Wer hat Lust auf Catering?
Mit dieser Frage meines damaligen Chefs, die ich erwartungsvoll bejahte, begann eine stetig komplexerer Arbeit außerhalb und parallel zum normalen Tagesgeschäft eines Hotels.
Mein erstes Catering war dann auch gleich ein kleiner Staatsempfang, ausgerichtet vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizäcker, auf der Klosterinsel „Nonnenwerth“, mitten im Rhein und nur mit einer Fähre erreichbar.
Outside- Caterings waren mir bis dato neu und damit gleichermaßen spannend, aufregend und ausgesprochen lehrreich. Als Mann der klassischen Grand-Hotellerie hatte ich immer funktionierende Abteilungen um meinen Job herum und vor allem Zugriff auf jedes benötigte Equipment. Jetzt konnte ich aber erstmals nur auf das zurückgreifen, was wir eingepackt hatten. Checklisten hatten wir in dem neuen Hotel ebenso wenig, wie Erfahrungen, dafür aber Motivation bis in die Haarspitzen. Eine besondere Herausforderung war der Transport des gesamten Materials einschließlich Speisen und Getränke zur und zurück von der Klosterinsel, denn das geschah ausschließlich via Fähre. Das Problem war nur, diese fuhr nicht wie eine Straßenbahn oder Bus, sondern machte zwischen 19:00 Uhr und 05:00 Uhr Pause. Die Staatsgäste hatten damit kein Problem, denn sie wurden mit Helikoptern eingeflogen. Das war dann eine lange schlaflose Nacht und viel mentales Lehrgeld.
Gut, dass es diese erste und zugleich harte Schule gab, denn es sollten noch viele weitere Caterings folgen und deren Herausforderung stetig zunehmen. Das größte und komplexeste Catering durfte ich mit 3000 Gästen – 3 Gänge Menü – beim „Ball des Sports“ in Wiesbaden mitgestalten. Ein Menüservice dieser Größenordnung, 150 km vom Hotel entfernt, ist eine gewaltige logistische Herausforderung, die wir aber trotz großem Erfolg nur einmal geleistet haben.
Um diesen Kraftakt plastisch vorstellbar zu machen, stellen Sie sich bitte vor, Sie sind Gast in einem à la carte-Restaurant eines First-Class-Hotels. Vor Ihnen ein Gedeck für ein 3-Gang Menü mit:
…und nun das Ganze mit 3000 multiplizieren. Alles sorgsam poliert und transportsicher verpackt.
Hinzukommen: Tischdecken, Ascher, Kerzenhalter, Tabletts, 2 mobile Küchencontainer, alle Getränke (die noch gekühlt werden müssen), alle Speisenbestandteile und das gesamte Küchenmaterial, zig Hotcars (fahrbare Warmhalteschränke), 3000 Stapel-Glochen usw. Auf die sonst obligatorischen Platzteller haben wir wegen der sehr schmalen Tische beim Ball verzichtet, was aber dem Gesamteindruck keinen Abbruch tat.
Das Servicepersonal bestand aus unseren eigenen (über 100) Lehrlingen aller Lehrjahre und weiteren aus anderen Häusern der Hotelkette. Busse zu deren Transport von Bonn nach Wiesbaden und Übernachtungsmöglichkeiten vor Ort waren ebenso zu organisieren wie alle Vor- und Nachbereitungsarbeiten in der Rhein-Main-Halle für den eigentlichen Ball.
Das Setup der Halle und der Aufbau der Catering-Zelte davor war Sache der Hallen-Crew, alles andere hatten wir abzuarbeiten. Die mitgereisten Abteilungsleiter des Hotels fragten freundlicherweise, on sie helfen dürfen, was ich gerne bestätige und ließ sie die Servietten falten und mit dem Serviettenring versehen. 3000 Stoff-Servietten sind 3 Wäsche-Container bis oben gefüllt.
Seither wurde ich nie wieder gefragt, ob man helfen könne.
Der nächste große Schritt, obwohl es nur um einen Bruchteil der Personen ging, war ein Catering (Gala-Buffet) auf einem Rheinschiff anlässlich „Rhein in Flammen“ in Bonn, für die Confrérie de la Chaîne des Rôtisseurs, der internationalen Bruderschaft des guten Geschmacks. Das waren zwar nur 80 Personen, der Aufwand entsprach aber dem eines Vielfachen davon.
Etwas ganz anderes waren dann die Caterings, die ich als Food & Beverage Manager bei einem anderen Hotel des Luxus-Segments in Bonn leisten durfte. Es waren die Staatsempfänge im Bundespräsidialamt („Villa Hammerschmidt“ und Schloss „Augustusburg“ zu Brühl), im Bundeskanzleramt („Palais Schaumburg“) und im Auswärtigen Amt an der s.g. Diplomatenrennbahn, der B 9 in Bonn.
Hier entschied nicht die schiere Personenzahl bisheriger Caterings, sondern ausschließlich Qualität und absolute Flexibilität. Unsere Dienstpläne waren bestimmt durch die Protokollchefs der jeweiligen Ämter und natürlich die Staatsbesuche in Deutschland. Größere Staatsempfänge fanden im Gästehaus des Bundes, dem heutigen „Grandhotel Petersberg“ auf dem gleichnamigen Berg bei Königswinter, vis-à-vis von Bonn-Bad Godesberg statt, alles andere war unser Job. Feinstes KPM-Porzellan mit Staats-Logo, Kristall-Gläser, Silberbesteck und Platzteller waren die Norm und die Personalmenge der Aufgabe angemessen hoch. Bei Staatsempfängen wurde selbstverständlich von Platten vorgelegt und nicht etwa ein schlichter Teller-Service praktiziert.
Von allen Staatsempfängen bleiben mir zwei in besonderer Erinnerung.
Üblicherweise war der Dress-Code bei Staats-Diners, „Black Tie“. Der Dress-Code „White Tie“ wird eher in Kreisen des Adels und besonders festlichen gesellschaftlichen Anlässen praktiziert.
Der Service trug Schwarz-Weiß statt Stresemann-Hose und Cut, dafür aber weiße Handschuhe. Diese Kleidungsetikette gilt natürlich nicht automatisch für die Staatsgäste. Nelson Mandela, der es sich nicht nehmen ließ im traditionellen bunten Hemd Afrikas der Tafel mit dem Bundespräsidenten vorzusitzen, stach somit weithin sichtbar von allen geladenen Gästen ab.
Nicht nur dabei war Nelson Mandela unkonventionell und ausgesprochen freundlich zu allen Anwesenden, sondern auch insbesondere nach dem Dinner, als die Gäste auf der Terrasse vor dem wunderschönen Barock-Garten des Schloss “Augustusburg“ zu Brühl ihren Digestif oder Mocca genießen durften. Er schritt direkt zur Kapelle, bestieg deren Bühne und tanzte nach der gewünschten Musik, ohne sich um ein diplomatisches Protokoll zu scheren. Großartig, wie natürlich und menschlich nah Nelson Mandela sein konnte.
Ganz anders ein kleines Mittagessen für einen Staatsgast beim damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl, im „Palais Schaumburg“, innerhalb des Areals des Kanzleramtes.
Wie üblich meldeten wir im Vorfeld unser Personal an und fuhren dann zur Einlass-Schleuße des Bundeskanzleramtes, aber da lag keine Anmeldung oder Genehmigung vor und man verweigerte uns natürlich den Zutritt. Der psychische Stress ist unbeschreiblich, wenn man am Eingang steht und die Zeit läuft davon, wohlwissend dass eine Verspätung des georderten Essens durch den Protokollchef oder gar den Bundeskanzler nicht hingenommen werden würde und unabsehbare Folgen für das Hotel hätte. Verursacher dieser Mega-Panne waren wir aber selbst. Die Sicherheitschefs von Bundeskanzleramt und Bundespräsidialamt waren Namensvettern und so lag durch eine Unachtsamkeit unseres Hauses die Anmeldung im falschen Amt vor. Erst einige hektische Telefonate klärten die brenzlige Situation und wir durften unseren Job machen. Die Sicherheitschefs, die es niemals zum Eklat hätten kommen lassen, haben uns natürlich die verdiente Lektion erteilt. Lange nach der Panne konnten auch wir dann darüber lachen. Die Protokollchefs der Ämter haben davon glücklicherweise nie erfahren., denn niemand außer uns und den Sicherheitschefs hatte bemerkt, dass eine mögliche diplomatische Katastrophe abgewendet wurde.
Mit dem Weggang der Regierung endete auch mein Job in diesem Bonner Hotel und ich wechselte in die Privat-Hotellerie und wurde dort Hoteldirektor. Das alte Sprichwort stimmt also: Wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.
(Alle Ereignisse beruhen auf wahren Begebenheiten, Namen von noch lebenden Personen wurden verfremdet oder aus Gründen der Diskretion weggelassen)
Von Gerhard Werner Schlicke
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