In einer Märkischen Landschaft, umgeben von Kiefern, im Westend von Berlin, ließ sich Georg Kolbe, der Bildhauer, 1928/1929, ein Atelier- und Wohnhaus bauen. Die beiden Architekten Rentsch und Lindner bauten dieses moderne sachliche Haus, aus der Schweiz stammte Ernst Rentsch und Bauhausschüler war Paul Lindner. Georg Kolbe wurde 1877 in Sachsen geboren, zur Ausbildung als Maler und Bildhauer ging er nach Dresden und München, später nach Paris. Lebte als Künstler in Konstantinopel und Florenz, war dort einer der ersten Stipendiaten in der neugegründeten Villa Romana, reiste nach Ägypten und Moskau. Die holländische Gesangsschülerin Banjamine van der Meer de Walcheren lernte er bei den Wagners in Bayreuth kennen, das Paar heiratete, zog nach Leipzig, wo die Tochter Leonore 1902 geboren wurde. Später gingen die Kolbes mit der Tochter nach Berlin ins Künstlerviertel am Tiergarten. Benjamine starb bereits 1927 und wurde auf dem Friedhof an der Heerstraße beerdigt. Georg Kolbe kaufte ein Grundstück ganz in ihrer Nähe, in der Nähe des Friedhofs. Bescheiden und funktional wurde sein Leben, berühmt wurden im Laufe der Jahre seine Kunstwerke. Politische Anpassung im 3. Reich soll es gegeben haben und brachte so manche Diskussion darüber nach dem 2. Weltkrieg.
Zehn Frauen, zehn Bildhauerinnen, werden in der Sensburger Allee 25 im damaligen Atelierhaus von Georg Kolbe, dem heutigen Georg Kolbe Museum, gezeigt. Bildhauerinnen der ersten Generation, Bildhauerinnen der Berliner Moderne, werden sie genannt. In einer Domäne von Männern setzten sie sich allmählich durch. Private Kunstschulen besuchten sie, erst ab dem Jahr 1919, nach dem 1. Weltkrieg, wurden Frauen in den staatlichen Kunstakademien zugelassen. 1905 wurde die Villa Romana in Florenz von Max Klinger gegründet und als einer der ersten Stipendiaten zog Georg Kolbe in die florentinische Villa ein, wie bereits gesagt. Die Bildhauerinnen seiner Zeit hatten keinen Zutritt, doch ihre bildhauerische Kunst konnte standhalten und konkurrieren. Eine großartige Auswahl von Künstlerinnen haben Frau Dr. Julia Wallner, Direktorin des Georg Kolbe Museums und ihre Mitstreiterinnen getroffen, eine großartige Idee, sie gebündelt in einer gemeinsamen Ausstellung zu zeigen.
Die 1. Generation – Bildhauerinnen der Berliner Moderne ist die Ausstellung betitelt. In die Öffentlichkeit gelangten diese Frauen, diese Künstlerinnen, nur mit großen Anstrengungen, doch ohne Zweifel eine Bereicherung der Kunstszene damals und auch heute. Kunstakademien wurden für sie erst nach dem 1. Weltkrieg geöffnet, wie schon erwähnt.
100 Bildhauerwerke in unterschiedlichen Formen sind ausgestellt, Formen der Mode entsprechend, kubistische und traditionelle Kunstformen in unterschiedlichen Materialien, und unterschiedlichen Themen. Tierplastiken, sitzende und hockende Frauen, Köpfe und Büsten aus Bronze, Stein und Ton, auch Arbeiten aus Holz sind zu sehen.
Wir Zuschauer, wir Kritiker sind in einer neuen Zeit angekommen, versuchen uns mit der zeitgenössischen Kunst zu befassen, doch ein Griff in die Kunstgeschichte von damals ist lehrreich. Der Zeitgeist ist ungerecht und hart geworden, Kunst kommt und geht, ist der Mode unterworfen und fliegt rasant vorbei. Die Kunst von damals besitzt Stolz, ist zu begreifen beim Umrunden der Kunstwerke. Eigenständig hat jede Künstlerin auf ihre Art gearbeitet. Gute handwerkliche Arbeiten entdecken wir, gewagte Formen, abstrakte oder traditionelle. Diese Frauen mussten sich durchsetzen gegen die künstlerische Männerwelt, nach ihrem Tod versanken sie in den Depots der Museen. Herausgeholt aus den Depots hat das Georg Kolbe Museum diese künstlerischen 100 Werke von zehn Bildhauerinnen der Weimarer Republik.
Käthe Kollwitz, die am 8. Juli 1867 geboren wurde und 1945 in Moritzburg bei Dresden starb, in Berlin begraben wurde, ist wohl die bekannteste deutsche Bildhauerin. Ihr Mann war Armenarzt am Prenzlauer Berg in Berlin, das soziale Elend der Menschen hatte sie vor der Tür, ihr Sohn fiel im 1. Weltkrieg und der Enkelsohn im 2. Weltkrieg. Einen ganz persönlichen Kunststil entwickelte sie in ihren Radierungen und Holzschnitten, die sozialen Themen ließen sie nie los, Krieg, Tot, Armut… „Bis heute werden ihre Kunstwerke als eindringliche Aufrufe gegen Gewalt verstanden“, ist im Pressetext zu lesen. Unverkennbar sind ihre Plastiken. In der Neuen Wache, Unter den Linden in Berlin, steht ihre Skulptur „Mutter mit dem toten Sohn“ als ewiges Mahnmal.
Aus Berlin stammt Sophie Wolff, die etwa um 1875 in der Stadt an der Spree geboren wurde und als Jüdin 1944 in der Stadt ihrer Geburt umgekommen ist. Im Pressetext ist zu lesen, dass sie „1904 gemeinsam mit ihrer engen Freundin Käthe Kollwitz Auguste Rodin in seinem Atelier besuchte und beschloss, sich der Bildhauerei zuzuwenden“. In wichtigen Galerien und Museen der damaligen Berliner Kunstszene waren ihre Kunstwerke ausgestellt.
In Rheinberg am Niederrhein wurde Milly Steger 1881 geboren, in London bekam sie ihre höhere Töchter Erziehung, in Elberfeld und Florenz erlernte sie die Bildhauerei, In Hagen bekam sie große Aufträge. „In feinen Silhouetten feiern ihre Skulpturen eine neu empfundene Leichtigkeit des Menschen, die einer modernen Auffassung von Körperbildern Raum geben“, Presse Kolbe Museum. Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete sie in Berlin und starb 1948 in der zerstörten Nachkriegsstadt.
Aus dem Elsass kam Margarethe Haeffner-Moll, Marg genannt, wurde 1884 in Mülhausen geboren und starb 1977 in München, in Berlin wurde sie beerdigt. In Frankfurt am Main wurde sie als Bildhauerin ausgebildet und hatte Unterricht bei dem Maler Oskar Moll, den sie später heiratete. Gemeinsam zog das Paar nach Berlin, weiter nach Breslau und Düsseldorf. Marg wurde von der Nazidiktatur verfolgt und ihre Kunst „als entartet“ bezeichnet. 1947 starb Oskar Moll und Marg ging für einige Jahre nach Wales.
In der Türkei, in Konstantinopel wurde Tina Haim-Wentscher 1887 in eine sephardisch- jüdische Familie geboren, der Vater kam aus Serbien, die Mutter aus Italien. Über Wien ging die Familie nach Berlin. Tina Haim studierte in Charlottenburg Bildhauerei, heiratete den Berliner Maler Julius Wentscher aus Königsberg, häufige Studienreisen unternahmen sie, vorrangig in asiatische Länder. In der Pressemitteilung ist zu lesen „In den 1910er- und 20er-Jahren gehörte Tina Haim-Wentscher zu den gefragtesten deutschen Portraitbildhauerinnen: Die kulturelle Elite Berlins saß ihr Modell…“. 1940 retteten sie ihr Leben in Australien. Tina starb dort 1974.
Renee Sintenis erblickte 1888 in Schlesien das Licht der Welt, wurde die Erfinderin des Berliner Bären, der uns noch heute am Stadtrand in Dreilinden empfängt und auf der Berlinale von jeder Fahne weht. Dekorative Plastik studierte sie in der Unterrichtsanstalt des Kunstgewerbemuseums Berlin, mit ihren prägnanten Köpfen und Tierplastiken wurde sie bekannt, in Berliner Künstlerkreisen war sie zuhause, zum Prototyp der „Neuen Frau“ wurde sie stilisiert. In London, Paris, New York und anderen europäischen Metropolen wurden ihre Plastiken gezeigt. Aus der Akademie der Künste in Berlin wurde sie 1934 von den Nazis ausgeschlossen, da ihre Großmutter Jüdin war. Im Krieg wurde ihr Berliner Atelier beim Bombenangriff zerstört, 1955 bekam sie eine ordentliche Professur an der Hochschule für Bildende Künste, die sie nur kurzfristig wahrnahm, ihre Kunstwerke waren weiterhin sehr gefragt, 1965 starb sie in Berlin.
Christa Winsloe , die Offizierstocher, wurde 1888 in Darmstadt geboren, in München künstlerisch ausgebildet, heiratete den ungarischen Juden Baron Hatvany, ging nach Ungarn, ließ sich scheiden und errichtete ein Atelier in Berlin, ging weiter nach München, modellierte hauptsächlich Tierplastiken, schrieb für Zeitungen, Romane und Theaterstücke, ebenso den literarischen Text zu dem berühmten Film „Mädchen in Uniform“. Sie lebte später mit einer US-amerikanischen Korrespondentin zusammen, in Südfrankreich entdeckte sie ihre große Liebe Simone Gentet. In einem Wald bei Cluny wurde Winsloe 1944 erschossen.
Aus Würzburg kam Emy Roeder, 1890 dort geboren, in München und bei Hoetger in Darmstadt ausgebildet wurde, 1919 den Bildhauer Herbert Garbe heiratete, in Berlin erfolgreich arbeitete. Garbe wurde NSDAP-Mitglied, zusammen ging das Ehepaar nach Rom, Emy später in die Villa Romana zu Hans Purrmann. Nach dem 2. Weltkrieg wohnte sie in Rom und Mainz und wurde 1971 in Würzburg begraben. In der Pressemitteilung steht „ Sie verarbeitet immer wieder auch ihre Beobachtungen aus dem italienischen Exil und später von ausgedehnten Reisen. Mit ihren Darstellungen von jüdischen Flüchtlingen in den 1920er Jahren und arabische Frauen in den 1960er Jahren ergreift sie eine pluralistische Haltung zur Welt…“ Eine führende Bildhauerin des Expressionismus war sie.
Im letzten Jahr wurden die gesamten bildhauerischen Werke von Jenny Wiegmann-Mucchi in der Zitadelle in Berlin-Spandau gezeigt. Im Kolbe Museum ist sie ebenfalls dabei. 1895 wurde die Künstlerin in Spandau geboren und starb 1969 in Berlin. In Berlin-Charlottenburg erhielt sie ihre fundierte bildhauerische Ausbildung, heiratete den Bildhauer Berthold Müller-Oerlinghausen, von dem sie sich nach Jahren trennte. Den Mailänder Maler und Architekten Gabriele Mucchi heiratete sie 1933, nach dem 2. Weltkrieg wohnten sie gemeinsam in Mailand und in der DDR, in Berlin. Bereits 1937 erhielt die Bildhauerin auf der Weltausstellung in Paris eine Goldmedaille, auf der Biennale in Venedig war sie ebenfalls zu sehen. Von 1943 bis 1945 agierte sie im italienischen Widerstand gegen den Faschismus. „Über die politische Prägung ihrer Arbeit hinaus schuf sie ein eindrucksvolles Gesamtwerk, das sich von einem harten Realismus zu einer klaren und sehr eindringlichen Formensprache entwickelte“, schreibt das Kolbe Museum.
Die letzte im Bunde und auch die jüngste der Künstlerinnen ist Louise Stomps, die 1900 in Berlin geboren wurde, bis weit in die Neuzeit arbeitete und 1988 in Wasserburg am Inn mit ihrem Motorrad tödlich verunglückte. In der Abendklasse der Hochschule für Bildende Künste in Berlin – Charlottenburg und im Verein der Berliner Künstlerinnen erlernte sie ab 1928 die Bildhauerei. In die innere Emigration ging sie, wehrte sich gegen den Nationalsozialismus, arbeitete unter schwierigen materiellen Bedingungen. Im Pressetext steht: „Sie gehörte zu den frühen Stimmen der organischen Abstraktion, die in der Skulptur der Nachkriegszeit hohe Anerkennung fand“.
Berlin wartet auf Sie, die Stadt ist international, das Wetter hochsommerlich, die Ausstellung im Westen Berlins in der Sensburger Allee ein Hochgenuss und eine große Bereicherung. Das Museum von Georg Kolbe und der wunderschönen Garten sind eine Rarität. Sie werden beflügelt den Garten durchlaufen und die Tänzerin von Georg Kolbe auf dem Brunnen unter den Bäumen bewundern und nicht zuletzt die einhundert Kunstwerke der beschriebenen großartigen Künstlerinnen.
Von Christel Wollmann-Fiedler
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