In der Ausgabe von Mittwoch, 13. Januar 1937 befasst sich die „National Zeitung“ mit den Themen in- und ausländische Verbrechen. Die „Schriftleitung“ beginnt mit dem Titel „Bluttat in Berlin R.“
Berlin, 12. Januar. (Drahtbericht.): In Berlin R wurde in den Morgenstunden des Dienstag eine furchtbare Bluttat entdeckt, die sich nachts in einem Hause in der Joachimstraße abgespielt hat. Als gegen 6 Uhr früh der 27jährige Adolf K. in seine Wohnung kam, fand er in der Küche seine 27jährige Ehefrau Elisabeth und im angrenzenden Zimmer seinen 34jährigen Schwager Hans G. und seinen Freund, einen 50jährigen Fritz Sch. mit tödlichen Brustschüssen in Blutlachen am Boden liegend auf. Die Mordkommission stellte fest, daß Fritz Sch. noch eine Mehrladepistole in der Hand hatte, aus der aller Wahrscheinlichkeit nach die todbringenden Schüsse abgegeben worden sind. Der Ehemann erklärt, daß er zusammen mit seiner Frau, seinem Schwager und dem ihm befreundeten Sch. am späten Abend ein Lokal besucht habe. Nachts zwischen 1 und 2 Uhr habe er sich dann von den anderen getrennt und allein noch mehrere Gaststätten aufgesucht, während seine Frau mit den beiden Männern in die Wohnung zurückgekehrt sei. Die Gestapo wurde zur Lösung des Falles hinzugezogen.
Weiter berichtet das Blatt: „Der entführte Knabe ermordet!“ Neuyork, 12. Januar, Drahtbericht: In der Nähe von Everett im Staate Washington wurde im Schnee die furchtbar verstümmelte und unbekleidete Leiche eines Knaben gefunden. Die Vermutung der Polizei, daß es sich um den vor zwei Wochen entführten zehnjährigen Sohn des Arztes Mattson aus Tacoma handelt, wurde durch sofort herbeigerufene Verwandte des Arztes bestätigt. Die Leiche lag in der Nähe der Landstraße und war offenbar kurze Zeit vor der Auffindung aus einem Auto in das Gelände geschleift worden. Die Familie Mattson hatte in der vergangenen Woche 28 000 Dollar an die Entführer gezahlt, ohne daß die Verbrecher das Kind vereinbarungsgemäß freigaben. Dieser brutale Entführungsmord, der dem Verbrechen an dem Kinde Lindberghs äußerst ähnlich ist, hat in ganz Amerika ungeheure Empörung hervorgerufen.
Einsatz aller Bundehilfsmittel. UP. Washington, 13. Januar, eigener Drahtbericht: Nach Bekanntwerden der Nachricht von der Ermordung des vor einiger Zeit entführten zehnjährigen Charles Mattson in Tacoma hat Präsident Roosevelt sofort den Einsatz der gesamten Bundeshilfsmittel bei der Verfolgung der Entführer und Mörder angeordnet. Die Bundesregierung setzte gleichzeitig eine Belohnung von zehntausend Dollar für Informationen aus, die zur Verhaftung der Schuldigen führen. Roosevelt äußerte sich voll Entrüstung über diesen Mord an einem hilflosen Knaben.
Neue Enthüllungen in Preßburg
Schmuggelautos mit doppelten Nummern. Preßburg, 12. Januar, Drahtbericht: In der Devisenschmuggelaffäre, die in Preßburg aufgedeckt wurde, werden jetzt weitere Einzelheiten bekannt.Unter dem Druck des Beweismaterials hat Hauptschuldige Sklenarsch-Seewarth gestanden, daß er nicht weniger als 60 bis 70 Millionen Tschechenkronen über die Grenze verschoben hat. Als Kurier zwischen den Zweigstellen der Schmugglerorganisation und ihren Vertrauensleuten war eine junge Frau namens Finkl tätig, die immer in eleganter Aufmachung auftrat. Ein gewisser Dr. Weiß leitete die „Paßabteilung“ in Wien. Der Grundpreis für einen flaschen Paß betrug bei ihm 200 Schilling.
In Böhmen und Mähren leitete die Geschäfte ein gewisser Goldstein, der nach Meinung der Polizei auch mit Devisenschmugglern aus dem Reiche unter einer Decke steckte. Nicht weniger als zehn Nummern von Kraftwagen konnten bisher festgestellt werden, die von der Bande benutzt wurden. Dabei ist nicht sicher, ob es sich um zehn verschiedene Wagen handelt, da einige Wagen auch mit einem Mechanismus ausgestattet sind, der es ermöglicht, die Nummerntafeln auch während der Fahrt auszutauschen. In Prag wurde sogar ein dem Goldstein, der übrigens Jude ist, gehörendes Flugzeug beschlagnahmt. Eine besondere Abteilung der Bande beschäftigte sich mit Goldschmuggel.
Durch Agenten wurde Bruchgold aufgekauft, in bisher noch nicht festgestellten Werkstätten zu Barren zusammengeschmolzen und in den Geheimschränken der Kraftwagen über die Grenze befördert. Einige Posten solcher Sendungen konnten von den Grenzbehörden in Znaim aufgebracht werden. Bei der Haussuchung in der Wohnung des verhafteten Preßburger Schmugglers Sklenarsch-Seewarth wurden zahlreiche Depotscheine über verkaufte Wertpapiere gefunden. Seine Frau und seine Tochter wurden verhaftet, da sie bei den Schiebungen geholfen haben. Auch die Direktoren einer Preßburger Großbank wurden verhört. Bei dem jüdischen Bankier Salomon Schiller in Lutschenetz wurden eine halbe Million Tschechenkronen beschlagnahmt, die Sklenarsch-Seewarth dort hinterlegt hatte.
Die Prager Abendblätter melden über das jüdische Schmuggelnest, daß die Polizeidirektionen von Wien, Preßburg, Prag, Kaschau, Zilln, Belgrad und Bukarest fieberhaft an der restlosen Aufdeckung arbeiten. Es handele sich offensichtlich um einen der größten Kriminalfälle der letzten Jahre. Als einer der Haupttäter wird der Jude Ehrenstein, neben den bisher bekannten Juden Finkl, Körner und Goldstein verfolgt. Eine wichtige Rolle hat nach polizeilichen Mitteilungen das kleine Wiener Bankhaus „Aurora“ gespielt. Dieses Schwindelunternehmen wurde im Jahre 1930 von einem gewissen steckbrieflich aus Zürich und Basel verfolgten Juden Umstädter gegründet worden.
Körner, der die „Devisenabteilung“ leitete, war den Gerichten in Basel und Zürich schon vorher als Devisenschmuggler bekannt. Der Jude Goldstein wird von acht Detektiven gesucht. Es scheint, daß er aus Prag geflohen ist oder sich hinter der Maske eines scheinbar harmlosen Bürgers verbirgt. Die Wiener Polizei hat zwei Beamte nach Preßburg entsandt und wird noch weitere Beamte dorthin senden, da festgestellt werden soll, welche österreichischen Staatsbürger in die Schmuggleraffäre verwickelt sind. Der Preßburger Polizei fielen bei den Haussuchungen auch Beweise in die Hände, daß die Bande außerdem mit Kokain und anderen Rauschgiften geschachert hat.
Wie sich doch die Nachrichten gleichen; – früher und heute. Aber was am erschreckendsten ist: Der Antisemitismus im heutigen Deutschland wächst und wächst.
Von Rolf von Ameln
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