ZUSAMMENFASSUNG: Die deutsch-israelischen Beziehungen sind angesichts der deutschen Nazi-Vergangenheit schwierig. Angela Merkel ignoriert nicht die Geschichte ihres Landes und hat eine bedeutende Rolle bei der Stärkung der bilateralen Beziehungen gespielt. Neue Sicherheitsherausforderungen und -Probleme erfordern jedoch Lösungen. Merkels jüngster Besuch in Jerusalem hat gezeigt, dass ihre Herangehensweise an Israel eine Anpassung benötigt, um dringende Probleme auf einer praktischen, nicht nur auf einer theoretischen Ebene anzusprechen.
Der Beitrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands und zur Stabilisierung der Eurozone ist unbestritten. Aber das Erbe das sie hinterlassen möchte, wenn ihre vierte (und möglicherweise letzte) Amtszeit 2021 ausläuft, sollte auch Errungenschaften umfassen, die über Wirtschaft, Wachstum und Handel hinausgehen. Während Berlin die Weltwirtschaft anführt, bleiben seine außenpolitischen Initiativen gering. Auch seine ambivalente Haltung während der Flüchtlingskrise, hat Anlass zu ernsthafter Besorgnis über die Verletzlichkeit Europas gegenüber der zunehmenden Gefahr der Radikalisierung durch die Islamisten und deren Einfluss auf den wachsenden Antisemitismus gegeben.
Merkels Prioritäten und Schwächen zeigten sich bei ihrem jüngsten Besuch in Israel. Auf der wirtschaftlichen Seite ist Deutschland sehr an Israels Technologie und Innovation interessiert. Deutsche multinationale und mittelständische Unternehmen investieren stark in israelische Start-ups und Sektoren wie den nachhaltigen Verkehr. Vor einigen Monaten unterzeichnete Deutschland zudem einen Leasingvertrag mit Israel Aerospace Industries, über das unbemannte Langstrecken-Luftfahrzeug (Drohne) Heron TP.
Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Benjamin Netanyahu signalisierten ihr Interesse zusätzliche Geschäftsabkommen zu unterzeichnen, indem sie eine Ausstellung über Innovationen besuchten, die Präsentationen von israelischen und deutschen Unternehmen beinhaltete. Die beiden Länder unternehmen gemeinsame Anstrengungen, um die wissenschaftliche Zusammenarbeit in verschiedenen Forschungsbereichen zu erleichtern. Eine aktuelle Analyse des Bundesministeriums für Bildung und Forschung nennt die Bar-Ilan University unter anderem als führende israelische Institution, die mit deutschen Partnern kooperiert.
Das bilaterale Handelsvolumen nimmt zu. Im vergangenen Jahr beliefen sich die deutschen Exporte nach Israel auf 4,3 Milliarden Euro und die Importe auf 1,9 Milliarden Euro, was einer Steigerung von 8% bzw. 13,7% gegenüber 2016 entspricht. Aus israelischer Sicht ist der deutsche Markt für zwei Hauptmärkte von Bedeutung. Die Gründe dafürsind: Erstens ist es nicht nur groß, sondern bietet auch die Möglichkeit für stark diversifizierte Exporte ohne dominierenden Sektor. Zu den exportierten Produkten gehören Maschinen, Chemikalien und Öldestillate, Metalle, Pharmazeutika, Navigationsinstrumente und vieles mehr. Und zweitens haben es israelische Unternehmen leichter, ihre Präsenz in anderen EU-Ländern auszuweiten, wenn sie den deutschen Markt erreichen und dort erfolgreich sind.
Trotz ihrer wirtschaftlichen Harmonie teilen Berlin und Jerusalem nicht die gleichen Sicherheitsvorstellungen. In ihren öffentlichen Äußerungen betonte Merkel die Wichtigkeit der israelischen Sicherheit. Aber ihre theoretische Herangehensweise gegenüber dem jüdischen Staat bleibt in ihrer Knesset-Rede aus dem Jahr 2008 begründet, in der sie Israels Sicherheit als Teil der Daseinsberechtigung ihres eigenen Landes erwähnte. Deutschland betrachtet es als eine Pflicht, (oft, wenn nicht immer) den Beitritt anderer Länder zur Unterstützung anti-israelischer Stimmen bei den Vereinten Nationen zu vermeiden.
Auch wenn dies wahr sein mag, die Bundeskanzlerin verzichtet in schwierigen Fragen weiterhin darauf, kritische Schritte zu unternehmen, um zu zeigen, dass sie die Sicherheit Israels wirklich unterstützt. Indem sie zum Beispiel den JCPOA unterstützt, ignoriert sie Teherans ballistisches Raketenprogramm und seine destabilisierenden Aktivitäten im gesamten Nahen Osten. Ihr Hauptanliegen sind deutsche Investitionen im Iran, nicht Teherans problematische Außenpolitik.
Was den israelisch-palästinensischen Konflikt angeht, fehlt es in Berlin an der politischen Bedeutung, um eine Rolle zu spielen. Merkels Außenpolitik zu diesem Thema besteht aus wenig mehr als vagen Aussagen. Während ihrer kürzlichen Reise nach Israel sagte sie, sie würde PA-Präsident Mahmud Abbas anrufen und ihm Fragen über Gaza stellen. Sie sagte auch, dass ihr Land Anstrengungen unternimmt, ein Israel-Gaza-Abkommen voranzutreiben, ohne Details preiszugeben. Berlin unterstützt die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung, kann diese jedoch nicht durchsetzen.
Darüber hinaus sieht die Kanzlerin israelische Siedlungen als ein Hindernis für den Frieden. Vor ihrer Ankunft in Israel gab es Medienberichte, dass sie den Besuch absagen könnte, wenn das Dorf Khan al-Ahmar abgerissen würde. (Sie hat später bestritten, dass sie ihren Besuch auf diese Weise konditioniert hat.)
Ein weiteres Problem ist Merkels ambivalente Politik während der Migrationskrise. Zwischen einer Politik der „offenen Tür“ und der Notwendigkeit, den Zorn der bayerischen Christlich-Sozialen Union (CSU)zu besänftigen und der Sorge um neue Terroranschläge in Deutschland, hat sie keine praktischen Antworten auf das Problem der islamischen Radikalisierung in Europa gegeben. Der innenpolitische Aufwand für die Kanzlerin war der Aufstieg der Partei Alternative für Deutschland (AfD).
Viele AfD-Mitglieder bewundern Israel für seine Sicherheitsleistungen gegen muslimische Gewalt und jüngst wurde innerhalb der Partei eine jüdische Untergruppe gebildet. Dennoch kann der zukünftige Kurs der AfD nicht vorausgesehen werden. Eine neue Welle des Antisemitismus könnte in Deutschland entstehen, um einen bestehenden Strom antisemitischer Äußerungen und Handlungen zu verstärken. Merkels Diagnose des Grades des Risikos veranlasste sie, den rechtlichen Rahmen zu verbessern und in der Person von Felix Klein, den ersten Antisemitismuskommissar zu ernennen. Es ist fraglich, ob diese Maßnahmen ausreichen werden.
Die deutsch-israelischen Beziehungen werden immer schwierig und sensibel sein, da sie untrennbar mit der Erinnerung an die Shoah verbunden sind. Obwohl die Zusammenarbeit und die Freundschaft zwischen den beiden Staaten bei Merkels Regierung gestärkt wurden, erfordern neue Herausforderungen schwierige Entscheidungen. Beeinflusst von ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolgen ist die Kanzlerin bestrebt, milde Kompromisse zu finden, die divergierende Positionen ausgleichen. Aber diese Taktiken reichen nicht aus, wenn es um Sicherheit und Antisemitismus geht.
Von Dr. George N. Tzogopoulos (BESA)
Dr. George N. Tzogopoulos ist Gastwissenschaftler des BESA, Dozent an der Democritus University of Thrace und Gastdozent am Europäischen Institut in Nizza.
BESA Center Perspectives Paper No. 977, October 15, 2018
Begin-Sadat Center for Strategic Studies
Bar-Ilan University, Israel.
Übersetzung: Dr. Dean Grunwald
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