Fairness ist in der Politik wohl eher ein seltenes Gut, aber nun gerade das Pessach-Fest als Dateline für die Verabschiedung des Haushaltsgesetzes oder alternativ den Bruch der Koalition zu setzen ist kein allzu glückliches Statement von Finanzminister Kochlon, weil es Geist und Inhalt von Pessach konterkariert.
Letztlich versteckt sich hinter diesem politischen Druck die Entscheidung darüber, ob sich die Torah-Partei mit ihrer Forderung durchsetzen kann, im neuen Wehrpflichtgesetz endgültig festzuschreiben, dass die Talmud- und Torah Studenten dieses Studium mit der Wehrpflicht gleichsetzen können und somit nicht rekrutiert werden.
In Israel stellen sich Staat und Gesellschaft schützend vor die Orthodoxen Juden, haben seit der Staatsgründung vielfältige Freiräume für sie geschaffen und behalten diese auch unter veränderten Bedingungen bei. Die Entwicklung der Orthodoxie in 70 Jahren Israel belegen die positive Wirkung. Ob das noch durch eine universelle Befreiung der Talmud- und Torah Studenten von der Wehrpflicht ergänzt werden muss, das kann nur im gesellschaftlichen Konsens, über alle Parteigrenzen hinweg entschieden werden.
„Spiegel Online“ schrieb dazu, Zitat: „Unter den von den Nationalsozialisten im Holocaust ermordeten Juden waren viele Ultraorthodoxe. Entsprechend wenige Männer und Frauen dieser Strömung des Judentums lebten 1948 zwischen Mittelmeer und Jordan, als in jenem Jahr der Staat Israel ausgerufen wurde. Staatsgründer David Ben-Gurion sah kein Problem darin, der kleinen Minderheit entgegen zu kommen und befreite die damals wenigen Hundert begabten Talmudstudenten in den religiösen Schulen vom Dienst an der Waffe. Für…David Ben-Gurion …schien es undenkbar, dass die Ultraorthodoxie in Israel wieder wachsen würde. Das Gegenteil trat ein…“
Das Oberste Gericht hat nun die schwierige Aufgabe, dieses politische Erbe David Ben-Gurions dahingehend neu zu ordnen. Die Transformation einer historischen Entscheidung von vor 70 Jahren in die Neuzeit vorzunehmen und dabei alle Interessen abzuwägen und zu würdigen, kommt einem Spagat gleich und kann nicht mit dem kategorischen Imperativ geregelt werden.
Wie Politikwissenschaftler der Ben-Gurion-Universität des Negev bereits festgestellt haben, bedarf es für diese Entscheidung keines Gesetzes, sondern lediglich eines Verwaltungsaktes. Selbst Staatspräsident Rivlin, der qua Amt politisch zurückhaltend ist, mahnte zum Dialog an Stelle der Konfrontation.
Dieser Koalitionsstress kommt zu keiner guten Zeit. Außenpolitisch hat PM Netanjahu eine Sisyphusarbeit zu leisten, um Jerusalem tatsächlich zur ungeteilten Hauptstadt Israels zu machen und damit einen historischen Auftrag zu vollenden.
Die UNO, die EU und die G 20 mauern, die Arabische Liga ist ohnehin strikt dagegen, der Vatikan taktiert und stellt sich mit Erdogan gegen dieses US-Votum und die NGOs richten sich nach dem Mainstream.
Hinzu kommt, dass derzeit die Verteidigung Israels gegen eine nie dagewesene Bedrohung durch den Iran und seine Handlanger in der Region eine starke und geschlossene Regierung braucht, um bei Bedarf auch schwierige Entscheidungen treffen zu können. Erinnert sei hier an die Stunden vor Beginn des 6-Tage Krieges. Golda Meir sagte weiland: „Die Moslems können kämpfen und verlieren, und dann wiederkommen und erneut kämpfen. Aber Israel kann nur einmal verlieren („The Muslims can fight and lose, then come back and fight again. But Israel can only lose once.“)
Letztlich kämpft PM Netanjahu innenpolitisch auch noch mit Korruptionsvorwürfen, die seine Reputation im Land und darüber hinaus schwächen soll. Umfragen zeigen aber, dass die gewünschte Wirkung ausbleibt und Likud vor allen anderen Parteien rangiert.
Pessach feiern heißt für mich, sich auch der kollektiven Stärke und Geschlossenheit zu besinnen, die erst den Auszug der Israeliten aus Ägypten ermöglicht hat. Dieses Erbe mit dem Dienst an der Waffe zu bewahren und zu verteidigen ist keine Bürde, sondern eine Ehre und ein Privileg.
Eben diese historisch ererbte kollektive Stärke des Volkes König Davids durch einen unnötigen Koalitionsstreit auseinander zu dividieren schwächt die Außenwahrnehmung des Landes und könnte die Feinde Israels ermuntern, mehr als eine Drohne zu schicken.
Über Entscheidungszeiträume und Datelines kann man sicher reden, über die gesellschaftliche Geschlossenheit, seine religiösen Wurzeln und die militärische Stärke Israels nicht!
In diesem Sinne wünsche ich schon heute
Chag Pessach kascher we- Sameach
Von Gerhard Werner Schlicke
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