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Der 1994 zwischen dem damaligen König Hussein und Premierminister Yitzhak Rabin abgeschlossene Friedensvertrag

Zähle die Träume deines Lebens; wenn die Zahl der Träume grösser ist, als die Zahl dessen, was du erreicht hast, so bist du jung! (Shimon Peres)

Am 26. Oktober jährte sich ein Ereignis, dass vor fast einem Viertel Jahrhundert grosse Hoffnungen mit sich brachte.

König Hussein und der damalige israelische Premierminister Yitzhak Rabin. Foto: Wikimedia

Der 1994 zwischen dem damaligen König Hussein und unserem damaligen Premierminister Yitzhak Rabin abgeschlossene Friedensvertrag sollte, so die Hoffnung der Vertragspartner, ein Neubeginn sein. Damit, so glaubte man, würde eine 43 Jahre andauernde Ära der Unruhe und Kämpfe beendet, und eine andauernde Phase der Ruhe und des Friedens in der Region beginnen. 1988, noch während der teilweise als Geheimverhandlungen geführten Vorgespräche, verzichtete Jordanien zu Gunsten des Friedensvertrages und geplanter Verhandlungen zwischen der PLO und Israel auf seine Ansprüche auf das sogenannte «Westjordanien», also das heutige Gebiet Samaria und Yehuda. Mit diesem Schachzug standen sie gut da, einerseits waren sie die Verantwortung über das ungeliebte Land westlich des Jordans los. Und andererseits zeigten sie sich grosszügig, was die Gründung eines zukünftigen Palästinenserstaates anging.

Schon Wochen vor dem Vertragsabschluss hatten sich die positiven Zeichen vermehrt. Im August war König Hussein, selber ein begeisterter Pilot, mit seiner Maschine über dem Tempelberg gekreist, um Jerusalem zumindest schon einmal von oben zu betrachten. Das erste direkte Telefongespräch zwischen Präsident Ezer Weizmann und König Hussein wurde live im israelischen Fernsehen übertragen.

Der Bruder des Königs, Hassan, war gleichzeitig auch sein Kronprinz. Warum er kurz vor dem Tod seines Bruders zu Gunsten seines Neffen, dem heutigen König Abdullah «ausgetauscht» wurde, bleibt ein Geheimnis des Haschemiten Clans. Zu liberal? Zu weltoffen und zu wenig militärisch? Wo Abdullah sich gerne in Uniform und «wir haben alles im Griff» Blick zeigt, reist Hassan unermüdlich durch die Welt, um seinen Kampf für Menschenrechte und Konfliktlösungsprojekte voran zu bringen. Er ist einer der grossartigsten und freundlichsten Menschen, die ich je kennen gelernt habe. Im Jahr 1994 war er der Wegbereiter, der aus der öden Wüste zwischen Eilat und Akaba ein Vorzeigeprojekt des neuen Miteinander schuf. Als der Vertrag in Akaba unterschrieben wurde, glänzten der neue Grenzübergang und die Stadt in bisher nie dagewesenen Glanz.

Wenige Wochen später, am 10. Dezember 1994 erhielten in Stockholm Präsident Shimon Peres, Ministerpräsident Yitzhak Rabin und Jassir Arafat den Friedensnobelpreis.

Nur ein Jahr später, am 4. November 1995 wurde Premierminister Yitzhak Rabin von einem jüdischen Extremisten ermordet. Bei seiner Beisetzung zwei Tage später spricht auch der Haschemitenkönig. Er spricht langsam, so als schmerze ihn jedes Wort. Er spricht von Rabin als seinem Freund und Bruder, er spricht von den gemeinsamen Hoffnungen und Träumen. Und davon, dass er nie daran gedacht habe, dass sein erster (offizieller) Besuch in Jerusalem so einen traurigen Anlass haben würde.

Viele Hoffnungen hatten vor allem die Jordanier in die neue Partnerschaft zwischen ihrem Land und Israel gesetzt. Jordanien ist ein armes Land, nur 5% der Bodenfläche sind für die Landwirtschaft geeignet. Durch das fehlende Süsswasser und das fast niederschlagsfreie Klima ist die Bewässerung der Felder sehr mühsam. Der Jordan, einst der grösste Wasserlieferant, ist mittlerweile zu einem Rinnsal geschrumpft.

Dafür wird immer wieder Israel zur Verantwortung gezogen. Tatsache ist aber, dass die Oslo Verträge genauestens festgelegt haben, welche Wassermeng Israel an Jordanien und an die palästinensischen Siedlungsgebiete abliefern muss. Hier hat allerdings der Klimawandel zu beträchtlichen Veränderungen geführt. Der Kinneret, einstmals der grösste und wichtigste Süsswasserspeicher des Landes hat die kritische Obergrenze von – 213.0 m im Mai 2017 letztmals unterschritten und liegt derzeit bei – 214.53 m. Das gemeinsame «Zwei-Meere-Projekt», das Meerwasser aus dem Golf von Akaba nach Norden leiten sollte, wenn alles geklappt hätte, hätte in diesem Jahr starten sollen.

Ein Teil des Wassers sollte den anliegenden Staaten und Gebieten zu Gute kommen und entsalzt werden, ein Teil der drohenden Austrocknung des Toten Meeres entgegenwirken. Umweltschützer hatten immer wieder Bedenken geäussert, dass das in das Tote Meer eingeleitete Salzwasser mehr Schaden anrichten, als dass es nützen würde.

An Bodenschätzen verfügt das Land über Phosphat, Kupfererz und Pottasche aus dem Toten Meer, die exportiert werden.

Der Tourismus, vor allem in Petra, in Akaba und am Toten Meer ist einer der grössten Geldbringer des Landes. Trotzdem ist die Arbeitslosigkeit sehr hoch. Die Öffnung der Grenzen und Erleichterungen bei den Arbeitsbewilligungen für Israel entschärfen im Süden die Situation ein wenig. 500 Tagesvisa wurden in den vergangenen Jahren jeweils ausgestellt, mit einer Option, diese Zahl bei Bedarf auch zu erhöhen. Offensichtlich schlugen alle Versuche, einheimische Mitarbeiter zu engagieren, fehl. Eilat ist für Israelis eine Stadt für Ferien und Partys, aber keine Stadt zum Arbeiten.

Aus dem warmen, freundlichen Frieden zwischen den Ländern scheint sich zwischenzeitlich eine kühle, nur mehr auf Fakten abgestellte Geschäftsbeziehung zu entwickeln.

König Abdulla gerät mit seiner Regierung immer mehr ins Kreuzfeuer der Kritik. 57 % der Arbeitnehmer sind Beamte. Die Bevölkerung wächst schneller, als die Wirtschaft, die Verschuldungsrate des BIP liegt bei knapp 100%. Der Wüstenstaat, der 1.2 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen hat, steht vor dem endgültigen wirtschaftlichen Ruin, obwohl er von US-Aid soviel Geld erhält, wie kaum ein anderer. Jordanien gilt als ein Verbündeter des Westens und nimmt im Nahen Osten (noch) eine strategisch wichtige und stabilisierende Rolle ein. Der überwiegende Anteil der Jordanier sind Palästinenser. Auch Königin Rania, entstammt einer palästinensischen Familie.

Und trotzdem, es sind überwiegend Palästinenser, die auf den Strassen lautstark die Absetzung des Königs fordern. Sie wehren sich gegen die Zusammenarbeit mit dem «zionistischen Feind» und gegen die von Grossbritannien eingesetzte Königsfamilie. Die Opposition steht hinter ihnen. Sie zieht immer mehr Nationalisten und fundamentalistisch religiöse Personen an. Immer lauter werden die Stimmen, den Friedensvertrag mit Israel unilateral aufzukündigen. König Abdullah sieht sich unter Druck. Will er, wie er es seit dem Jahresbeginn versucht, Steuerreformen und Sparmassnahmen durchsetzen, um sein Land vor dem endgültigen Kollaps zu bewahren und das Stigma des «failed state» vermeiden, so muss er nachgeben. Er tut dies, indem er zwei Anhänge des Friedensvertrages aufkündigt.

Zwei unmassgeblich kleine Enklaven, eine im Norden, südlich des Kinneret und eine im Süden, etwa 100 Km nördlich von Eilat in der Arava Wüste wurden 1994 an Israel verpachtet. Israelische Farmer betreiben bis heute dort intensive Landwirtschaft. Diese Pachtverträge wurden damals für 25 Jahre ausgehandelt, mit der Auflage, dass sie, sollte der Vertrag nicht automatisch verlängert werden, mit einer Vorlaufzeit von einem Jahr aufgekündigt werden. In dem Falle muss man, so wurde festgehalten, nochmals neu über das Thema verhandeln. Jordanien ist also absolut im Recht, wenn es vor wenigen Tagen Israel über die Kündigung der Verträge informierte. Erneute Verhandlungen seien nicht geplant, so verlautbarte es aus Jordanien. Heute beginnt das 25. Jahr. Also, alles kein Grund zur Aufregung?

Die Geschichte von Naharayim (Zwei Flüsse) [arab. al-Baqura] beginnt im Jahr 1919 mit dem russischen Ingenieur Pinhas Rutenberg. Die «Palestine Electric Corporation»hatte 600 Hektar für die Errichtung eines Wasserkraftwerkes gekauft, was sich damals am Zusammenfluss zwischen Jordan und Yarkon anbot. Im Gegensatz zu heute, wo der Jordan nur mehr ein armseliges Rinnsal ist, war er damals ein kraftvoller Strom. 1932 wurde das Kraftwerk in Betrieb genommen und versorgte sowohl Jordanien als auch Teile des heutigen Israel mit Strom. Im Jahr 1948 wurde es von einfallenden arabischen Truppen zerstört. Israel behielt während und nach dem Krieg die Kontrolle über das Gebiet.

Mitarbeiter des Kraftwerkes und Mitgliedes des Kibbuz Ashdot Ya’acov bearbeiteten das Gebiet. Der Name des Kibbuz erinnert an Baron Jakob Rothschild, der durch Landkauf die Siedlung ermöglicht hatte.

Durch eine Ungenauigkeit beim händischen Einzeichnen der Waffenstillstandgrenze zwischen Jordanien und Israel auf einer Kartenkopie kam es möglicherweise zu einer Fehleinschätzung des Grenzverlaufes. Jenes, heute zur Diskussion stehende Landstück lag auf diesem Papier, klar westlich der Waffenstillstandlinie, und damit auf israelischem Staatsgebiet. Als 1950 Israel dort Truppen stationierte, beschwerte sich Jordanien beim UN Sicherheitsrat. Offensichtlich hatten beide Staaten unterschiedliche Karten zu den Verhandlungen über den Waffenstillstand in Rhodos gebracht. Obwohl nicht geklärt werden konnte, welche Karte tatsächlich korrekt war, entschied der spätere Friedensnobelpreisträger und UN Chefunterhändler zu Gunsten Jordaniens. Auch wenn das fragliche Gebiet unbestreitbar in Israel lag, rechnete er es der Staatshoheit Jordaniens zu.

Im Zuge der Friedensverhandlungen von 1994 wurde diese Entscheidung bestätigt. Jordanien verpachtete es jedoch an Israel. Die Farmer und Kibbuzim behielten das private Eigentumsrecht und die Zusicherung eines ständigen uneingeschränkten Zugangs, sowie das Recht, das Land weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen. Dies sollte für 25 Jahre gelten.

Durch die beiden Flussläufe und die Aufschüttung von Dämmen entstand eine künstliche Insel, die seit 1994 in Erinnerung an die besondere Stellung innerhalb des Friedensvertrages den Namen «Island of Peace» trägt.

Die Ruinen des Kraftwerkes sind heute noch zu besichtigen. Ein kleiner Park auf der Insel erinnert ein an schreckliches Massaker, das 1997 dort stattfand. Ein jordanischer Soldat palästinensischer Herkunft erschoss sieben Schülerinnen, die sich auf einem Klassenausflug dort befanden. Zahlreiche weitere Kinder wurden teilweise schwer verletzt. König Hussein flog eigens nach Beit Shemesh, dem Heimatort der Mädchen, um den Familien sein Beileid auszusprechen.

Das zweite von Jordanien beanspruchte Gebiete liegt im Süden Israels. Tzofar [arab. al-Ghamr] ist ein kleiner Moshaw (landwirtschaftliche Siedlung) mit etwa 400 Einwohnern, der 1975 gegründet wurde. Anlässlich des Friedensvertrages übergab Israel einen Teil des Landes an Jordanien. Ebenso wie Naharayim wurde ein Pachtvertrag auf 25 Jahre ausgehandelt, der es den Bauern ermöglichte, weiterhin ihr Land zu bearbeiten. Während dort 230 Farmer befürchten, ihr Land zu verlieren und somit ohne Erwerbsgrundlage zu sein, gibt es liberale Stimmen in Jordanien, die beschwichtigen, dass es durchaus fremden Landbesitz in Jordanien gäbe. Das könnte bedeuten, dass zwar das Eigentum zurück an Jordanien fällt, das Besitzrecht aber neu verhandelt werden könnte. Um das zu klären müssten aber Vertreter beider Länder an einem Tische zusammensitzen. Etwas, was derzeit wohl nur Wunschdenken ist.

Von Israel wurde bis anhin kein Gesuch um weiterführende Gespräche gestellt. Auch wenn, wie der jordanische Aussenminister nicht müde wird zu betonen, die Gespräche sich ausschliesslich mit den Übergabemodalitäten drehen würden, als Signal an Jordanien wäre ein solcher Schritt wichtig gewesen.

So ganz aus dem blauen Himmel, wie man in Israel glauben möchte, kam dieser Schritt nicht. Bereits am 15. Januar dieses Jahres titelte die jordanische online Zeitung 7iber «Wird Jordanien seine Gebiete im kommenden Jahr von Israel zurückfordern?»

Die beiden Vertragspartner leben leider nicht mehr. Ihnen wird folgender Dialog zugeschrieben:

«Warum verpachten Eure Majestät uns das Land nicht für einige Zeit?» fragte Rabin.

«Eine Verpachtung ist nicht vorgesehen,» antwortete der König, «aber wie lange möchtet ihr denn dortbleiben?»

«Hm, sagen wir 25 Jahre im gegenseitigen Einverständnis.»

«Das klingt einleuchtend. »

Das war die damalige Politik unter Freunden, die wenn auch nicht mehr ganz jung an Jahren, noch voller Träume und jung im Kopf geblieben waren. PM Netanyahu und König Abdulla haben leider diese Beziehung nie fortgesetzt und gepflegt.

So war es denn auch heute den jordanischen Medien nicht ein Wort wert, dass die IDF mit mehreren Hubschraubern, sowie Rettungsteams von Polizei und Militär bei der Suche, Rettung und Bergung von 43 Schülerinnen und Lehrer half, die Opfer eines verheerenden Unwetters wurden. Der Bus der Gruppe war in der reissenden Flut abgetrieben worden. Leider haben 20 Schülerinnen nicht überlebt.

Von Esther Scheiner

Frau Scheiner ist Journalistin und Redakteurin der Israel-Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Israel und der Schweiz.

 

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Von am 28/10/2018. Abgelegt unter Israel. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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