Von allen unzähligen schrecklichen Ereignissen aus der Geschichte des Völkermordes an den Juden Europas durch das Nazi-Regime ist der Verlauf der Ermordung der jüdischen Kinder, die aus Frankreich deportiert wurden, erschütternd. Es ist das Bild derer, die von ihren Eltern getrennt wurden. Und dennoch war es nicht einfach die grausame Vorstellung von Kindern, die in Lagern wie zum Beispiel Beaune-la.Rolande aus den Armen ihrer Mütter gerissen wurden. Es ist die bittere Tatsache, dass einige Eltern wie die Mütter, die ihren Kindern bei der ersten Razzia sagten, sie sollten davonlaufen, entgegen ihrem natürlichen Impuls handeln und sich von von ihren eigenen Kindern trennen mussten, damit eine Chance zum Überlaben gegeben war.
Selbst Höß, der seit dem 30. April 1940 als Hauptsturmführer Leiter des KL-Auschwitz war, entging nicht, dass Familien in Auschwitz um jeden Preis zusammenbleiben wollten. Obgleich bei der Selektion an der Rampe die Männer von den Frauen und verheiratete Paare voneinander getrennt wurden, machten die SS-Schergen schnell die Erfahrung, dass es in aller Regel nicht ihren eigenen Regeln entsprach, Mütter mit Gewalt von ihren Kindern zu trennen. Obgleich sie wertvolle Arbeitskräfte verloren, wenn sie junge, gesunde Mütter mit ihren Kindern in die Gaskammer schickten, war ihnen doch schnell klar, dass eine Trennung der Kinder von ihren Müttern bei der ersten Selektion nach Ankunft eines Transportes entsetzliche Szenen zur Folge hatten, dass eine „effektive“ Durchführung des Prozesses zur Vernichtung fast unmöglich sein würde.
Zudem würde der Aufruhr, der aus dieser Trennung entstehen würde, mindestens so schlimm sein wie die seelische Verstörung der Mordkommandos, die Frauen und Kinder aus nächster Nähe erschießen sollten – gerade das, was mit den Gaskammern auf ein Minimum beschränkt werden sollte. Nach den Kindertransporten im Sommer des Jahres 1942 gelangten die französischen Behörden zu dem gleichen Schluss. Nach dem letzten Deportationszug mit elternlosen Kindern, der am 31. August von Drancy aus sich in Bewegung setzte, erging eine Anweisung, keine weiteren derartige Transporte mehr durchzuführen. Zumindest in Frankreich sollten bei den Judendeportationen keine Kinder mehr ihren Müttern entrissen werden; von da an wurden nur noch vollständige Familien nach Auschwitz geschickt.
Man soll nicht glauben, dass die französischen Behörden plötzlich „ihr Herz für Kinder entdeckt“ hätten, sondern sie hatten ebenso wie Höß in Auschwitz erkannt, dass es in ihrem eigenen Interesse lag, wenn sie die Kinder bei ihren Müttern beließen. Und was so bedrückend wirkt, ist die Mittäterschaft der französischen Behörden in jeder nur erdenklichen Phase. Wie die Nazi-Besatzer in Frankreich von Anfang an erkannt hatten, wäre es unmöglich gewesen, die Juden ohne die Kollaboration der Franzosen zu deportieren. Hinzu kommt die Entscheidung der Franzosen, „ausländische Juden“ an die Nazis auszuliefern und die „französischen Juden“ zu retten.
Dies verrät ein Maß an Zynismus, das selbst in heutiger Zeit noch schwer verständlich ist. Alle der über 4.000 Kinder, die im Sommer 1942 ohne ihre Eltern von Frankreich aus deportiert wurden, kamen in Auschwitz ums Leben. Sie alle waren Kinder, die noch viel vor sich hatten: sie waren voller Freude – Lebensfreude, aber weil sie Juden waren, wurden sie auf diese Weise zum Tode verurteilt; – und wie viele dieser Kinder hatten Fähigkeiten, Talente und gute Eigenschaften..? Es gab Augenzeugen für die Trennung der jüdischen Kinder von ihren Eltern, für ihre Leiden in den verschiedenen Konzentrationslagern, selbst für ihre stoische mitleidlose Haltung während der Transporte; – doch nachdem sich die Tore von Auschwitz hinter ihnen geschlossen hatten, blieb bis heute nur Schweigen.
Im Sommer des Jahres 1942 kamen in Auschwitz Judentransporte aus ganz Europa an, aus der Slowakei, den Niederlanden, Belgien und Frankreich. Die seit Ende 1941 von den Nazis betriebene Politik, Juden aus dem Westen vor ihrer endgültigen Deportation in Ghettos wie Lodz zu konzentrieren, wo eine weitere Selektion stattfinden konnte, bevor man die „arbeitsunfähigen Juden“ umbrachte, wurde aufgegeben. Mit der Selektion in Auschwitz kurz nach der Ankunft wurde der gesamte Prozess zur Judenvernichtung gestrafft. Von der tödlichen Wirkung des Lagers wurden alle besetzten Gebiete erfasst..! Am 17. Juli 1942 fuhr Heinrich Himmler, „Reichsführer SS“, in die Todesfabrik Auschwitz ein, 15 Monate nach seiner ersten „Inspektionsreise“!
Bei seinem Besuch sah der gewöhnlich wirkende Mann mit Brille und einem kleinen Spitzbauch ein vollkommen verändertes Lager, mit einem völlig neuen, im Bau befindlichen Komplex in Birkenau. Er studierte eingehend die Pläne für die geplante Erweiterung des Lagers und besichtigte das rund sechzig Quadratkilometer umfassende Sperrgebiet – „Interessensgebiet des KL Auschwitz“- rund um das Lager, das unmittelbar der Lagerverwaltung unterstand. Danach verfolgt er die Selektion eines neu eingetroffenen Transportes und die anschließende Tötung mit Zyklon B im „weißen Häuschen“.
Nach dieser unmenschlichen Handlung durch die SS wohnte Himmler einem Empfang ihm zu Ehren im Haus von Gauleiter Bracht im nahe gelegenen Kattowitz bei. Am folgenden Tag kehrte er zurück und besichtigte das Frauenlager in Auschwitz Birkenau. Hier wurde Himmler Zeuge der Bestrafung einer der weiblichen Häftlinge mit 25 Stockhieben, eine Strafe, die er selbst genehmigt hatte. Am Ende war dieser Verbrecher so befriedigt über das, was er in Auschwitz gesehen hatte, dass er den Lagerkommandanten Rudolf Höß in den Rang eines Obersturmbannführers beförderte. Mit der Karriere von Höß ging es aufwärts, denn der Besuch vom „Reichsführer SS“ war auch für ihn ein voller Erfolg.
Fortsetzung folgt.
Von Rolf von Ameln
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