„Mein Denken ist oft Musik, ich lebe meine Tagträume durch Musik“ (Albert Einstein)
Bronislav Huberman wurde am 19. Dezember 1882 in Tschenstochau (Polen) geboren und verstarb am 16. Juni 1947 in Corsier-sur-Vevey (Schweiz).Seine Eltern erkannten sehr früh sein aussergewöhnliches musikalisches Talent. Als Sechsjähriger erhielt er seinen ersten Geigenunterricht und debütierte schon ein halbes Jahr später. Schon im Alter von zehn Jahren vollendete er in Berlin seine musikalische Ausbildung.
Am 29. Januar 1896 traf Huberman in Wien bei einem Konzert auf Johannes Brahms und beeindruckte diesen sehr mit der Interpretation seines Klavierkonzerts. Huberman beschwerte sich, dass das Publikum während seines Spiels spontan applaudiert hatte, und wurde von Brahms beschwichtigt: „Du hättest eben nicht so wunderbar spielen dürfen!“
Zahlreiche Konzertreisen innerhalb Europas folgten und festigten seinen Ruf als einen der „wichtigsten Geiger im 20. Jahrhundert“.
Nach einem Konzert in Wien schrieb die „Neue Freie Presse“ am 10. November 1928: „Bronislav Huberman hat Schubert gespielt. Da verstummte für einen Augenblick das pomphafte Fanfarengeschmetter offizieller Festakte. Und übrig blieb ein zauberhaft betörender Geigenton, ein schlagendes Herz und – Schubert.“
Huberman verstand sich zeit seines Lebens als homo politicus. Seine Musik war für ihn Werkzeug und Ausdruck des Kampfes für eine bessere Welt. Er hatte schon früh die Vision eines vereinten Europas und eines jüdischen Staates in Palästina.
Als mit der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 die Naziherrschaft begann, musste Huberman schnell erkennen, welche grauenhafte Zeit auf die Juden Europas zukam. Bereits im April 1933 wurde das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums umgesetzt. Der darin enthaltene Arierparagraph besagte, dass alle „nichtarischen“ Beamten mit sofortiger Wirkung in den Ruhestand zu versetzen seien. Erstmals seit 1871 gab es wieder Sondergesetze für die jüdische Bevölkerung, die nur ein Ziel hatten: Die Juden aus der Gesellschaft schnellstmöglich und vollständig zu entfernen. Zunächst gab es noch Ausnahmen, die auf Betreiben von General von Hindenburg den Betroffenen noch einige Zeit Aufschub gaben. Doch dann verloren auch ehemalige Frontkämpfer, ihre Witwen und Kinder, sowie Juden, die bereits vor dem 1. August 1914 in ihren Positionen gewesen waren den Schutz.
Ohne zwingende Notwendigkeit, nur aus vorauseilendem Gehorsam schlossen sich Vereine und freiwillige Feuerwehren dem Verbot für jüdische Mitglieder an. Schulen und Universitäten folgten ebenso, wie standesrechtliche Vereinigungen für Ärzte, Rechtsanwälte und Notare. Bis 1938 durften Ärzte ihre jüdischen Patienten noch als „Krankenbehandler“ weiter betreuen. Rechtsanwälte konnten bis dahin ebenfalls eine gewisse Zahl ihrer jüdischen Klienten betreuen, sie mussten dies aber unter der Berufsbezeichnung „Konsulent“ tun. Künstler, die an staatlichen Bühnen angestellt waren, fielen ebenfalls unter das Berufsverbot. Sie durften ebenfalls nur noch vor jüdischem Publikum auftreten.
Im Mai 1933 nimmt Huberman gemeinsam mit Arthur Schnabel, Paul Hindemith und Pablo Casals am Johannes Brahms Fest in Wien teil. Das Konzert findet im Grossen Musikvereinssaal statt, in dem die alljährlichen Neujahrskonzerte des Wiener Musikvereins aufgezeichnet werden.
Im Juni 1933 erhält Huberman eine Einladung von Wilhelm Furtwängler, der gerade „Erster Kapellmeister“ der Berliner Staatsoper geworden war, gemeinsam mit den Berliner Symphonikern aufzutreten. Huberman reagiert mit einem vielbeachteten Brief, in dem er die sich in Nazideutschland abzeichnende Katastrophe anprangert. Die Rolle Furtwänglers während dieser Zeit ist fragwürdig. Trotzdem schreibt Huberman: „Lieber Freund, erlaube mir zu allererst meine Bewunderung für die Furchtlosigkeit, Entschlossenheit, Beharrlichkeit und Verantwortungsbewusstsein zu danken, mit der du deine Bemühungen im April begonnen hast, um die Konzertbühne vor einer bedrohlichen Zerstörung durch rassistische Reinigung zu schützen.“
Furtwängler hatte sich mit dem Inkrafttreten des Verbotsgesetzes für den Verbleib einiger jüdischer Kollegen im Orchester eingesetzt. Ob er aber letztendlich doch antisemitisch war oder ob er nur aus purem künstlerischen Überlebenswillen agierte, kann nicht einwandfrei belegt werden. Einerseits liess er sich lange nicht von seinem obersten Chef, dem damaligen Ministerpräsidenten Hermann Göring einschüchtern, andererseits wirkte er aber auch bei der Durchsetzung des Reichbeamtengesetzes mit. Dennoch kritisierte er in einem Brief an Goebbels am 11. April 33: „Nur einen Trennungsstrich erkenne ich letzten Endes an: den zwischen guter und schlechter Kunst.“
Goebbels Antwort darauf: „Lediglich eine Kunst, die aus dem vollen Volkstum selbst schöpft, kann am Ende gut sein und dem Volke, für das sie geschaffen wird, etwas bedeuten […] Gut muß die Kunst sein; darüber hinaus aber auch verantwortungsbewusst, gekonnt, volksnahe und kämpferisch.” Es war Furtwängler zu verdanken, dass der „Arierparagraph“ zunächst nicht auf jüdische Mitglieder der Berliner Philharmoniker angewendet wurde. Die Nazibonzen wussten, dass sie nicht einfach auf so einen beliebten und anerkannten Künstler verzichten konnten, und nahmen ihn 1944 in die „Gottbegnadeten Liste“ auf. Auf dieser Liste wurden 1041 Künstler aufgeführt, die den Nazis wichtig erschienen und die vom allgemeinen Wehrdienst ausgenommen waren. Furtwängler erscheint sogar auf der, von Hitler persönlich erstellten Liste der „Unersetzlichen Künstler“.
Dass er im Jahr 1936 die Möglichkeit, als Nachfolger Toscaninis in New York zu arbeiten ablehnte, brachte ihm bis zu seinem Tod viel Kritik ein. Die Amerikaner verhängten 1945 ein Berufsverbot über ihn, er galt als „Hitlers gehätschelter Maestro“, wie es Erika Mann ausdrückte. Jüdische Kollegen, die emigriert waren, nahmen ihm übel, dass er bis zum Schluss mit den Nazis paktiert hatte.
Unglaublich, dass es Musiker wie Paul Hindemith, Yehudi Menuhin und Szymon Goldberg, sowie seine jüdische Sekretärin Berta Geissmar waren, die sich im Entnazifizierungsverfahren und im Prozess für ihn einsetzten, so dass er 1947 freigesprochen wurde.
Während Furtwängler weiter von Erfolg zu Erfolg eilt, erkannte Huberman, dass der Ausschluss der jüdischen Musiker aus der Musikszene eine grosse Chance für etwas Neues war. 1929 war Huberman zum ersten Mal in Palästina und verliebte sich in das Land. Bei seinem zweiten Besuch 1931, noch bevor die Nazis in Deutschland an die Macht kamen, hatte er bereits die Vision, die besten Musiker nach Palästina zu bringen und dem Publikum dort erstklassige Musikangebote zu bringen. In seinen Gedanken wuchs das „Palestine Symphony Orchestra“ zu einem grossartigen Klangkörper zusammen.
Huberman fand ab 1934 prominente Unterstützer. Arturo Toscanini, Albert Einstein und Chaim Weizmann. Anlässlich einer Konzertreise in den USA erspielte er bei 42 Konzerten das notwendige Geld, um sein Projekt durchführen zu können. Er beendete seine beruflichen Verpflichtungen in Berlin und Wien und kehrte nach Palästina zurück. Dort erkannte er schnell, dass durch die Gründung des Orchesters zahlreiche arbeitslose Juden eine neue Perspektive erhalten könnten. Annähernd 1.000 Menschen wurden von Huberman vor der Ermordung durch die Nazischergen gerettet und fanden eine neue Heimat in Palästina. Albert Einstein hatte sich zuvor schon zusammen mit der geflüchteten Pianistin Harriet Cohen anlässlich einer Wohltätigkeitsgala in New York als hervorragender Geiger geoutet und Geld gesammelt, um in Berlin gestrandeten Wissenschaftlern die Ausreise aus Deutschland zu ermöglichen. 1936 sammelte er bei einer Abendveranstaltung Geld für die Künstler, die ebenfalls in Berlin auf die Ausreise hofften. Kurz darauf verzichtete Arturo Toscanini auf ein Engagement in den USA und erklärte sich bereit, die ersten Konzerte des neuen Orchesters zu dirigieren.
Das Orchester setzte sich aus 73 Mitgliedern zusammen: 19 Polen, 16 Deutsche, 10 Österreicher, je vier Ungarn und Niederländer. 20 Mitglieder waren lokale Musiker, die sich dem Orchester anschlossen. Am 26. Dezember 1936 traten die Musiker erstmals auf. Der Erfolg war überwältigend.
Den grössten Erfolg durfte Huberman nicht mehr miterleben. Unmittelbar nach der Proklamation des Jüdischen Staates Israel spielten seine Musiker erstmals die „HaTikva“, die Nationalhymne des neuen Staates. Ben Gurion, der anfänglich Zweifel am Erfolg des Orchesters gezeigt hatte, gab ihm seinen neuen Namen, unter dem sie heute weltbekannt sind: Israel Philharmonic Orchestra.
Von Esther Scheiner
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