Im Jahr 1886 veröffentlichte Herzl sein aus heutiger Sicht fast prophetisches Werk “Der Judenstaat. Versuch einer modernen Lösung der Judenfrage.”
Im Anschluss an den ersten Zionistenkongress schrieb er am 3. September 1897 in sein Tagebuch: „Fasse ich den Baseler Congress in ein Wort zusammen das ich mich hüten werde, öffentlich auszusprechen so ist es dieses: In Basel habe ich den Judenstaat gegründet. Wenn ich das heute laut sagte, würde mir ein universelles Gelächter antworten. Vielleicht in 5 Jahren, jedenfalls in 50 wird es jeder einsehen “ Herzls Vision sollte tatsächlich Wirklichkeit werden. 51 Jahre später wurde 1948 der Staat Israel gegründet. Ein Traum ging in Erfüllung. Wer war dieser Theodor Herzl und was trieb ihn, sich derartig für den Zionismus einzusetzen?
Geboren wurde er am 2. Mai 1860 in Pest als Sohn einer teilweise assimilierten Familie. Während sein Vater mit ihm regelmässig die Gottesdienste in der Grossen Synagoge besuchte, vermittelte ihm die Mutter hauptsächlich die österreichische Geschichte und Kultur, und unterrichtete ihn in Deutsch. Sein Grossonkel hielt enge Kontakte zu den „Chibat Zion“ (Zionsliebe). Diese 1881 gegründete Organisation verfolgte in den von Pogromen geplagten Staaten Europas das Ziel, Juden zur Auswanderung nach Palästina zu motivieren und sie dabei zu unterstützen. Zu den ersten Orten in Israel, die von diesen Auswanderern besiedelt wurden, gehört auch Zichron Ya’acov.
1878 übersiedelte die Familie nach Wien, wo er sein Studium der Rechtswissenschaften aufnahm und 1985 beendete. Ab 1881 wurde er Mitglied der Burschenschaft Albia, trat allerdings bereits 1883 wieder aus, als er sich vermehrt mit antisemitischen Strömungen konfrontiert sah. Albia gehört auch heute noch zu den pflichtschlagenden Burschenschaften und nahm ab 1882 keine jüdischen Mitglieder mehr auf.
Im Juni 1889 heiratete er Julie Naschauer. Das Ehepaar hatte drei Kinder. Die Ehe von Theodor und Julie muss als tragisch bezeichnet werden. Die ältere Tochter starb an den Folgen ihre Morphiumsucht, der einzige Sohn beging Selbstmord. Die jüngere Tochter starb in Theresienstadt. Julie starb 1907 in der Psychiatrischen Klinik von Wien.
Herzl verliess die Rechtswissenschaften sehr bald und wandte sich dem Journalismus zu. Von 1891 bis 1895 arbeitete er als Journalist für die Wiener Zeitung „Neue Presse“ in Paris. Auf Grund des immer stärker werdenden Antisemitismus glaubte Herzl, das Problem der Diskriminierung der Juden durch eine Massenkonversion zum Katholizismus beseitigen zu können. Er habe, so schrieb er: „.. keine Hemmungen, pro forma zum Christentum zu konvertieren. Er könne so beruflich schneller vorankommen und seinen Kindern Diskriminierungen zu ersparen.” 1893 legte er sogar bereits recht ausgearbeitete Pläne dazu vor. Diese Pläne gab er jedoch wieder auf und glaubte mit seinem Drama “Das neue Ghetto” (1884) zu gegenseitiger Toleranz von Christen und Juden beizutragen. Die Dreyfuss Affaire (1884), die mit der öffentlichen Degradierung von Hauptmann Dreyfuss im Januar 1885 ihr unrühmliches Ende nahm, beeinflusste seine weitere Tätigkeit sehr stark.
Er sah fortan seine Zeit in Paris und die Erfahrungen, die er dort gemacht hatte, als Wendepunkt in seinem Leben an. Als Journalist hatte er den antisemitisch begründeten und mit falschen Beweisen vorangetriebenen Dreyfuss Prozess verfolgt und sah seither, dass für ihn eine neue Aufgabe bevorstand: Die Rettung der europäischen Juden und deren Heimführung in einen eigenen Staat.
Sein Buch “Der Judenstaat” schrieb er in den letzten zwei Monaten seiner Zeit in Paris. Und er verliess sich dabei nur auf sich selbst und sein, man kann es durchaus so formulieren, überhöhtes Selbstwertgefühl. Wäre er nicht so überzeugt davon gewesen, dass alles, was er beginnen würde, auch zu einem positiven Ende führte, er hätte dieses Projekt nie wagen können. So aber schrieb er munter drauflos, ohne zuvor die Schriften des grosssen jüdischen Aufklärers Moses Hess, von Nathan Birnbaum, der den Begriff “politischer Zionismus” einführte, oder von Leon Pinsker, der die Idee der Assimilation verwarf und statt dessen die jüdische Emanzipation und die Schaffung einer jüdischen Nationalität vorantrieb, je ausführlich gelesen zu haben. Erst viel später gab er zu, das Projekt “Judenstaat” nie begonnen zu haben, wenn er die Schriften gekannt hätte.
So aber schuf er eine Art Leitfaden mit ganz praktischen Hinweisen für die Organisation und den Aufbau des neu zu schaffenden Staates. Als Ungarn-Österreicher war gutes Essen wahrscheinlich eine seiner Leidenschaften.
Um zu verhindern, dass die Einwanderer auf irgendeine beliebte Speise verzichten müssten und sich das verpflegungstechnische Disaster der Hebräer während der Wüstenwanderung nicht wiederholen würde, schrieb er: „Während der Verpflanzung muss man lokale Bräuche respektieren. Salzstangen, Bier, Kaffee, gewohntes Fleisch u.s.w. sind nicht gleichgültig. Moses vergaß die Fleischtöpfe Ägyptens mitzunehmen. Wir werden daran denken.“
Herzl versuchte, seine Idee des jüdischen Nationalstaates in Palästina auf dem 1. Zionistischen Weltkongress einer breiten Teilnehmerschaft vorzustellen und schmackhaft zu machen. Stattfinden sollte er in München. Doch die Bayerische Metropole winkte ab. Die Deutsche Rabbinerkonferenz hatte Angst, ein Bekenntnis der Juden zu einem eigenen jüdischen Staat würde die Loyalität der Juden zu Deutschland schwächen. Erst 1861 war das Judenedikt von 1813 aufgehoben worden, das die Niederlassungsfreiheit und das Recht der Gewerbeausübung einschränkte. Vielleicht kein ganz abwegiger Gedanke.
Und so kam Basel in den Genuss, Gastgeber für den 1. Zionistischen Weltkongress vom 29. bis 31. August 1897 zu sein. Die Herren erschienen, so lautete die Anweisung im Frack und weissen Hemd, die Damen in eleganter Garderobe, ohne stimmberechtigt zu sein.
Kurz vor seinem Tod besuchte Theodor Herzl Papst Pius X . Er wollte ihn für die Idee des jüdischen Staates in Palästina begeistern und um Unterstützung für dieses Projekt bitten. Pius X. lehnte diese Bitte ab. Er könne es nicht verhindern, dass die Juden nach Palästina ziehen, könne es aber nie sanktionieren. Jerusalem sei durch Jesus Christus geheiligt. Und nachdem die Juden den christlichen Gott und Jesus Christus nicht anerkannt hätten, könne er als Oberhaupt der Kirche auch die Juden nicht anerkennen.
Herzl verstarb am 3. Juli 1904 in Erdlach an der Rax. Zunächst wurde er auf dem Döblinger Friedhof beigesetzt. Am 14. August 1949 wurden die Särge von Theodor Herzl und die seiner Eltern nach Jerusalem überführt und auf dem nach ihm benannten Herzl Berg beigesetzt. 2006 wurden die Särge seiner älteren Tochter und seines Sohnes, 2007 der seines einzigen Enkels ebenfalls dort beigesetzt.
Am 14.Mai 1948 verlas David Ben Gurion, der erste Premierminister die Unabhängigkeitserklärung. Darin enthalten sind die folgenden Worte: “Im Jahre 1897 trat der erste Zionistenkongress zusammen. Er folgte dem Rufe Dr. Theodor Herzls, dem Seher des jüdischen Staates, und verkündete das Recht des jüdischen Volkes auf nationale Erneuerung in seinem Lande. Dieses Recht wurde am 2. November 1917 in der Balfour-Deklaration anerkannt und auch durch das Völkerbundmandat bestätigt, das der historischen Verbindung des jüdischen Volkes mit dem Lande Israel und seinem Anspruch auf die Wiedererrichtung seiner nationalen Heimstätte internationale Geltung verschaffte. (…)Der Staat Israel wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil offenstehen. Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbürgen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.”
Theodor Herzl hat die Erfüllung seiner Vision nicht mehr erleben dürfen. Er war der Mann der grossen Visionen. Ebenso wie es David Ben Gurion war. Und auch wie es Donna Gracia Nasi war, auch wenn ihre Pläne letztlich scheiterten.
Von Esther Scheiner
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