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Netanyahu und Macron: Divergenzen und Konvergenzen

ZUSAMMENFASSUNG: Benjamin Netanyahus Besuch in Paris im Juni 2018 veranschaulichte die Komplexität der Beziehungen zwischen Israel und Frankreich. Auf der einen Seite gibt es erhebliche Meinungsverschiedenheiten über den israelisch-palästinensischen Konflikt und das iranische Nuklearabkommen, die durch die wachsende Kluft zwischen den USA und Europa verschärft werden. Auf der anderen Seite gibt es gegenseitigen Respekt, gemeinsame Anliegen, bedeutende bilaterale Beziehungen und einen strategischen Dialog, um die kontroversen Themen zu überbrücken.

Benjamin Netanyahu besuchte am 5. Juni 2018 Paris, um die Ereignisse der französisch-israelischen „kombinierten Feierlichkeiten“ anlässlich des 70. Jahrestages des Staates Israel einzuläuten. Sein Besuch unterstrich die enge strategische, technologische, wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern. Netanyahus und Macrons gemeinsame Pressekonferenz im Anschluss an ihr Treffen enthüllte erhebliche Divergenzen, hauptsächlich in Bezug auf das iranische Nuklearabkommen von 2015 und den israelisch-palästinensischen Konflikt – aber es wies auch auf gemeinsame Sorgen und Konvergenzen zu strategisch wichtigen Themen wie der militärischen Beteiligung des Iran in der Region und sein Programm für ballistische Raketen hin, vor allem in Syrien.

Macron betonte seine Überzeugung, die auch von anderen Europäern geteilt wurde, dass das Nuklearabkommen von 2015 als der beste Weg beibehalten werden sollte, Teherans Nuklearaktivitäten weiter zu überwachen. Gleichzeitig sagte er, er halte das Abkommen nicht für völlig zufriedenstellend. Er räumte ein, dass das Abkommen Mängel aufweist und dass es nur eine erste Phase sei, die nach seinem Auslaufen im Jahr 2025 abgeschlossen werde. Außerdem betonte er die Notwendigkeit, sich mit dem Problem des iranischen ballistischen Raketenprogramms sowie der destabilisierenden militärischen Präsenz des Iran im Nahen Osten, vor allem in Syrien zu befassen.

Im Gegensatz zu Macron betonte Netanyahu, dass das Atomabkommen den Iran nicht davon abhalten werde, ein atomar bewaffneter Staat zu werden. Er stellte das Thema als höchste Sicherheitspriorität für Israel, die Region und die Welt vor. Er gab zu, dass er Macron nicht gebeten hatte sich aus dem Atomabkommen zurückzuziehen; noch hatte er Frankreich gebeten, seine wirtschaftlichen Verbindungen zum Iran zu kürzen. Dies stellt eine Änderung gegenüber früheren Erklärungen dar, in denen er forderte, das Atomabkommen zu „reparieren“ oder zu beenden.

Netanyahus Hinweis auf französische Wirtschaftsabkommen mit dem Iran berührte ein sensibles Thema. Viele internationale Unternehmen haben aus Angst vor Sanktionen der USA Verträge mit dem Iran gekündigt – darunter große französische Unternehmen wie die Ölgesellschaft Total, die Automobilhersteller Renault und PSA sowie der Flugzeughersteller Airbus. Die Geschäfte mit dem Iran sind Macron wichtig, zu dessen vorrangigen Zielen die Reform der französischen Wirtschaft und die Balancierung ihres Haushalts gehören.

Netanyahu wies auf Teherans Lügen bezüglich seiner militärischen Atompläne hin, wie aus den iranischen Atomarchiven hervorgeht, die von Israel aufgedeckt wurden. Es sei darauf hingewiesen, dass das französische Außenministerium in seiner Reaktion auf die dramatische Aufdeckung der Archive durch Netanyahu im Mai 2018 betont hat, dass dieses Engagement die Bedeutung des iranischen Nuklearabkommens verstärkt.

Netanyahu kritisierte den iranischen Deal weiter und betonte, dass Teheran das Geld, das der Iran durch die Aufhebung der Sanktionen erhielt, nicht für das Wohlergehen seiner Bürger, sondern für subversive Aktivitäten in der Region, einschließlich seiner Pläne zur Zerstörung des jüdischen Staates verwendet.

Die beiden Staats- und Regierungschefs konvergierten in ihrer Sorge um die Stabilität des Nahen Ostens infolge der Beteiligung des Iran in der Region. Beide sagten, Teheran solle seine Einmischung in Syrien stoppen. Macron betonte, was er als drei wichtige Prinzipien für eine politische Lösung der syrischen Krise betrachtet: Volle Souveränität für Syrien, eine Gesetzesänderung und die Organisation freier Wahlen.

Ein weiterer Punkt der Konvergenz betrifft die Bedeutung, die beide politische Führer dem russischen Einfluss bei der Förderung einer politischen Lösung der syrischen Krise beimessen. Beide Staatsmänner führen einen engen Dialog mit Präsident Putin. Netanyahu besuchte Moskau im Mai 2018, um sich mit Putin über Israels militärischen Kampf gegen die Beteiligung des Iran in Syrien zu verständigen. Später in diesem Monat traf sich Macron mit Putin in Sankt Petersburg, um (unter anderem) eine gemeinsame Grundlage für eine politische Lösung des syrischen Bürgerkriegs zu finden.

Netanyahu schien Macrons Standpunkt hinsichtlich der Notwendigkeit einer politischen Lösung der syrischen Krise zu akzeptieren. Er betonte jedoch Israels Entschlossenheit, den Iran daran zu hindern, seine militärische Präsenz in Syrien zu erhöhen und Teherans Bemühungen zu beenden, hochentwickelte Waffen nach Syrien und an die Hisbollah zu bringen, die wie ihr iranischer Patron offen ihren Wunsch erklärt hat, Israel zu zerstören. Macron erklärte nicht ausdrücklich, dass er sich gegen israelische militärische Interventionen in Syrien ausspricht, äußerte jedoch Bedenken hinsichtlich einer weiteren Destabilisierung des instabilen politischen Gleichgewichts im Libanon infolge eines möglichen militärischen Konflikts zwischen Israel und der Hisbollah. Die Besorgnis Frankreichs über die Stabilität des Libanon spiegelte sich auch in Macrons Verurteilung der Entscheidung des Assad-Regimes wider, das Eigentum von Menschen die aus Syrien geflohen waren, zu konfiszieren.

Der israelisch-palästinensische Konflikt stellte sich als ein bedeutender Bereich der Divergenz zwischen Netanyahu und Macron heraus. Der französische Präsident bekräftigte die konsequente Haltung Frankreichs zu dem, was er als die einzige Lösung des Konflikts ansieht: Zwei Staaten, die in Frieden und Sicherheit Seite an Seite mit West-Jerusalem als Hauptstadt Israels und Ost-Jerusalem als Hauptstadt Palästinas leben. Macron kritisierte die Verlegung der US-Botschaft nach (West-) Jerusalem scharf und bezeichnete sie als völkerrechtswidrig und als einseitigen Akt, der Blutvergießen verursache und den Friedensprozess unterminiere. Macron fügte hinzu, dass Paris in naher Zukunft keine Friedensinitiative starten werde und er sieht keinen pragmatischen Vorteil in einer einseitigen französischen Anerkennung eines palästinensischen Staates.

Macron verband die blutigen jüngsten Ereignisse in Gaza mit dem Fehlen einer politischen Lösung und verurteilte eindeutig alle Formen von Gewalt gegen Zivilisten. Gleichzeitig betonte er die Bedeutung, die Frankreich der Sicherheit Israels beimisst und verurteilte jede Form der Aufstachelung zur Gewalt, wobei er sich hauptsächlich auf die Hamas bezog. Macron bat Netanyahu auch, die akute humanitäre Krise in Gaza anzusprechen. Er sagte, dass Frankreich zusammen mit Jordanien und den europäischen Ländern bereits Schritte zu diesem Thema unternommen hat.

Es ist anzumerken, dass Frankreich, ein einflussreiches ständiges Mitglied des UNSC ist, dass Israel während der Beratungen des UN-Sicherheitsrates über die Unruhen an der Gaza-Grenze kritisierte und behauptete, seine Reaktionen auf die gewalttätigen „friedlichen Bürgerdemonstrationen“ seien unverhältnismäßig. Der französische Delegierte beim UNSC forderte Israel auf, die (vermeintliche) Blockade des Gazastreifens zu beseitigen und unterstützte eine Resolution des UN-Sicherheitsrats, in der Israel verurteilt und die Einrichtung eines internationalen Untersuchungsausschusses empfohlen wurde. Der Resolutionsvorschlag scheiterte, da er von den USA abgelehnt wurde.

Netanyahu wies im Gegensatz zu Macron auf die palästinensische Verantwortung für die Sackgasse [in den Friedensgesprächen] hin. Er sagte, das Problem bestehe weder in den Grenzen Jerusalems noch in der Notwendigkeit, einen palästinensischen Staat zu errichten, sondern in der Weigerung der Palästinenser, den jüdischen Staat anzuerkennen. Um dies zu verdeutlichen, erwähnte er den politischen Krieg gegen Israel durch Mahmoud Abbas.

Darüber hinaus betonte Netanyahu, dass die Hamas als eine aktive Terrororganisation operiert. Die ihren Wunsch erklärt hat, den Staat Israel mit der Unterstützung des Iran zu zerstören. Die Demonstrationen an der Gaza-Grenze waren nicht friedlich: Sie benutzten Bürger aus Gaza als menschliche Schutzschilde mit dem Ziel, in den israelischen Grenzzaun einzudringen, um israelische Bürger zu entführen und zu töten. Netanyahu unterstrich die offensichtliche Pflicht des Staates Israel, seine Bürger gegen Hamas-Terroristen zu verteidigen.

Im Gegensatz zur Kriegshetze der Palästinenser, wies Netanyahu auf die Verbesserung der Beziehungen Israels zu den arabischen Ländern in der Region hin. Er stellte ihren Wunsch fest, mit Israel im Kampf gegen radikale Islamisten sowie in israelischen technologischen Innovationen zusammenzuarbeiten. Netanyahu sieht diese Entwicklung als Chance für den Frieden in der Region. Diese optimistischen Aussichten dürften Macron gefallen, der eine enge strategische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Ägypten, Jordanien und den Golfstaaten pflegt.

Trotz ihrer Unterschiede schätzen Macron und Netanyahu die bilateralen Beziehungen beider Länder. Sie lobten ihre nachrichtendienstliche Zusammenarbeit und ihre gemeinsamen Anstrengungen im Kampf gegen den Terrorismus. Netanyahu betonte, dass viele Leben in Europa dank der Hilfe Israels bei der Vereitelung terroristischer Aktivitäten gerettet wurden. Die beiden Führer lobten auch ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit, wobei Macron die israelische Hightech-Industrie als Modell für die Erholung der französischen Wirtschaft bezeichnete.

Die beiden Staatsmänner sprachen auch die wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit ihrer Länder an. Macron brachte den Wunsch zum Ausdruck, die französische Sprache und Kultur in Israel weiterzuentwickeln und die Zahl der israelischen Studenten in Frankreich zu erhöhen. Dies spiegelt nicht nur die Bindung der Franzosen an ihr kulturelles Erbe wider, sondern auch die französischen Bestrebungen, die Rolle des Landes auf internationaler Ebene durch massive Investitionen in die Förderung der Sprache zu fördern. Tatsächlich lebt eine der größten frankophonen Gemeinschaften außerhalb der Grenzen Frankreichs in Israel. Netanyahu drückte auch seinen Respekt für die frankophone Kultur aus.

Beide politischen Führer verkündeten ihre persönliche Freundschaft und gegenseitigen Respekt. Netanyahu dankte Macron für seinen Kampf gegen antisemitische Gewalt gegen französische Juden, welche die größte jüdische Gemeinde in Europa darstellen. Er bedankte sich auch bei Macron für seine Aussagen, in denen er Antizionismus mit Antisemitismus gleichsetzte.

Trotz erheblicher Divergenzen spiegelte die Gemeinsame Pressekonferenz von Netanyahu und Macron und die Einweihung der „kombinierten Feierlichkeiten Frankreich-Israel“ die gemeinsamen Sorgen, die vielseitige Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern und den Optimismus hinsichtlich der Aussichten für die französisch-israelischen Beziehungen wider.

Von Dr. Tsilla Hershco (BESA)

Dr. Tsilla Hershco, ist eine wissenschaftliche Mitarbeiterin am Begin-Sadat-Zentrum für strategische Studien und hat sich auf die französisch-israelischen und die EU-israelischen Beziehungen spezialisiert.

BESA Center Perspectives Paper No. 889, July 10, 2018
Begin-Sadat Center for Strategic Studies
Bar-Ilan University
Übersetzung: Dr. Dean Grunwald

 

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Von am 10/07/2018. Abgelegt unter Featured. Sie knnen alle Antworten zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0. Kommentare und pings sind derzeit geschlossen.

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