Synagogen, misshandelten öffentlich Bürger oder töteten sie. Antisemitismus und letztlich Rassismus nahmen ihren Lauf. Die Juden wurden alleine gelassen, niemand half ihnen! „Diese Nacht war das offizielle Signal zum Völkermord in Europa“.

Eine große Ehrung sollte es werden für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung. Die Deutsche Gesellschaft e.v. verlieh diesen Preis im Atrium der Deutschen Bank in Berlin–Mitte, Unter den Linden. Drei alte Menschen, drei Überlebende des Holocaust, haben den Preis in diesem Jahr bekommen. Eine selbstverständliche Ehrung für Esther Bejarano, Margot Friedländer und Walter Frankenstein. Das Datum der Reichsprogromnacht wird seit 2005 alljährlich für die Preisverleihung gewählt an dem damals jüdische Bürger gedemütigt wurden, die jüdische Kultur in unserem Land, in unseren Städten und Dörfern zerstört wurde. Eine Kultur, die so nie wiederkehren darf.

Nun zurück zu der Veranstaltung im Atrium der Deutschen Bank, einem ehrwürdigen Gebäude aus einer Zeit als wohlhabende jüdische Berliner Bürger Mäzene in der Hauptstadt des Preußischen Reichs waren, Kunst und Kultur durch ihre Großzügigkeit wachsen konnten bis Adolf Hitler an die Macht kam.

Frau Professor Monika Grütters, Kulturstaatsministerin unseres Landes, wurde erwartet, ohne sie kein Beginn der Veranstaltung. Sie hielt eine sehr bewegende und unendlich schöne persönliche Laudatio für diese drei Überlebenden, besser hätte sie nicht sein können. Das Buch des Friedensaktivisten und Schriftstellers David Grossmann „Kommt ein Pferd in die Bar“ wird zum Roten Faden ihrer Annäherung an die Preisträger. Wir hören von wohlwollenden Zuschauern in der Nazizeit als die unmenschlichen Schikanen gegen die jüdischen Menschen begann, wir hören von der schweigenden Mehrheit, die zusah, wie Nachbarn menschenunwürdig behandelt wurden.

Esther Bajarano. Foto: Wollmann-Fiedler

Wir erfahren, dass Esther Bejarano, geborene Loewy, in Saarlouis1924 geboren wurde, dann über Ulm nach Berlin kam, auf die Alija nach Palästina vorbereitet wurde, doch 1941 zur Zwangsarbeit in Neuendorf bei Fürstenwalde kam und 1943 von Berlin aus nach Auschwitz ins Konzentrationslager deportiert wurde. Das Mädchenorchester im KZ suchte Musikerinnen, die allmorgendlich spielen mussten, wenn die Arbeiterkolonnen durch das Lagertor zur Schwerstarbeit marschierten, auch für fröhliche Abende der SS und Wehrmacht waren die Musikerinnen zuständig. In dieses Orchester wurde Esther aufgenommen. So rettete letztlich die Musik, ein Akkordion, ihr Leben. Im gleichen Jahr brachte man sie mit anderen Frauen ins Lager Ravensbrück zur Zwangsarbeit bei Siemens, 1945 wurden die Häftlinge auf den Todesmarsch geschickt, Esther floh durch den Wald und kam bereits 1945 in Palästina an. Später erfuhr sie, dass die Eltern in Kowno in Litauen ermordet wurden und eine Schwester in Auschwitz.

Arbeit im Kibbuz, Gesangsstudium, Militärdienst und vieles mehr folgten in Israel. Nissim Bejarano heiratete sie, das Paar bekam zwei Kinder, zusammen zog die Familie Bejarano 1960 nach Hamburg. Das Auschwitzkomitee gründete sie mit anderen, gegen Rassismus und Antisemitismus ist sie unterwegs, mit jungen Musikern einer Band geht sie alljährlich mit ca. 90 Auftritten in Deutschland auf Tournee. Ihre Songs gegen Rechtsextremismus sind berühmt. In Dresden war das kleine „Persönchen“ vor Jahren mit ihrem großen Plakat gegen Pegida auf der Straße.

Vordere Reihe von links: Walter Frankenstein, Esther Bejarano, Magot Friedländer.
Hintere Reihe von links: Dr. Andreas H. Apelt, Dr. Sabine Bergmann-Pohl, Prof. Monika Grütters, Franz Müntefering, Bundesminister a.D. Foto: Wollmann-Fiedler

Margot Friedländer, die Älteste der Geehrten, kehrte 2010 nach Berlin zurück, wo sie 1921 als Margot Bendheim geboren wurde. Bereits 1942 wurde der Vater in Auschwitz ermordet, ein Jahr später die Mutter, Auguste Bendheim und der Bruder, ebenfalls in Auschwitz. Der letzte Zuruf der Mutter „Versuche Dein Leben zu machen“ wird ihr Lebenscredo und der Titel ihrer Lebenserinnerungen. Von 1943 bis 1944 lebt Margot im Untergrund, von Versteck zu Versteck zieht sie, findet Menschen, die sie aufnehmen. 1944 wird sie geschnappt und ins Ghetto Theresienstadt deportiert. Hier trifft sie Adolf Friedländer, den sie bereits aus Berlin kannte. Beide überleben, heiraten und reisen 1946 mit dem Schiff nach New York und werden amerikanische Staatsbürger. Über 60 Jahre lebt Margot Friedländer in New York und zieht 2010 nach Berlin. Adolf Friedländer, ihr Ehemann, stirbt 1997 in den USA. Die Schwarzkopf-Stiftung vergibt alljährlich den Margot Friedländer Preis. Durchs Land reist die heute siebenundneunzigjährige alte Dame, um in Schulen über ihr Leben zu erzählen oder aus ihrem Buch zu lesen, die Bernsteinkette der Mutter begleitet sie.

Der Dritte Preisträger ist Walter Frankenstein aus Flatow in Westpreußen, wo er 1924 als „Deutscher jüdischen Glaubens“, wie er sich selbst bezeichnet, geboren wird. Jüdische Kinder müssen die Schule in Flatow verlassen und Walter Frankenstein kommt in eine Berliner Schule. Vom Dach des Auerbach’schen Waisenhauses sah er die Synagogen brennen. 1942 heiratet er Leonie Rosner, ab 1943 gehen sie mit einem kleinen Kind in den Untergrund, das zweite wird geboren, und überleben. Helfer fanden sie, die ihnen das Überleben möglich machten und ihr eigenes Leben aufs Spiel setzen. 1956 zieht die Familie nach Israel und 1958 nach Stockholm, wo Frankenstein sein Ingenieurstudium fortsetzen und beenden kann. 2009 stirbt seine Frau Leonie mit der er achtundsechzig Jahre verheiratet war. Trotz des hohen Alters geht er in Schulen und erzählt über sein Leben als Jude in Nazideutschland, scheut keine Reise. Auch nach Berlin kommt er trotz des hohen Alters. Der Judenstern liegt zusammen mit dem Bundesverdienstkreuz in einer Schatulle. Sein Lebensmotto ist stets: Nicht mit uns!

Auszeichnungen, Preise, Bundesverdienstkreuze und mehr haben die drei Preisträger im Laufe der Jahre bekommen für ihr unermüdliches Engagement, Bücher haben sie geschrieben über ihre Erlebnisse.

Alle drei überlebten den Terror wie ein Wunder. Dem Land, das ihnen das Leben nehmen wollte, ihre Familienmitglieder ermordete, haben die drei Geehrten die Hand zur Verständigung gereicht, eine der ebenfalls schönen und menschlichen Aussagen von Frau Professor Monika Grütters.

Lara Sy spielt wunderbar auf ihrem Cello von Johann Sebastian Bach Stücke aus der Suite Nr, III C-Dur und zum Abschluss Thema und Variationen von Jean Sibelius. Musik wirkt Wunder, stimmt ungemein entspannend.

Zu Beginn der Veranstaltung begrüßt Herr Harald Eisenach von der Deutschen Bank AG die drei Preisträger, die Politiker, die Honoratioren und die Gäste, der Bundesminister a.D. Franz Müntefering e.V., Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft e.V., Frau Dr. Bergmann-Pohl, ebenfalls Bundesministerin a.D. und Vorstand der Deutschen Gesellschaft e.V. halten sehr wichtige und eindrucksvolle kurze Ansprachen und übergeben die Preise. Auf den Urkunden ist zu lesen:.

In Anerkennung ihres jahrzehntelangen herausragenden Engagements für die Aufklärung über die menschenverachtende Diktatur des Nationalsozialismus sowie ihres unermüdlichen Wirkens für Verständigung und Versöhnung.
Die Preisträgerin ermutigt und bestärkt uns und nachfolgende Generationen für Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie einzustehen.

Der Preis ist mit einem Preisgeld und der Übergabe einer Skulptur des Berliner Künstlers Achim Kühn, dem „Buch mit sieben Siegeln“, verbunden.

Die drei Geehrten alten Menschen danken und jeder gibt seine mahnenden, nicht anklagenden Worte für die Gegenwart und Zukunft. Nach 1945 gab es keine richtige Endnazifizierung, die Nazis kamen in Amt und Würden oder gingen mit Hilfe ins Ausland. Auch ist zu vernehmen, dass Nachbarn zugesehen oder weggesehen haben, sich bereichert haben an den Geschäften, haben die Gotteshäuser verbrennen lassen, haben zugesehen, wie die Menschen abgeholt wurden, ein Schandfleck für Deutschland! Bewunderung auch für Menschen damals und heute, ob Professor oder Prostituierte, die ihnen geholfen haben in ihrer allergrößten Not! Auch noch eine Mahnung an die jüngere Generation: „Ihr habt mit der Zeit nichts zu tun, doch macht Ihr Euch schuldig, wenn Ihr heute nichts unternehmt“!

Häppchen und Wein werden kredenzt. Nach so viel gehörtem Elend werde ich stumm und nachdenklich und strebe eher der frischen Luft entgegen!

Von Christel Wollmann-Fiedler,

Frau Wollmann-Fiedler ist Journalistin, Fotografin und Autorin der Israel-Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Berlin und in Bukarest, Rumänien.

 

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Von am 23/11/2018. Abgelegt unter Europa. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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