Herbstlich schön ist das Licht über Wien, im Park von Schönbrunn färben sich bunt die Bäume, im Burggarten, dem ehemaligen Hof- und längst vergangenen Kaisergarten verbeugt sich Wolfgang Amadeus Mozart höflich. Weiter geht es am Palmenhaus vorbei bis hin zur Albertina. Eine prächtige Ecke in der Donaustadt. Gegenüber der Albertina noch ein Verweilen und einen Blick auf das große bildhauerische Mahnmal gegen Krieg und Faschismus und den auf dem Boden knieenden Juden, der die Straße schrubben muss in den Jahren der Nazizeit, die nicht zimperlich mit den Wiener Juden umgegangen ist. Alfred Hrdlicka, der kämpferische und exzessiv lebende Bildhauer hat diese Denkmäler erfunden.
Unweit seiner plastischen Werke führt der Weg direkt in die Dorotheergasse, in der er, Alfred Hrdlicka, 2009 stirbt. In dieser Gasse eröffnet Teddy Kollek im Jahr 1993 im Palais Eskeles das Jüdische Museum Wien und bringt die Mezuzah am Türrahmen an. Teddy Kollek, der ehemalige, weltbekannte Jerusalemer Bürgermeister empfängt in diesen Wochen bis zum 25. November 2018 die Gäste mit offenen Armen und führt sie im 1. Stock des Jüdischen Museums Wien in sein Jerusalem und zeigt uns seine intensive Arbeit als Bürgermeister in den Jahren 1965 bis 1998.
Theodor Herzl ist der Namenspate von Theodor Kollek. Wohlhabende jüdische Bürger und Zionisten sind die Eltern Alfred Kollek und Margaret Kollek, geborene Fleischer. Alfred Kollek arbeitet für das Bankhaus Rothschild, arbeitet in Provinzstädten, wo 1911 Theodor, der Sohn, in dem kleinen Städtchen Nagyvazsony, nördlich des Plattensees, während der Österreichisch-Ungarischen Monarchie geboren wird. Sieben Jahre später ist die Familie wieder in Wien, gerade als die Krone des Kaisers ins Wiener Museum kommt und Österreich erheblich schrumpft.
Wienerisch sieht Teddy aus, ist blond und blauäugig, wohnt mit seiner Familie in der Wiener Landstraße. An die Zionistische Jugendbewegung Blau-Weiß in Wien schließt sich Theodor an, der sich nun Teddy nennt, lernt Anna Helene, die Tochter des Rabbiners Dr. Zacharias Schwarz aus Karlsruhe und dessen Wiener Ehefrau Alice kennen. Anna Helene, die sich bald Tamar nennt, wohnt mit ihrer Familie in der Wasagasse im Alsergrund. Zusammen werden Teddy und Tamar 1934 nach Palästina gehen und sind Mitbegründer des Kibbuz En Gev am See Genezareth. Mit dem Touristenvisum kommen sie nach Palästina und bleiben für immer.
Von Triest nach Haifa bringt sie das Schiff ins Wüstenland, Teddy lernt sehr bald einflussreiche Menschen kennen, die ihn positionieren. Toleranz und Pragmatismus lassen ihn mit allen zusammenleben. Das wird bis an sein Lebensende 2007 so bleiben.
Wien ist weit weg. Das Hitlerregime beginnt Überfälle auf andere Länder, beginnt den 2. Weltkrieg, vertrieben und ausgerottet werden jüdische Menschen, auch Mitglieder der Familien Kollek und Schwarz, die große Jüdische Gemeinschaft in Wien wird zerstört. Dr. Zacharias Schwarz der Vater von Tamar, fordert die Katholische Kirche auf etwas gegen die grauenhafte Judenverfolgung zu unternehmen. Haft und Folter folgen, als Wrack erreicht Zacharias Palästina und stirbt bereits 1939 an den Misshandlungen. Teddy Kollek will Kinder retten und soll von London aus den Verbrecher Eichmann persönlich besucht haben. 3000 Kinder und Jugendliche werden daraufhin aus KZs entlassen und nach Palästina gebracht.
1948 kämpft Teddy für sein neues Land, seine neue Heimat, die er und Tamar sich ausgesucht haben. David Ben-Gurion wird erster Ministerpräsident und Teddy Kollek sein Mitarbeiter. 1906 bereits kam David Grün von Polen nach Palästina und gab sich den Namen Ben-Gurion. Im Jahr 1965 wird Kollek zum Bürgermeister von Jerusalem gewählt und wird dieses Amt bis 1993 mit großer Leidenschaft und großem Engagement ausführen. Aus der ziemlich heruntergekommenen Pilgerstadt, noch orientalisch arabisch geprägt, lässt Kollek in den Jahren eine moderne internationale Großstadt entstehen. Friedlich verläuft das multikulturelle Zusammenleben in der uralten Stadt Jerusalem in den Bergen Judäas, für das Zusammenleben der Religionen setzt sich Teddy Kollek ein. In Rechavia, dem privilegierten Stadtteil der Jekkes in Jerusalem wohnt er mit seiner Familie. Tamar ist eine gute Gastgeberin, backt feine Wiener Schnitzel und singt allabendlich dem Sohn Amoz und der Tochter Osnat österreichische Kinderlieder.
Kollek will keinen Kontakt zu den Österreichern haben, solange sie sich als Opfer Hitlers sehen. Als einzigen Österreicher empfängt er den Maler Oskar Kokoschka. Bundeskanzler Franz Vranitzky wagt den Weg der Wahrheit und verkündet am 8. Juli 1991 in einer Rede im Wiener Parlament, dass der „Überfall“ 1939 keiner war. Die Österreicher jubelten Hitler und seinen Mannen entgegen und haben schon zuvor ihre Juden auf schreckliche Art und Weise drangsaliert und erniedrigt. Die Helfershelfer kamen 1939 aus Deutschland hinzu. Das Ergebnis ist weltbekannt und geht nicht mehr aus dem Sinn. Vranitzkys Bekenntnis ermutigt Teddy Kollek, die Stadt seiner Kindheit und Jugend zu besuchen. Eine hohe Ehre für die Stadt Wien, eine hohe Ehre für das Land Österreich. Ehrenkreuze und Ehrenringe werden dem Jerusalemer Bürgermeister 1991 verliehen, den Ehrendoktor der Universität erhält er und Ehrenbürger der Stadt wird er, 1993 eröffnet Kollek das Jüdische Museum Wien, wie bereits erwähnt.
Familienfotos und Dokumente zieren die Ausstellung, Interessante Erzählungen der Tochter Osnat werden per Video gezeigt, auch ein Interview mit Teddy Kollek ist zu hören. Ein kleines, feines Lebensbild eines sehr wichtigen Wieners ist dem Jüdischen Museum Wien gelungen, informativ und gut gestaltet. Die Kuratorin Elke-Vera Kotowski und der Kurator Marcus G. Patka sind zu beglückwünschen. Wir Zuschauer werden vom jugendlichen, umtriebigen, toleranten Teddy Kollek in seine Bürgermeisterzeit mitgenommen, in eine Phase des Aufbaus einer großartigen Stadt, der Stadt Jerusalem, die Stadt der Juden, der Araber und Christen.
Von Christel Wollmann-Fiedler
Frau Wollmann-Fiedler ist Fotografin, Journalistin und Autorin der Israel-Nachrichten. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Hat Ihnen dieser Artikel gefallen? Dann unterstützen Sie uns bitte mit einer Spende, oder werden Sie Mitglied der Israel-Nachrichten.
Durch einen technischen Fehler, ist die Kommentarfunktion ausgeschaltet!
Leserkommentare geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wie in einer Demokratie ueblich achten wir die Freiheit der Rede behalten uns aber vor, Kommentare nicht, gekuerzt oder in Auszuegen zu veroeffentlichen. Anonyme Zuschriften werden nicht beruecksichtigt.